Caliari, Paolo, genannt Paolo Veronese, einer der ausgezeichnetsten Maler der venezianischen Schule der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, geb. 1528, nach Ändern 1530 oder 1532 zu Verona, gest. 1588, war der Sohn eines Bildhauers Gabrielle Caliari, der den begabten Sohn anfänglich für die Skulptur bestimmte und ihn in den Anfangsgründen seiner Kunst selbst unterrichtete, später aber, als er dessen unwiderstehliche Neigung zur Malerei bemerkte, zu Antonio Badile, seinem Onkel, in die Lehre tat. Hier studierte er die Arbeiten dieses Meisters, besonders aber die Kupferstiche Albrecht Dürer's und die Zeichnungen des Parmegianino mehrere Jahre lang, und machte dann so rasche Fortschritte, dass ihm schon in früher Jugend die Ausführung mehrerer Altarbilder und anderer Gemälde für Verona und dessen Umgegend anvertraut werden konnten. Trotzdem scheint seine Vaterstadt seltsamer Weise das bedeutende Talent des jungen Künstlers anfänglich kaum beachtet zu haben. Um so besser scheint dasselbe aber von dem Kardinal Ercole Gonzaga gewürdigt worden zu sein, der Paolo mit mehreren anderen seiner Mitbürger: Dominico Riccio, Battista dal Moro und Paolo Farinato nach Mantua einladen ließ, um dort verschiedene Gemälde für den Dom auszuführen, in welchen er die Arbeiten der genannten, mit ihm daselbst tätigen Maler alle übertraf. Nach seiner Zurückkunft nach Verona malte er im Auftrag einige Kopien nach Raphael, begab sich aber darauf nach Vicenza und von da nach Venedig, woselbst er sich niederließ. Seine ersten hier im Jahr 1555 in der Sakristei und Kirche San Sebastiane ausgeführten Bilder erhoben ihn auf einmal zu dem Rang eines Künstlers unter den ersten seiner Zeit, und sein Ruf war fest begründet, als, in Folge eines durch die Prokuratoren von San Marco ausgeschriebenen Concourses für die Malereien der Decke der Bibliothek daselbst, seine Nebenbuhler ihm selbst die für den Sieger bestimmte goldene Kette zuerkannten. Nach diesem denkwürdigen Wettkampfe reiste er, um seine Verwandten wieder zu sehen, nach Verona, wo er im Refektorium von San Nazzaro, dem Kloster der schwarzen Brüder, das Gastmahl des Simon malte. Nach Venedig zurückgekehrt, arbeitete er um 1560 in der Kirche San Sebastiano — die eine wahre Galerie der Paoloschen Werke genannt werden kann, so viele und so schöne Arbeiten von ihm trifft man daselbst — und im Palazzo Ducale. Hierauf nahm ihn der zum Gesandten der Republik beim heil. Vater ernannte Prokurator Grimano mit sich nach Rom, wo das Studium der Werke Raphael's, Michelangelo's und des klassischen Altertums den glücklichsten Einfluss auf seine Kunstweise ausübten, indem sie von da an größeren Schwung annahm, ohne darum an Grazie und Adel zu verlieren. Bei seiner Rückkunft nach Venedig wurde er so sehr mit Aufträgen überhäuft, dass er trotz seines ungemeinen Fleißes und der ausnehmenden Leichtigkeit seines Schaffens nicht im Stande war, alle öffentlichen und Privatarbeiten, die ihm übertragen wurden, auszuführen. Ganze Kirchen wurden von ihm gemalt, der Palazzo Ducale verwahrt eine sehr große Anzahl riesenhafter Arbeiten von ihm; die Landhäuser der Umgegend von Vicenza, Treviso und Verona sind voll von seinen Fresken, überdies sind noch eine Menge Bilder, zum Teil in den größten Dimensionen, von ihm vorhanden, die man zerstreut in allen Galerien Europa's findet. Den größten Ruf aber verschafften ihm die von ihm gemalten großen Gastmähler, zu denen er den Anlass aus Momenten der heil. Geschichte nahm, um deren Besitz sich Fürsten und Grosse stritten.
Paolo Veronese hatte einen Bruder: Benedetto, geb. 1538, gest. 1598, der ihm bei seinen Werken half und mit seinen Neffen die nach des Ersteren Tod unfertig hinterlassen Bilder vollendete. — Von Paolo's Söhnen ist: Carlo oder Carletto, geb. 1572, gest. 1596, ein Schüler seines Vaters und des Jacopo Bassano, der bekannteste. Er führte, obgleich er sehr jung starb, viele Werke aus, die zwar denen seines Vaters, in dessen Stil er arbeitete, lange nicht gleichkommen, die deshalb aber nichts weniger als unbedeutend genannt werden können. Bilder von ihm sieht man im Museum zu Berlin: eine Darstellung Christi; in der Galerie zu Dresden: eine Allegorie auf die Übergabe der Krone von Zypern; eine heil. Familie; die Taufe Christi; einige Bilder im Dogenpalast zu Venedig; den h. Augustin, Bischof von Hippon, die Regeln des von ihm gestifteten Ordens bestimmend, in der Galerie des Belvedere zu Wien. — Ein zweiter Sohn Paolos: Gabrielle, der ebenfalls Maler war, geb. 1568, gest. 1631, gab nach dem Tode seines Onkels und seines Bruders die Kunst auf und betrieb einen Kunsthandel.
Parrasio Michele, Luigi Benfatto, gen. dal Friso, ein Neffe des Paolo Veronese, Maffeo Verona, Schwiegersohn des Luigi Benfatto, Michelangiolo Aliprando, Francesco Montemezzano, Sigismondo Scarsella und Battista Zellotti sind die vorzüglichsten der Schüler und Nachahmer des Paolo Caliari.
Paolos erstaunlich großer künstlerischer Tätigkeit ist es insbesondere zuzuschreiben, dass in einer Zeit, wo alle Schulen der großen italienischen Meister der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts bereits in tiefsten Verfall geraten waren, die venezianische durch die Unerschöpflichkeit des Naturalismus, dem sie nach seinem und seiner Vorgänger Vorbild huldigte, und die Reize des Kolorits, mit welchen sie darzustellen wusste, sich noch länger erhielt. In ihm konzentrierte sich nämlich jene längst angebahnte Kunstrichtung, welche, von dem geistigen Gehalt und der traditionellen Weise in der Darstellung der kirchlichen, wie der mythologischen Gegenstände gänzlich abgehend, die Ereignisse aus dem Himmel auf die Erde, aus der Vergangenheit in die Gegenwart versetzte und sie deren Gesetzen, bis sogar auf die äußerlichen der Mode unterwarf. Sein heiterer froher lebenskräftiger Sinn fand den Hauptgegenstand seiner künstlerischen Begeisterung in der Schönheit und Pracht der Erscheinung des äußeren Lebens, wie sich dieses zur Zeit der Blüte des reichen und stattlichen Venedigs gestaltet hatte und bei großen Festlichkeiten am mannigfaltigsten und pomphaftesten entfaltete. In solche Umgebung, in das venezianische Leben seiner Zeit mit seinen malerischen Trachten, seinen stattlichen Bauwerken, verlegte er deshalb alle darzustellenden Begebenheiten. Er wählte daher vorzugsweise solche Gegenstände aus der Geschichte, der Mythologie, aus dem Gebiete der Allegorien (worin seine Zeit ganz unersättlich war), aus der Bibel, aus dem Leben, wo nur alle erdenkliche irdische Pracht anzubringen war, festliche Aufzüge, bunte Zeremonien, rauschende Gastmähler, und wo ihm der Stoff zur Darstellung gegeben war, wusste er ihm immer eine solche festlich heitere glänzende Seite abzugewinnen, ihn überhaupt immerdar auf eine ebenso hinreißend wahre, als heitere poetische Weise, in eine teils prunkhaft, teils anmutig; sinnliche Wirklichkeit umzudichten, und dadurch dem Verständnis und der Bewunderung seiner Zeitgenossen näher zu rücken. Er fasste die Natur mit voller freier Unmittelbarkeit auf, aber gehoben und getragen von jener klassischen Grosse des Sinns, welche von seinen Vorgängern, den früheren großen Meistern der Schule begründet war. Seine Gestalten, edle und kräftige Menschen, haben sich in einem erhöhten Moment des Daseins und zugleich in höchster Unbefangenheit der Existenz, im vollsten Genuss alles dessen, was die Erde schön macht und in freudigst erregter Stimmung des Gefühls zusammengefunden. Außer seinen sogenannten sante conversazioni, in welchen die Heiligen aus dem Himmel niedersteigen und mit den Irdischen gemütlich verkehren; außer seinen kirchlichen Gemälden, in denen nicht selten an die Stelle des religiösen Interesses das Bild heiterer und weltlicher Pracht und frohen Humors tritt; außer seinen erzählendem Bildern, bei denen freilich oft, trotz mancher edlen dramatischen Gedanken, die ungenügende Entwicklung der Figuren sich bis zur Unverständlichkeit steigert, sind es daher namentlich seine Gastmähler, verschiedene für die Refektorien leicher Klöster in kolossalen Dimensionen gemalte Mahlzeiten, welche in der heil. Schrift vorkommen, in denen er am Vorzüglichsten erscheint, in denen er, die letzten historischen Fesseln abschüttelnd, und den zeremoniellen Inhalt durch die schönste und kraftvollste Einzelbelebung aufhebend, ein schönes und freies Menschengeschlecht, das in ungehemmtem Jubel alle Pracht und Herrlichkeit der Erde genießt, schildert, und zwar in der bunten Farbenlust der reichsten Gewänder und umgeben von den großartigsten architektonischen Örtlichkeiten und Perspektiven, von dem Glanz prachtvoller Gefäße und funkelnder Geschmeide und einer Menge der Haupthandlung zur Folie dienender, bewegter Episoden. Dabei ist ein helles sonniges Tageslicht über dieses Zusammenleben verschiedener zu einem herrlichen Ganzen vereinigter Existenzen ausgegossen. Es herrscht darin eine Pracht des Kolorits, eine Feinheit in der Abstufung der Töne, eine Magie der Haltung, eine Harmonie der reichsten und großartigsten Farbenskala, eine Farbenverklärung, welche diese Bilder gleichsam zu Farbendithyramben, zu hinreisenden Farbensymphonien macht, die an uns vorrüberrauschen, sich vor unserem trunkenen Auge entrollen. Diese poetische und künstlerische Tatkraft, in einer so gesunkenen Kunstepoche Leben und Liebreiz so rein und voll darzustellen, ist doppelt hoch anzuschlagen, und wenn Paolo Veronese auch sich dem Naturalismus vielfach anbequemt, wenn auch seine Komposition hin und wieder sogar verwildert, seine Schönheit sich mehr an die Sinne als an die Seele richtet, so weht selbst aus seinen flüchtigsten Bildern noch ein gewisser Hauch der Anmut, spricht aus ihnen noch eine naive Fülle des Daseins, die damals bereits aus allen ändern Schulen gewichen war.
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