Aberglaube, Wunder, Sekten
Vogelflug-Wahrsagungen und alle die anderen abergläubischen Wahrsagereien, wie sie bei anderen Völkern hoch im Schwange sind, betreiben sie ganz und gar nicht und verlachen sie nur.
Wunder dagegen, die gegen den Lauf der Natur erfolgen und ihn durchkreuzen, halten sie als Beweise und Zeugen der wirkenden Macht der Gottheit in Ehren. Solche sollen dort zu Lande häufig vorkommen und in wichtigen und zweifelhaften Angelegenheiten flehen sie mit großer Zuversicht durch öffentliche Fürbitte um solche und erlangen sie auch.
Sie halten die Betrachtung der Natur und Lob und Preis derselben, die sich daraus ergeben, für einen Gott wohlgefälligen Kult; doch gibt es auch solche, und ihrer gar nicht Wenige, die sich so ganz in der Religion leiten lassen, dass sie die Wissenschaften vernachlässigen und die Erkenntnis der Dinge hintansetzen; doch dem Müssiggange sind sie nicht ergeben, sondern sie glauben die Seligkeit im Jenseits nur durch rege Tätigkeit und gute Werke zu verdienen.
Daher pflegen die einen die Kranken, die andern bessern Wege und Straßen aus, Jene säubern Gräben, repariren Brücken, stechen Rasen, graben und schaufeln Sand und Steine aus, fällen, spalten und zersägen Bäume, transportieren auf Karren Holtz Getreide und Anderes nach den Städten, und nicht blos für Zwecke des Gemeinwesens, sondern sie geben sich auch für Privatleute zu Dienern her, ja sind unterwürfiger als die Sklaven, denn alle harte, schwierige und schmutzige Arbeit, wovon die andern durch Arbeitsscheu, Ekel, Verzagtheit zurückgeschreckt werden, übernehmen sie freiwillig und heitern Sinnes, wodurch sie andern behagliche Muße ermöglichen, während sie selbst nichts als Arbeit und Plage haben, die sie nicht in Rechnung Stellen; sie haben auch kein schmähendes Wort für die andern wegen ihrer anders gearteten Lebensführung und überheben sich selber nicht.
Aber je mehr sie sich wie Sklaven gehaben, desto höher stehen sie nur bei allen in Ansehen und Ehren.
Es sind ihrer aber zwei Sekten. Die eine ist die der Unverheirateten, die sich nicht nur des fleischlichen Umgangs mit dem andern Geschlechte völlig enthält, sondern auch des Genusses von Fleischspeisen und Einige sogar des Fleisches aller Tiergattungen. Sie verwesen alle Vergnügungen des irdischen Lebens als schädliche Dinge, und trachten nur nach den Freuden des künftigen die sie durch Nachtwachen und vergossenen Schweiß zu verdienen hoffen; sie sind alle die Zeit über wohlgemut und rüstig.
Die zweite Sekte greift nicht weniger bei der Arbeit zu, zieht es aber vor, in den Ehestand zu treten, dessen trostgewährende Natur sie nicht verschmähen; zudem meinen sie, sie schuldeten der Natur den Zoll und dem Vaterlande Kinder. Sie wenden sich von keinem Vergnügen ab, welches sie nicht von der Arbeit abzieht. Das Fleisch der Vierfüßer ist ihnen aus dem Grunde willkommen, weil sie sich durch dessen Genuß zu Arbeiten mannigfachster Art tauglicher erachten.
Diese halten die Utopier für die klügeren, Jene für die Frömmeren. Wenn Diejenigen, welche die Ehelosigkeit vorziehen und ein rauheres, hartes Leben einem gemächlichen, sich auf Vernunftgründe stützen wollten, so würden die Utopier sie auslachen ; so aber, da Jene selbst bekennen, von religiösen Motiven geleitet zu werden, achten sie sie hoch und verehren sie, denn in keinem Punkte nehmen sie sich so in Acht, wie darin, dass sie über Religion nicht etwas Unbedachtes verlauten lassen.
So also sind diejenigen beschaffen, die sie mit einem eigenes Worte in ihrer Landessprache Buthresken nennen, welches Wort mit »gottesfürchtig« übersetzt werden darf.