Liberaler Deismus
nimmt nichts von all dem, sondern ein göttliches, unbekanntes, ewiges, unendliches, unbegreifliches Wesen an, das über die Fassungskraft des menschlichen Geistes geht und durch das ganze Weltall ergossen ist, nicht durch materielle Größe und Masse, sondern durch seine innewohnende Kraft. Dieses nennen sie Vater, ihm allein schreiben sie den Beginn, das Wachstum, den Fortschritt, die Verwandlungen und das Ende aller Dinge zu und keinem sonst erweisen sie göttliche Ehren.
Aber darin kommen doch alle überein, so Verschiedenerlei sie auch glauben mögen, dass sie nämlich ein höchstes Wesen annehmen, das zugleich als Schöpfer und Vorsehung des Ganzen anzusprechen sei; dieses nennen sie alle gemeinschaftlich in ihrer vaterländischen Sprache Mythras, nur darin gehen sie in ihren Ansichten auseinander, dass Jeder etwas anderes für »Mythras« hält.
Aber doch meint jeder, dasjenige, es sei, was es wolle, was er für das höchste sein hält, sei dieselbe Natur, deren göttliche Urkraft und Majestät nach der Übereinstimmung aller Völker die oberste Leitung alles Geschehens zugeschrieben wird.
Übrigens schwindet die Verschiedenartigkeit abergläubischer Religionsformen unter ihnen mehr und mehr, und jene eine Religion schlingt ein sie zusammenschweißendes Band um sie, die alle übrigen an Vernunft zu übertreffen scheint. Kein Zweifel, dass die übrigen Religionen schon früher verschwunden wären, wenn nicht jedes unheilvolle Ereignis, das Einem widerfahren, während er sich mit dem Gedanken getragen, seine Religion zu ändern, anstatt dem Zufalle zugeschrieben zu werden, von der Furcht als eine vom Himmel gesandte Strafe einer Gottheit aufgefasst worden wäre, womit sie das frevle Beginnen, dass ihr Kultus aufgegeben worden, rächen wolle.
Als sie aber nachmals von uns den Namen Christi, seine Lehre, seine Sitten, Wunder vernahmen, sowie die nicht minder bewundernswerte Standhaftigkeit so vieler Märtyrer, wie deren freiwillig vergossenes Blut so zahlreiche Volker weit und breit zu seinem Bekenntnis übergeführt habe — da war es schier nicht zu glauben, mit wie willigem Gemüte auch sie zum Christentum übertraten, es sei solches nun geschehen durch Götter heimliche Eingebung, oder aber darum, weil dieser Glaube ihnen am meisten Ähnlichkeit mit jenem heidnischen Glauben zu haben dünkte, der bei ihnen die tiefsten Wurzeln geschlagen hat.
Obwohl ich glaube, dass auch der Umstand von nicht geringem Gewichte war, dass sie erfahren hatten, Christus habe das gemeinsame Leben seiner jünger gern gesehen, und dass dieses in den Zusammenkünften der echtesten Christen noch heutzutage gebräuchlich sei.
Aus welchem Grunde dies nun erfolgte, auf alle Fälle sind ihrer nicht wenige zu unserem Glauben übergetreten, und mit heiligem Taufwasser benetzt worden.
Weil aber unter uns Vieren (so viele waren unser nur noch übrig, da zwei dem Schicksale erlegen waren) leider kein Priester war, so mußten sie, obwohl in allen Punkten unseres Glaubens wohl unterrichtet, gleichwohl auf die Sakramente verzichten, die bei uns nur die Priester auszuspenden pflegen. Aber sie begreifen die Natur derselben, und wünschen so sehr in deren Besitz zu kommen, dass sie über nichts eifriger unter sich Besprechungen halten, als darüber, ob nicht auch ohne das Geheiß des christlichen Papstes einer von ihnen zum Priester gewählt werden und so diese Würde erlangen könne. Sie scheinen auch diesen Schritt vornehmen zu wollen, doch hatten sie, als ich von ihnen schied, zu diesem Amte noch niemand erwählt gehabt.