I. [Die psychologische Tatsache des objektiven Wertes]
Den Charakter des Wertes nun, wie er sich zuvor in seinem Kontrast gegen die Wirklichkeit herausstellte, pflegt man als seine Subjektivität zu bezeichnen. Indem ein und derselbe Gegenstand in einer Seele den höchsten, in einer anderen den niedrigsten Grad des Wertes besitzen kann, und umgekehrt die allseitige und äußerste Verschiedenheit der Objekte sich mit der Gleichheit ihres Wertes verträgt, so scheint als Grund der Wertung nur das Subjekt mit seinen normalen oder ausnahmsweisen, dauernden oder wechselnden Stimmungen und Reaktionsweisen übrigzubleiben. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß diese Subjektivität nichts mit jener zu tun hat, der man die Gesamtheit der Welt, da sie »meine Vorstellung« ist, anheimgegeben hat. Denn die Subjektivität, die vom Werte ausgesagt wird, stellt ihn in den Gegensatz zu den fertigen, gegebenen Objekten, völlig gleichgültig dagegen, auf welche Weise diese selbst zustande gekommen sind. Anders ausgedrückt: das Subjekt, das alle Objekte umfaßt, ist ein anderes als dasjenige, das sich ihnen gegenüberstellt, die Subjektivität, die der Wert mit allen Objekten teilt, kommt dabei gar nicht in Frage. Auch kann seine Subjektivität nicht den Sinn der Willkür haben: all jene Unabhängigkeit vom Wirklichen bedeutet nicht, daß der Wille ihn mit ungebundener oder launenhafter Freiheit da und dorthin verteilen könnte. Das Bewußtsein findet ihn vielmehr als eine Tatsache vor, an der es unmittelbar so wenig ändern kann wie an den Wirklichkeiten. Nach Ausschluß dieser Bedeutungen bleibt der Subjektivität des Wertes zunächst nur die negative: daß der Wert nicht in demselben Sinne an den Objekten selbst haftet wie die Farbe oder die Temperatur; denn diese, obgleich von unseren Sinnesbeschaffenheiten bestimmt, werden doch von einem Gefühle unmittelbarer Abhängigkeit von dem Objekt begleitet - einem Gefühle, auf das uns dem Werte gegenüber die eingesehene Gleichgültigkeit zwischen der Wirklichkeits- und der Wertreihe leicht verzichten lehrt. Allein wesentlicher und fruchtbarer als diese Bestimmung sind diejenigen Fälle, in denen die psychologischen Tatsachen sie dennoch zu dementieren scheinen.
In welchem empirischen oder transzendentalen Sinne man auch von »Dingen« im Unterschied vom Subjekte sprechen möge - eine »Eigenschaft« ihrer ist der Wert in keinem Fall, sondern ein im Subjekt verbleibendes Urteil über sie. Allein weder der tiefere Sinn und Inhalt des Wertbegriffs, noch seine Bedeutung innerhalb des individuellen Seelenlebens, noch die praktisch-sozialen, an ihn geknüpften Ereignisse und Gestaltungen sind mit seiner Zuweisung an das »Subjekt« irgend zulänglich begriffen. Die Wege zu diesem Begreifen liegen in einer Schicht, von der aus gesehen jene Subjektivität als etwas bloß Vorläufiges und eigentlich nicht sehr Wesentliches erscheint.