Home  Impressum  Copyright

II. [Der Tausch als Veranlassung für die Enthebung des Gegenstandes aus seiner bloß subjektiven Wertbedeutung: in ihm drücken die Dinge ihren Wert durch einander aus]

 

Die Tatsache des wirtschaftlichen Tausches also löst die Dinge von dem Eingeschmolzensein in die bloße Subjektivität der Subjekte und läßt sie, indem sie ihre wirtschaftliche Funktion in ihnen selbst investiert, sich gegenseitig bestimmen. Den praktisch wirksamen Wert verleiht dem Gegenstand nicht sein Begehrtwerden allein, sondern das Begehrtwerden eines anderen. Ihn charakterisiert nicht die Beziehung auf das empfindende Subjekt, sondern daß es zu dieser Beziehung erst um den Preis eines Opfers gelangt, während von. der anderen Seite gesehen dieses Opfer als zu genießender Wert, jener selbst aber als Opfer erscheint. Dadurch bekommen die Objekte eine Gegenseitigkeit des Sichaufwiegens, die den Wert in ganz besonderer Weise als eine ihnen selbst objektiv innewohnende Eigenschaft erscheinen läßt. Indem um den Gegenstand gehandelt wird - das bedeutet doch, daß das Opfer, das er darstellt, fixiert wird -, erscheint seine Bedeutung für beide Kontrahenten vielmehr wie etwas außerhalb dieser letzteren selbst Stehendes, als wenn der Einzelne ihn nur in seiner Beziehung zu sich selbst empfände; und wir werden nachher sehen, wie auch die isolierte Wirtschaft, indem sie den Wirtschaftenden den Anforderungen der Natur gegenüberstellt, ihm die gleiche Notwendigkeit des Opfers für den Gewinn des Objektes auferlegt, so daß auch hier das gleiche Verhältnis, das nur den einen Träger gewechselt hat, den Gegenstand mit derselben selbständigen, von seinen eigenen objektiven Bedingungen abhängigen Bedeutung ausstatten kann. Die Begehrung und das Gefühl des Subjektes steht freilich als die treibende Kraft hinter alledem, aber aus ihr an und für sich könnte diese Wertform nicht hervorgehen, die vielmehr nur dem Sichaufwiegen der Objekte untereinander zukommt. Die Wirtschaft leitet den Strom der Wertungen durch die Form des Tausches hindurch, gleichsam ein Zwischenreich schaffend zwischen den Begehrungen, aus denen alle Bewegung der Menschenwelt quillt, und der Befriedigung des Genusses, in der sie mündet. Das Spezifische der Wirtschaft als einer besonderen Verkehrs- und Verhaltungsform besteht - wenn man einen paradoxen Ausdruck nicht scheut - nicht sowohl darin, daß sie Werte austauscht, als daß sie Werte austauscht. Freilich liegt die Bedeutung, die die Dinge in und mit dem Tausch gewinnen, nie ganz isoliert neben ihrer subjektiv- unmittelbaren, über die Beziehung ursprünglich entscheidenden; vielmehr gehört beides zusammen, wie Form und Inhalt zusammengehören. Allein der objektive und oft genug auch das Bewußtsein des Einzelnen beherrschende Vorgang abstrahiert sozusagen davon, daß es Werte sind, die sein Material bilden, und gewinnt sein eigenstes Wesen an der Gleichheit derselben - ungefähr, wie die Geometrie ihre Aufgaben nur an den Größenverhältnissen der Dinge findet, ohne die Substanzen einzubeziehen, an denen allein doch jene Verhältnisse real bestehen. Daß so nicht nur die Betrachtung der Wirtschaft, sondern die Wirtschaft selbst sozusagen in einer realen Abstraktion aus der umfassenden Wirklichkeit der Wertungsvorgänge besteht, ist nicht so verwunderlich, wie es zuerst scheint, sobald man sich klarmacht, wie ausgedehnt das menschliche Tun innerhalb jeder seelischen Provinz mit Abstraktionen rechnet. Die Kräfte, Beziehungen, Qualitäten der Dinge - zu denen insoweit auch unser eigenes Wesen gehört - bilden objektiv ein einheitliches Ineinander, das erst von unseren hinzutretenden Interessen und um von uns bearbeitet zu werden, in eine Vielheit selbständiger Reihen oder Motive gespalten wird. So untersucht jede Wissenschaft Erscheinungen, die erst unter dem von ihr gestellten Gesichtspunkte eine in sich geschlossene Einheitlichkeit und reinliche Abgrenzung gegen die Probleme anderer Wissenschaften haben, während die Wirklichkeit sich um diese Grenzlinien nicht kümmert, sondern jeder Abschnitt der Welt ein Konglomerat von Aufgaben für die mannigfaltigsten Wissenschaften darstellt. Ebenso schneidet unsere Praxis aus der äußeren oder inneren Komplexität der Dinge einseitige Reihen heraus und schafft erst so die großen Interessensysteme der Kultur. Dasselbe tritt an Betätigungen des Gefühls hervor. Wo wir religiös oder sozial empfinden, wo wir melancholisch oder weltfreudig gestimmt sind, da sind es immer Abstraktionen aus dem Wirklichkeitsganzen, die uns als Gegenstände unseres Gefühls erfüllen - sei es, daß unsere Reaktionsfähigkeit aus den dargebotenen Eindrücken nur diejenigen ergreift, die unter diesen oder jenen gemeinsamen Interessenbegriff gehören; sei es, daß sie von sich aus jeden Gegenstand mit einer Färbung versieht, deren in dem Gegenstand selbst gelegene Berechtigung sich in dessen Ganzheit mit den Begründungen anderer Färbungen zu einer objektiv ungeschiedenen Einheit verwebt. So ist auch dies eine der Formeln, in die man das Verhältnis des Menschen zur Welt fassen kann: daß aus der absoluten Einheit und dem Ineinanderverwachsensein der Dinge, in dem jedes das andere trägt und alle zu gleichen Rechten bestehen, unsere Praxis nicht weniger als unsere Theorie unablässig einzelne Elemente abstrahiert, um sie zu relativen Einheiten und Ganzheiten zusammenzuschließen. Wir haben, außer in ganz allgemeinen Gefühlen, keine Beziehung zu der Totalität des Seins: erst indem wir von den Bedürfnissen unseres Denkens und Handelns aus fortwährende Abstraktionen aus den Erscheinungen ziehen und diese mit der relativen Selbständigkeit eines bloß inneren Zusammenhanges ausstatten, die die Kontinuität der Weltbewegungen dem objektiven Sein jener verweigert, gewinnen wir ein in seinen Einzelheiten bestimmtes Verhältnis zur Welt. So ist das wirtschaftliche System allerdings auf eine Abstraktion gegründet, auf das Gegenseitigkeitsverhältnis des Tausches, die Balance zwischen Opfer und Gewinn, während es in dem wirklichen Prozeß, in dem es sich vollzieht, mit seinem Fundamente und seinem Ergebnis: den Begehrungen und den Genüssen, untrennbar verschmolzen ist. Aber diese Existenzform unterscheidet es nicht von den sonstigen Gebieten, in die wir die Gesamtheit der Erscheinungen zu dem Zwecken unserer Interessen zerlegen.

 


 © textlog.de 2004 • 24.12.2024 03:14:34 •
Seite zuletzt aktualisiert: 27.09.2004