II. [Der Tausch als Lebensform und als Bedingung des wirtschaftlichen Wertes]
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Der Tausch nun vollzieht sich in zwei Formen, die ich hier nur für den Arbeitswert andeuten will. Insoweit der Wunsch nach Muße oder einem bloßen sich selbst genügenden Spiel der Kräfte oder der Vermeidung der an sich lästigen Anstrengung besteht, ist jede Arbeit unbestreitbar eine Aufopferung. Allein neben diesen Antrieben liegt ein Quantum latenter Arbeitsenergie, mit dem wir entweder von ihm aus nichts anzufangen wüßten, oder das sich durch einen Trieb zu freiwilligem, weder durch Not noch durch ethische Motive hervorgerufenem Arbeiten zeigt. Um dieses Quantum Arbeitskraft, dessen Hingabe an und für sich keine Aufopferung ist, konkurrieren eine Mehrzahl von Anforderungen, für deren Gesamtheit es nicht zureicht. Bei jeder Verwendung der Kraft müssen also eine oder mehrere mögliche und wünschenswerte Verwendungen derselben aufgeopfert werden. Könnten wir die Kraft, mit der wir die Arbeit A leisten, nicht auch nützlich auf die Arbeit B verwenden, so würde jene erstere uns gar kein Opfer kosten; dasselbe aber gilt auch für B, falls wir diese etwa statt A vollbrächten. Was also, unter eudämonistischer Minderung, hingegeben wird, ist nicht die Arbeit, sondern gerade die Nichtarbeit; wir zahlen für A nicht das Opfer der Arbeit - denn diese hinzugeben macht uns, wie wir hier voraussetzen, an sich keinerlei Beschwerde -, sondern den Verzicht auf B. Das Opfer also, das wir bei der Arbeit in den Tausch geben, ist einmal sozusagen ein absolutes, ein anderes Mal ein relatives: das Leiden, das wir auf uns nehmen, ist einmal ein unmittelbar mit der Arbeit verbundenes - wo sie uns Mühe und Plage ist -, ein anderes Mal ein indirektes, wo wir das eine Objekt nur unter Verzicht auf das andere, bei eudämonistischer Irrelevanz oder sogar positivem Werte der Arbeit selbst, erlangen können. Damit sind also auch die Fälle der gern geleisteten Arbeit auf die Form des entsagungsvollen Tausches zurückgeführt, durch den die Wirtschaft allenthalben charakterisiert wird.
Daß an den Gegenständen eine bestimmte Höhe des Wertes bestände, mit der sie in die Relation der Wirtschaft eintreten, indem jedes von den je zwei Objekten einer Transaktion für den einen Kontrahenten den erstrebten Gewinn, für den anderen das dargebrachte Opfer bedeutet - das gilt wohl für die ausgebildete Wirtschaft, aber nicht für die Grundprozesse, die sie erst bilden. Die logische Schwierigkeit: daß zwei Dinge doch erst dann gleichen Wert haben könnten, wenn zuerst jedes für sich einen Wert habe, - scheint sich freilich durch die Analogie zu erweisen, daß doch auch zwei Linien nur gleich lang sein könnten, wenn jede von ihnen schon vor der Vergleichung eine bestimmte Länge besäße. Allein sie besitzt diese, genau angesehen, wirklich erst in dem Augenblick der Vergleichung mit einer anderen. Denn die Bestimmung ihrer Länge - da sie doch nicht »lang« schlechthin ist - kann sie nicht durch sich selbst erhalten, sondern nur durch eine andere, an der sie sich mißt, und der sie eben damit den gleichen Dienst leistet, obgleich das Resultat der Messung nicht von diesem Aktus selbst, sondern von jeder, wie sie unabhängig von der anderen ist, abhängt. Erinnern wir uns der Kategorie, unter der uns das objektive Werturteil, das ich das metaphysische nannte, begreiflich wurde: eine in der Beziehung zwischen uns und den Dingen sich entwickelnde Aufforderung, ein bestimmtes Urteil zu vollziehen, dessen Inhalt indessen nicht in den Dingen selbst liegt. So verhält sich auch das Längenurteil: von den Dingen her ergeht an uns gleichsam der Anspruch, daß wir es mit einem bestimmten Inhalt vollziehen, aber dieser Inhalt ist in den Dingen nicht vorgezeichnet, sondern nur durch einen Aktus innerhalb unser realisierbar. Daß sich die Länge überhaupt erst in dem Vergleichungsprozeß herstellt und also dem Einzelobjekt als solchem, von dem sie abhängt, vorenthalten ist, verbirgt sich uns nur deshalb leicht, weil wir aus den einzelnen relativen Längen den allgemeinen Begriff der Länge abstrahiert haben - bei dem also die Bestimmtheit, ohne die es keine konkrete Länge geben kann, gerade weggelassen ist - und nun, diesen Begriff in die Dinge hineinprojizierend, meinen: diese müßten doch zunächst einmal überhaupt Länge haben, ehe dieselbe durch Vergleichung singulär bestimmt werden könnte. Es tritt hinzu, daß aus den unzähligen, längenbildenden Vergleichungen feste Maßstäbe auskristallisiert sind, durch Vergleichung mit denen allen einzelnen Raumgebilden ihre Längen bestimmt werden, so daß diese nun, gleichsam die Verkörperungen jenes abstrakten Längenbegriffes, der Relativität entrückt scheinen, weil sich zwar alles an ihnen mißt, sie selbst aber nicht mehr gemessen werden - kein geringerer Irrtum, als wenn man zwar den fallenden Apfel von der Erde, die Erde aber nicht von dem Apfel angezogen glaubt. Endlich wird uns eine der einzelnen Linie für sich zukommende Länge dadurch vorgetäuscht, daß wir an ihren einzelnen Teilen schon die Mehrheit der Elemente haben, in deren Relation die Menge besteht. Denken wir uns, daß es in der ganzen Welt nur eine einzige Linie gäbe, so würde diese überhaupt nicht »lang« sein, da es ihr an der Korrelation mit einer anderen fehlte, - weshalb man denn auch anerkanntermaßen von der Welt als einem Ganzen keine Maßbestimmung aussagen kann, weil sie nichts außer sich hat, in Relation womit sie eine Größe haben könnte. In dieser Lage aber befindet sich tatsächlich jede Linie, solange sie ohne Vergleich mit anderen bzw. ohne Vergleich ihrer Teile untereinander betrachtet wird: sie ist weder kurz noch lang, sondern noch jenseits der ganzen Kategorie. Diese Analogie also, statt die Relativität des wirtschaftlichen Wertes zu widerlegen, verdeutlicht sie vielmehr.
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