20. Fremde und Sklaven
Wer immer als schaulustiger Reisender nach der Insel kommt und sich durch irgend eine Geistesgabe auszeichnet, oder wem die Erfahrung ausgedehnter Reisen mit einer ausgebreiteten Länderkenntnis zur Seite steht (auf Grund dessen war ihnen unsere Landung willkommen), wird aufs Bereitwilligste aufgenommen. Denn sie hören gar gerne, was dort und da in der Welt vorgeht. Um Handel zu treiben, schiffen sich dort freilich nicht viele Fremde aus. Denn was sollen sie dort zu Lande importieren, wenn nicht etwa Eisen, Gold und Silber, was aber Jeder nur wieder mit sich fort nehmen müßte? Was den Ausfuhrhandel aber mit Produkten, die die Utopier zu exportieren haben, anbelangt, so nehmen sie diesen wohlbedachter Weise lieber selbst in die Hand, als dass sie die Fremden danach kommen lassen, erstens um die auswärtigen Volker ringsum kennen zu lernen, und sodann, um als seefahrende Nation sich auf der Höhe zu halten.
Zu Sklaven machen sie nicht die Kriegsgefangenen, es sei denn diejenigen, die es in einem Kriege geworden sind, den sie selbst geführt haben, auch die Söhne der Sklaven werden es nicht, noch überhaupt jemand, der als Sklave bei fremden Völkern gekauft werden kann, sondern entweder solche, die bei ihnen selbst wegen einer Missetat in Sklaverei verfallen sind, oder solche (und das ist der bei weitem häufigere Fall), die in auswärtigen Städten ein Verbrechen begangen haben, woraus bei jenem Volke die Todesstrafe steht. Solche holen sie sich zahlreich, und diese sind manchmal um billigen Preis zu haben, häufiger noch erhalten sie sie unentgeltlich.
Diese Art von Sklaven werden nicht nur in beständiger Arbeit, sondern auch in Fesseln gehalten, ihre Landsleute unter diesen aber behandeln sie härter, weil sie sie für viel verkommener und daher einer exemplarischen Strafe für würdig halten, indem sie, die eine so vorzügliche Erziehung und Anleitung zur Tugend erhalten, sich lasterhaften Tuns zu enthalten doch nicht vermocht hätten.
Eine andere Art Sklaven sind diejenigen, welche als arme, sich plackende Angehörige eines fremden Volkes es freiwillig auf sich nehmen, bei den Utopiern zu dienen. Diese werden anständig behandelt, nur dass ihnen etwas mehr Arbeit, da sie ja daran gewöhnt sind, auferlegt wird; in der Tat werden sie kaum weniger human als wie die ebenen Bürger gehalten; will einer von dannen ziehen (was nicht häufig der Fall ist) so lassen ihn die Utopier gehen und halten ihn keineswegs wider seinen Willen zurück, wie sie ihn auch nicht mit leeren Händen scheiden lassen.