I. [Der wirtschaftliche Wert als Objektivation subjektiver Werte, vermöge der Distanzierung zwischen dem unmittelbar genießenden Subjekt und dem Gegenstand]
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Für die Wertempfindungen, in denen die tägliche Lebenspraxis verläuft, kommt diese metaphysische Sublimierung des Begriffes nicht in Betracht. Hier handelt es sich nur um den im Bewußtsein von, Subjekten lebendigen Wert und um diejenige Objektivität, die in diesem psychologischen Wertungsprozeß als sein Gegenstand entsteht. Ich zeigte vorhin, daß dieser Prozeß der Wertbildung sich mit dem Aufwachsen eines Abstandes zwischen dem Genießenden und der Ursache seines Genusses vollzieht. Und indem die Größe dieses Abstandes variiert - gemessen nicht von dem Genuß her, in dem er verschwunden ist, sondern von der Begehrung her, die mit ihm entsteht, und die er zu überwinden sucht - entspringen nun erst jene Unterschiedenheiten der Wertbetonung, die man als subjektive und objektive auseinanderhalten kann. Mindestens für jene Objekte, auf deren Schätzung die Wirtschaft beruht, ist der Wert zwar das Korrelat des Begehrens - wie die Welt des Seins meine Vorstellung ist, so ist die Welt des Wertes meine Begehrung -; allein trotz der logisch-physischen Notwendigkeit, daß jeder Begehrungstrieb seine Befriedigung von einem Gegenstand erwarte, richtet er sich in vielen Fällen seiner psychologischen Struktur nach doch auf diese Befriedigung allein, so daß der Gegenstand selbst ganz gleichgültig ist, wenn er nur den Trieb stillt. Wenn der Mann sich an jedem beliebigen Weibe ohne individuelle Auswahl genügen läßt, wenn er alles ißt, was er nur kauen und verdauen kann; wenn er auf jeder Lagerstätte schläft, wenn sich seine Kulturbedürfnisse noch aus dem einfachsten, von der Natur ohne weiteres dargebotenen Material befriedigen lassen - so ist das praktische Bewußtsein noch ein völlig subjektives, es wird ausschließlich von dem eignen Zustand des Subjektes, dessen Erregungen und Beruhigungen, erfüllt, und das Interesse an den Dingen beschränkt sich darauf, daß sie unmittelbare Ursachen dieser Wirkungen sind. Das naive Projektionsbedürfnis des primitiven Menschen, sein nach außen gerichtetes, die Innerlichkeit selbstverständlich hinnehmendes Leben verdeckt dies zwar. Allein der bewußte Wunsch darf nicht immer als zureichender Index des wirklich wirksamen Wertempfindens gelten. Eine leichtbegreifliche Zweckmäßigkeit in der Dirigierung unserer praktischen Kräfte stellt uns oft genug den Gegenstand als wertvoll dar, während, was uns eigentlich erregt, nicht er in seiner sachlichen Bedeutung, sondern die subjektive Bedürfnisbefriedigung ist, die er uns schaffen soll.
Von diesem Zustand aus - der natürlich nicht immer als der zeitlich erste, sondern als der einfachste, fundamentale, gleichsam systematisch erste zu gelten hat - wird das Bewußtsein auf zwei Wegen, die sich aber wieder vereinigen, auf das Objekt selbst hingeleitet. Sobald nämlich das gleiche Bedürfnis eine Anzahl von Befriedigungsmöglichkeiten, ja vielleicht alle bis auf eine einzige zurückweist, wo also nicht nur Befriedigung überhaupt, sondern Befriedigung durch einen bestimmten Gegenstand gewünscht wird, da ist die prinzipielle Wendung vom Subjekt weg auf das Objekt angebahnt. Man könnte freilich einwerfen: es handle sich doch in jedem Falle nur um die subjektive Triebbefriedigung; nur sei im letzteren Falle der Trieb selbst schon von sich aus so differenziert, daß nur ein genau bestimmtes Objekt ihn befriedigen kann; auch hier also werde der Gegenstand nur als Ursache der Empfindung, nicht aber an sich selbst geschätzt. Dieser Einwand würde allerdings den fraglichen Unterschied annullieren, wenn die Differenzierung des Triebes diesen wirklich auf ein einziges ihm genügendes Objekt so ausschließlich zuspitzte, daß die Befriedigung durch andere überhaupt ausgeschlossen wäre. Allein dies ist ein sehr seltener Ausnahmefall. Die breitere Basis, von der aus sich auch die differenziertesten Triebe entwickeln, die ursprüngliche Allgemeinheit des Bedürfnisses, das eben nur ein Getriebenwerden, aber noch keine Einzelbestimmtheit des Zieles enthält, pflegt auch weiterhin der Untergrund zu bleiben, an dem die Verengerungen der Befriedigungswünsche sich erst ihrer individuellen Besonderheit bewußt werden. Indem die Verfeinerung des Subjekts den Kreis der Objekte, die seinen Bedürfnissen genügen, einschränkt, hebt es die Gegenstände seines Begehrens in einen scharfen Gegensatz zu allen anderen, die das Bedürfnis an sich auch stillen würden, trotzdem aber jetzt nicht mehr gesucht werden. Dieser Unterschied zwischen den Objekten lenkt, nach bekannten psychologischen Erfahrungen, das Bewußtsein in besonders hohem Maße auf sie und läßt sie in diesem als Gegenstände von selbständiger Bedeutsamkeit auftreten. In diesem Stadium erscheint das Bedürfnis von dem Gegenstande determiniert, das praktische Empfinden wird in dem Maße, in dem der Trieb sich nicht mehr auf jede, obgleich mögliche, Befriedigung stürzt, mehr und mehr von seinem terminus ad quem statt von seinem terminus a quo gelenkt; so daß der Raum sich vergrößert, den das Objekt als solches im Bewußtsein einnimmt. Das hängt auch noch folgendermaßen zusammen. Insoweit der Mensch von seinen Trieben vergewaltigt wird, bildet die Welt für ihn eigentlich eine unterschiedslose Masse; denn da sie ihm nur das an sich irrelevante Mittel der Triebbefriedigung bedeutet, diese Wirkung zudem auch aus vielerlei Ursachen hervorgehen kann, so knüpft sich so lange an den Gegenstand in seinem selbständigen Wesen kein Interesse. Daß wir aber ein ganz besonderes, einziges Objekt bedürfen, hebt die Tatsache, daß wir überhaupt eines Objektes bedürfen, in schärferes Bewußtsein. Aber dieses Bewußtsein ist gewissermaßen ein mehr theoretisches, das die blinde Energie des nur auf sein eigenes Verlöschen losgehenden Triebes herabsetzt.
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