Die Lehre von der Lust
Vergnügen nennen die Utopier jede Bewegung und jeden Zustand des Körpers und der Seele, wobei der Mensch ein natürliches Wohlbehagen empfindet. Nicht ohne Grund fügen sie hinzu, ein Wohlbehagen, wonach die Natur verlangt. Denn sowie nicht nur die Sinne etwas erstreben, sondern auch die normale Vernunft nach dem trachtet, was von Natur angenehm ist, wonach weder durch ein zu begehendes Unrecht gestrebt wird, noch wodurch etwas Angenehmeres verloren geht, worauf auch keine Mühe und Arbeit folgt, so halten sie jene Dinge zur Erlangung der Glückseligkeit für unnütz, welche die Menschen gegen die Ordnung der Natur, einer eitlen Übereinkunft zufolge, für höchst liebliche gelten lassen (als ob sie es in ihrer Macht hätten, nur so ohne Weiterers die Dinge dadurch, dass sie andere Worte dafür wählen zu etwas anderem zu machen, als sie wirklich sind), ja sie halten sie sogar für schädlich, weil, wenn sie sich einmal in ihren Begriffen einwurzeln, für die wahren und unverfälscht natürlichen Ergötzungen kein Platz in der Seele übrig bleibt, dies vielmehr von einer falschen Vorstellung vom Wesen des Vergnügens voreingenommen wird.
Es gibt nämlich eine Menge von Dingen, die an und für sich durchaus nichts von Annehmlichkeit enthalten, wohl aber einen guten Teil von bitterem Beigeschmack, die aber vermöge der grundverkehrten Lockungen schmählicher Begierden nicht nur gerade für die höchsten ergötzenden Genüsse gehalten, sondern auch zu den wichtigsten Angelegenheiten des Lebens gezählt werden.
In die Reihe der von solchen falschen Vergnügungen Eingenommenen stellen sie diejenigen, deren ich früher Erwähnung getan habe, die sich nämlich selbst für um so besser halten, je besser der Rock ist den sie tragen. Da befinden sie sich nämlich in einem doppelten Irrtum, denn sie täuschen sich, wenn sie ihren Rock für besser halten, wie sie sich nicht minder täuschen, wenn sie deswegen sich selbst für etwas Besseres halten. Denn was der Vorzug einer Wolle von feinerem Gewebe vor einer mit gröberer Textur, sofern es sich um den praktischen Gebrauch des Kleides handelt?
Denn als ob sie sich von Natur und nicht durch ihren falschen Wahn vor anderen hervortäten, tragen sie das Haupt gar hoch und glauben, dass ihr eigener innerer Wert durch bessere Kleid erhöht werde, und verlangen Ehrenbezeigungen als von Rechtswegen ihnen zukommend, sobald sie mit einem eleganten Kleide angetan sind, die sie, geringer gekleidet, für sich zu hoffen nicht gewagt hätten, und sie nehmen es gar übel, wenn sie trotz ihrer stattlichen Kleidung nicht weiters groß beachtet werden.
Ist es denn nicht die richtige Torheit, aus eitlen und nichts nützenden Ehrenbezeigungen sich so viel zu machen? Was für ein natürliches und echtes, wahres Vergnügen bringt es denn ein, den Scheitel eines andern entblößt, oder dessen Kniee gebeugt zu sehn? Wird dadurch ein Schmerz, den du in deinen Knieen hast, geheilt? Und wenn du phantasierst, wird es wohl in deinem Kopfe klar, wenn ein anderer seinen Hut vor dir zieht?
Mit diesem Scheinbild eines gefälschten Vergnügens gebär den sich wie unsinnig diejenigen, welche sich mit ihrem Adel schmeicheln, und eine wunderbare Meinung von sich selbst haben, weil sie zufällig von Vorfahren abstammen, deren lange Reihe für reich, insbesondere in Grundstücken und Landgütern gilt, denn im Reichtum besteht heutzutage der Adel. Sie würden sich aber um kein Haar weniger adelig dünken, wenn ihnen die Vorfahren nichts hinterlassen hätten, oder sie selbst alles durchgebracht hätten.
Zu diesen Toren rechnen sie auch diejenigen, welche in Edelsteine und Gemmen (wie schon gesagt) vernarrt sind; sie kommen sich vor, als ob sie geradezu zu Göttern erholten worden wären, wenn sie einmal eines vorzüglichen Exemplars habhaft werten, besonders von jener Gattung, die zu ihrer Zeit sehr hoch geschätzt wird.
Denn jeder stehen dieselben Steine bei allen in gleich hohem Werte, noch dieselben Arten zu jeder Zeit. Man kauft sie nicht anders als nackt, d.h. ohne Goldfassung, und selbst dann nicht einmal noch, wenn der Verkäufer nicht zuvor einen Eid geschworen und Bürgschaft gestellt hat, dass es ein echter Edel- oder Halbedelstein sei; so vorsichtig gehen sie zu Werke, dass ihre Augen nicht durch einen falschen Stein an Stelle eines echten getäuscht werden.
Aber wenn du ihn zur Augenweide haben willst, warum sollte dir ein unechter weniger Ergötzen gewähren, den dein Auge nicht von einem echten zu unterscheiden vermag? Beide sollten dir gleichviel wert sein, gerade so, wie einem Blinden auch.
Und werden diejenigen, die überflüssige Reichtümer aufbewahren, nicht, um von ihrem aufgehäuften Geld Gebrauch zu machen, sondern blos, um sich an dem Anblicke desselben zu weiden, nicht vielmehr von einem Scheinvergnügen betrogen, als dass sie ein wirkliches genössen? Oder diejenigen, welche, dem entgegengesetzten Laster huldigend, ihr Gold, von welchem sie nie Gebrauch machen, das sie vielmehr in ihrem ganzen Leben nicht wieder sehen werden, vergraben, und, aus Furcht, dass sie darum kommen könnten, es wirklich verlieren? Denn was heißt es anders, als es diesem eigenen Gebrauch und vielleicht dem der Menschen überhaupt entziehen, wenn sie das Geld unter der Erde verbergen? Und dennoch freust du dich ungemein, wenn du nur deinen Schatz verborgen hast, als ob er dir jetzt keinerlei Sorgen mehr machte!
Wenn nun diesen Schatz einer gestohlen hätte, und du müßtest nichts von diesem Diebstahl und stürbest zehn Jahre später, nachdem dir das Geld gestohlen worden, so frage ich, was es dir für einen Unterschied ausmacht, ob dir das Geld gestohlen worden, oder ob es während dieser Zeit in Sicherheit gewesen sei? In beiden Fällen ist der Nutzen des Schatzes für dich derselbe. Zu diesen so läppischen Ergötzungen rechnen die Utopier auch die Beschäftigungen der Würfelspieler (deren Torheit sie nur vom Hörensagen, nicht aus der selbsterlebten Praxis kennen), außerdem der Jäger und Vogelsteller.
Denn was für ein Vergnügen (so sagen sie) soll dabei sein, die Würfel aus ein Brett zu werfen, was so oft wiederholt wird, dass, wenn ja ein gewisses Vergnügen damit verbunden wäre, aus dieser zahllosen Wiederholung vielmehr Überdruß entstehen müßte?
Und was hat es Liebliches und erweckt nicht vielmehr Widerwillen und Mißfallen, die Hunde bellen und heulen zu hören? Oder ist die Empfindung ergötzlicher, die man hat, wenn ein Hund einen Hasen, als wenn ein Hund einen Hund verfolgt? Um eine und dieselbe Sache handelt sich's nämlich in beiden Fällen; denn wenn das Nennen das Vergnügen bildet — gerannt wird auf die eine und auf die andere Weise.
Und wenn dich die Erwartung auf das Zerreißen der Tiere vor deinen Augen fesselt, so sollte ja eher Mitleid dein Herz bewegen, ein Häslein von einem Hunde, das schwache Tier von dem stärkeren, das furchtsame und die Flucht ergreifende von dem wilden, das harmlose endlich von dem grausamen zerrissen zu sehen.
Deswegen haben die Utopier die gesamte Ausübung der Jagd, als eine freier Männer unwürdige Sache, auf die Metzger beschränkt (welchem Gewerbe, wie bereits oben gesagt, sie sich Sklaven unterziehen lassen), denn sie halten die Jagd für die niedrigste Tätigkeit des Schlächterhandwerks, dessen übrige Verrichtungen sie für nützlicher und anständiger halten, weil sie die Tiere aus Notwendigkeitsrücksichten vom Leben zum Tode bringen, während dem Jäger Mord und Niedermetzelung der armen Tiere rein nur zum Vergnügen dienen soll. Dieses lechzende Verlangen nach Blut und Mord wohne entweder von Natur den wilden Tieren ein, oder entspringe in grausamen menschlichen Seelen, oder arte zuletzt, durch beharrliche Ausübung eines so blutigen Vergnügens, in Grausamkeit aus.
Dieses und dergleichen (denn es gibt unzählige Vergnügungen ähnlicher Art), obwohl sie das genuine Volk für wirkliche Vergnügen der Menschen hält, erklären die Utopier rundweg, habe mit dem wahren, echten Vergnügen nichts gemein, da alledem nichts natürlich Angenehmes innewohnt.
Denn, wenn solche falsche Vergnügungen auch die Sinne mit angenehmen Empfindungen erfüllen (was die Wirkung des Vergnügens zu sein scheint), so gehen sie deswegen doch keineswegs von ihrer Meinung ab, weil nicht die Natur der betreffenden den Sache, sondern nur die verkehrte Gewohnheit der Menschen die Ursache davon ist, das sie unangenehme Dinge für angenehme hinnehmen.
Nichts anderes ist es wenn schwangeren Frauen ihrem verdorbenen, krankhaften Geschmacke zufolge Pech und Talg lieblicher und süßer als Honig dünken. Aber deswegen wird doch das entweder durch Krankheit oder Gewohnheit verderbte Urteil die Natur nicht ändern, weder die Natur des Vergnügens, noch die anderer Dinge.
Die Utopier unterscheiden mehrere Arten wahren Vergnügens, und zwar sowohl körperlicher als geistiger Natur. Letzterer Art ist der Verstand und jenes traute Wohlbehagen, welches die Betrachtung der Wahrheit erzeugt. Daran reiht sich die süße Erinnerung an ein musterhaft geführtes Leben und die gewisse Hoffnung auf eine glückliche Zukunft.
Die Vergnügen des Körpers teilen sie in zweierlei Arten, deren erstere darin besteht, dass die Sinne mit merkbarem Wohlgefühl durchdrungen werden, was durch Erfrischung jener Organe geschieht, welche durch die innewohnende natürliche Wärme erschöpft worden sind. Sie werden durch Speise und Trank wider hergestellt, andererseits werden die überflüssigen Stoffe im Leibe entleert, deren Entfernung von Erleichterung begleitet ist. Dieses Gefühl wird hervorgerufen durch Verrichtung unserer Notdurft mittels Entleerung der Eingeweide, oder durch den Akt der Kinderzeugung oder durch Reiben oder Kratzen einer Stelle, die juckt.
Manchmal entsteht ein Vergnügen, ohne dass etwas dargeboten wird, was den Körpergliedern ein angenehmes Verlangen stillt, noch etwas entfernt, was dem Körper leidendes Unbehagen verursacht, das aber unsere Sinne doch mit einer gewissen geheimen Kraft kitzelt und mit einer herrlichen Bewegung durchs bebt und ganz und gar an sich zieht, wie es z.B. aus der Musik entsteht.
Die zweite Art des körperlichen Vergnügens, behaupten sie, besteht in einem ruhigen, gleichmäßigen Zustande des Körpers, das ist, in der von keines Übel unterbrochenen Gesundheit jedes Menschen. Diese nämlich ist, wenn sie von keinerlei sie beeinträchtigendem Schmerz angefochten wird, an sich etwas Erquickendes, wenn auch kein von außen kommendes Vergnügen auf den Körper einwirkt und ihn in Bewegung setzt. Denn obwohl sie sich den Sinnen weniger bemerkbar aufdrängt, als die Lustbegierde nach Essen und Trinken, erklären sie viele nichtsdestoweniger für die höchste Lust und fast alle Utopier gestehen unumwunden, dass sie ein großes Vergnügen und die Grundlage aller andern Vergnügen ist, insofern diese erst auf ihrer Basis entstehen können, als durch welche allein das Leben einen wünschenswerten und ruhiggefälligen Verlauf nehme; sei sie verschwunden, so könne kein Vergnügen irgendwelcher Art mehr statthaben. Denn nicht gesund sein, wenn man auch keine Schmerzen habe, das nennen sie nicht reines, erquickendes Vergnügen, sondern bloß stumpfe Unempfindlichkeit.
Haben sie doch auch längst unter sich den Ausspruch derjenigen verworfen, die da meinten, die beständige und ruhige Gesundheit (denn auch diese Frage ist bei ihnen sorgfältig erörtert worden) sei nicht für ein Vergnügen zu halten, weil sie behaupteten, es könne ein solches nicht geben, ohne dass es durch eine von außen kommende Bewegung empfunden werde.
Heutzutage aber sind sie wohl so ziemlich alle darüber einig dass die Gesundheit ein Vergnügen ersten Ranges sei. Denn, sagen sie, indem die Krankheit den Schmerz einschließt der der unversöhnliche Feind des Vergnügens ist, gleich wie das die Krank heil für die Gesundheit ist, warum soll dann nicht auch ein Vergnügen in der stetigen, gleichmäßigen Ruhe der Gesundheit liegen?
Es sei in dieser Beziehung völlig gleichgültig, ob der Schmerz die Krankheit sei, oder ob der Schmerz nur der Krankheit innewohne. Denn das laufe der Sache nach doch immer auf das selbe hinaus. Denn wenn die Gesundheit entweder das Vergnügen selbst ist, oder notwendigerweise das Vergnügen im Gefolge hat, geradeso wie die Wärme durch Feuer erzeugt wird, so muß in beiden Fällen die Wirkung hervorgebracht werden, dass Denjenigen, die im Besitze einer unerschütterten Gesundheit sind, das Vergnügen nicht fehlen kann.
Wenn wir sodann essen, sagen sie, kämpft da die Gesundheit, die abzunehmen begonnen hatte, nicht mit Hilfe der Speise gegen den Hunger, und während sie allmählich wieder zunimmt kommt der Mensch wieder zu seinen gewohnten Kräften und, in dem wir so erquickt werden, tritt auch das Vergnügen ein. Und nun sollte die Gesundheit, welche, als sie zu kämpfen hatte, frohen Mutes war, nicht sich erst freuen, wenn sie den Sieg erringt? Warum sollte sie, nachdem sie ihre frühere Stärke glücklich wieder erlangt, nach der allein sie doch im Kampfe gestrebt hat, fortan stumpf werden und, was ihr gut tut, weder erkennen, noch mit liebender Sorgfalt pflegen?
Denn dass man die Gesundheit nicht als etwas Positives empfinde, das leugnen sie als etwas ganz und gar Falsches. Wer empfindet denn im wachen Zustande nicht, dass er gesund ist, außer Derjenige, der es eben nicht ist? Gänzliche Unempfindlichkeit oder Schlafsucht mußte denjenigen befallen haben, der sich nicht selbst zu gestehen imstande wäre, dass die Gesundheit etwas Angenehmes und Ergötzliches sei. Aber was ist Ergötzung Anderes, als ein anderes Wort für Vergnügen? Sie pflegen daher in erster Linie die geistigen Vergnügungen, die ihnen für die vornehmsten und bedeutendsten gelten, die, wie sie dafür halten, in ganz überwiegendem Maße aus der Übung der Tugend und aus dem guten Gewissen eines wohl zugebrachten Lebens entspringen.
Von den Vergnügen, die die körperliche Seite des Daseins gewährt erkennen sie der Gesundheit den Preis zu. Denn die Annehmlichkeit des Essens und Trinkens und was immer eine Ergötzlichkeit ähnlicher Art ist, das ist alles nur der Gesundheit wegen anzustreben — haben sie als ein Axiom aufgestellt. Das sei alles nichts an sich Angenehmes, sondern nur insofern, als es der sich einschleichenden Krankheit Widerstand leistet.
Wie darum ein weiser Mann es als seine Aufgabe erachte, vielmehr den Krankheiten vorzubeugen, als nach Arzeneien zu verlangen, und die Schmerzen von vornherein abzuwenden, als Linderungsmittel dagegen zu suchen, so wäre es auch vorzuzeigen, dieser Art von Vergnügen nicht zu bedürfen, als vom entgegen gesetzten Schmerz dadurch geheilt werden zu müssen. Wenn jemand glauben sollte, dass ihn derlei Vergnügungen glückselig machen, so müßte er notwendigerweise dann am allerglücklichsten werden wenn er ein Leben führte, das unter beständigem Hunger, Durst, Jucken, Essen, Trinken, Kratzen und Reiben verbracht wird.
Der sieht aber nicht, dass ein solches Leben ein ebenso unfläthiges wie elendes ist? Diese Art von Vergnügen sind die niedrigsten, die am wenigsten reinen. Denn sie stellen sich nie ein, ohne die gerade entgegengesetzten Schmerzen. So ist mit der Eßluft der Hunger verbunden und zwar in einem keineswegs gleichen Verhältnisse denn je heftiger der Schmerz, desto länger dauert er. Denn er beginnt vor dem Vergnügen und endet nicht früher, als bis das Vergnügen zugleich mit ihm erlischt.
Aus diesen Grünen halten sie von Vergnügen dieser Art nicht viel, außer da, wo dieselben durch die Notdurft erfordert sind.
Indessen sie erfreuen sie auch ihrer und erkennen dankbar die Güte der Mutter Natur an, die ihre Kinder mit lieblich schmeichelnden Empfindungen zu dem anlockt, was sich als eine unausweichliche Notwendigkeit darstellt und darum getan werden muß. Wie viel größer wäre die Widerwärtigkeit, unter der wir zu leben hätten wenn wir, wie die andern Krankheiten, die uns zwar seltener anfechten, auch diese tägliche des Hungers und des Durstes durch Gifte und bittere Arzneien zu vertreiben hätten?
Die Gestalt, die Körperkräfte und die Gelenkigkeit pflegen sie gern als die eigentlichen und angenehmen Geschenke der Natur. Aber die Arten Vergnügen, die durch Ohren, Augen und Nase aufgenommen werden, die die Natur als dem Menschen eigentümliche, speziell ihm zukommende, bestimmt hat (denn keine andere Gattung von Lebewesen fasst Bau und Schönheit der Welt mit dem Blicke auf, es gibt keine Feinheit der Düfte für sie, sie bedienen sich des Geruchsinnes nur zur Unterscheidung der Nahrungsmittel, auch empfinden sie nicht den harmonischen und dissonirenden Abstand der Töne) — diese Arten des Vergnügens sage ich, lassen sie als angenehme Würze des Lebens gelten.
Bei allen diesen Vergnügen aber befolgen sie die Richtschnur, dass ein geringeres nicht ein größerer hindere noch dass ein Vergnügen Schmerz erzeuge, was notwendigerweise nach ihrer Meinung erfolgen müßte, wenn das Vergnügen ein unziemliches sei.
Aber die Schönheit der Leibesgestalt verachten, die Körperkräfte schwächen, die Gelenkigkeit in Trägheit verkehren, den Leib durch Fasten und Kasteiungen erschöpfen, die Gesundheit schädigen und alle uns von der Natur erlaubten Annehmlichkeiten zurückweisen, halten sie für das Allerwahnwitzigste, sofern einer diese Lebensbequemlichkeiten nicht vernachlässigt, weil er mit Feuereiser für das Wohl seiner Nebenmenschen oder für das allgemeine Beste tätig ist, wofür er von Gott als Lohn für seine Mühewaltung ein Vergnügen höherer Art erwartet, — sondern bloß um eines nichtigen Schattens der Tugend willen sich selbst Trübsal zufügen, ohne dass jemand einen Vorteil davon hat, oder damit man Ungemach leichter ertragen könne, das uns vielleicht niemals heimsucht, das sehen sie für das Merkmal eines gegen sich selbst grausamen und gegen die Natur höchst undankbaren Gemütes an, das, weil es verschmäht, ihr so viel zu verdanken, allen ihren Wohltaten entsagt.
So lautet das Urteil der Utopier über die Tugend und das Vergnügen, und sie glauben, dass, wofern nicht eine direkt vom Himmel geoffenbarte Religion etwas Erhabeneres dem Menschengeiste einflößt, die menschliche Vernunft keine wahrere erfinden könne.
Ob sie darin richtig oder falsch beraten sind, das zu erörtern gebricht es uns hier an Zeit und es ist auch nicht nötig, denn wir haben ihre Einrichtungen aufzuzählen unternommen, nicht dieselben zu verteidigen. Ich bin aber fest überzeugt, wie sich das auch immer verhalte, dass nirgends ein vorzüglicheres Volk, noch ein glücklicherer Staat zu finden sei.