III. [Einordnung des wirtschaftlichen Wertes in ein relativistisches Weltbild]
[Einordnung des wirtschaftlichen Wertes in ein relativistisches Weltbild. Beispielsweise Skizzierung des letzteren in erkenntnistheoretischer Hinsicht: der Aufbau der Beweise ins Unendliche und ihr Umbiegen zu gegenseitiger Legitimierung. Die Objektivität der Wahrheit wie die des Wertes als Relation subjektiver Elemente. Das Geld als der verselbständigte Ausdruck der Tauschrelation, durch die die begehrten Objekte zu wirtschaftlichen werden, der Ersetzbarkeit der Dinge. Erläuterung dieses Wesens des Geldes an seiner Wertbeständigkeit, seiner Entwicklung, seiner Objektivität. Das Geld als eine Substanziierung der allgemeinen Seinsform, nach der die Dinge ihre Bedeutung an einander, in ihrer Gegenseitigkeit, finden.]
Bevor ich nun aus diesem Begriff des wirtschaftlichen Wertes den des Geldes als seinen Gipfel und reinsten Ausdruck entwickle, ist es erforderlich, jenen selbst in ein prinzipiell bestimmtes Weltbild einzustellen, um daran die philosophische Bedeutung des Geldes zu ermessen. Denn erst wenn die Formel des wirtschaftlichen Wertes einer Weltformel parallel geht, darf die höchste Verwirklichungsstufe jener beanspruchen, über ihre unmittelbare Erscheinung hinaus, oder richtiger: in eben dieser selbst, das Dasein überhaupt deuten zu helfen.
Das regellose Nebeneinander und Durcheinander der ersten Eindrücke, die ein Objekt uns bietet, pflegen wir zu organisieren, indem wir eine bleibende und wesentliche Substanz seiner von seinen Bewegungen, Färbungen, Schicksalen trennen, deren Kommen und Gehen die Festigkeit seines Wesens ungeändert läßt. Diese Gliederung der Welt in die bleibenden Kerne verfließender Erscheinungen und die zufälligen Bestimmungen beharrender Träger wächst zu dem Gegensatz des Absoluten und des Relativen auf. Wie wir in uns selbst ein seelisches Sein zu spüren meinen, dessen Existenz und Charakter nur in sich selbst ruht, eine letzte, von allem Außer-Ihr unabhängige Instanz, und diese genau von jenen unserer Gedanken, Erlebnisse und Entwicklungen scheiden, die nur durch Beziehungen zu anderen wirklich oder meßbar werden - so suchen wir in der Welt nach den Substanzen, Größen und Kräften, deren Sein und Bedeutung in ihnen allein begründet ist, und unterscheiden sie von allen relativen Existenzen und Bestimmungen - von allen denen, die nur durch Vergleich, Berührung oder Reaktion anderer das sind, was sie sind. Die Richtung, in der dieser Gegensatz sich entwickelt, wird durch unsere physisch-psychische Anlage und ihr Verhältnis zur Welt präjudiziert. So innig in unserem Dasein auch Bewegung und Ruhe, Aktivität nach außen und Sammlung nach innen verbunden sein mögen, so daß sie ihre Wichtigkeit und Bedeutung erst aneinander finden - so empfinden wir doch die eine Seite dieser Gegensätze, die Ruhe, das Substanzielle, das innerlich Feste an unseren Lebensinhalten als das eigentlich Wertvolle, als das Definitive gegenüber dem Wechselnden, Unruhigen, Äußerlichen. Es ist die Fortsetzung hiervon, wenn das Denken es im ganzen als seine Aufgabe fühlt, hinter den Flüchtigkeiten der Erscheinung, dem Auf und Nieder der Bewegungen das Unverrückbare und Verläßliche zu finden, und uns aus dem Aufeinander-Angewiesenen zu dem sich selbst Genügenden, auf sich selbst Gegründeten zu führen. So gewinnen wir die festen Punkte, die uns im Gewirr der Erscheinungen orientieren und das objektive Gegenbild dessen abgeben, was wir in uns selbst als unser Wertvolles und Definitives vorstellen. So gilt, um mit den äußerlichsten Anwendungen dieser Tendenz zu beginnen, das Licht als eine feine Substanz, die aus den Körpern strömt, so die Wärme als ein Stoff, so das körperliche Leben als Wirksamkeit substanzieller Lebensgeister, so die seelischen Vorgänge als getragen von einer besonderen Seelensubstanz; die Mythologien, die hinter den Donner einen Donnerer, unter die Erde einen festen Unterbau, damit sie nicht falle, in die Gestirne Geister setzten, die sie in ihren Bahnen herumführten, suchen nicht weniger für die wahrgenommenen Bestimmtheiten und Bewegungen eine Substanz, an der diese nicht nur hafte, sondern die eigentlich die wirksame Kraft selbst ist. Und über die bloßen Beziehungen der Dinge, über ihre Zufälligkeit und Zeitlichkeit hinaus wird ein Absolutes gesucht: frühe Denkweisen können sich mit der Entwicklung, dem Gehen und Kommen aller irdischen Formen im Körperlichen und Geistigen nicht abfinden, sondern jede Art der Lebewesen ist ihnen ein unveränderlicher Schöpfungsgedanke; Institutionen, Lebensformen, Wertungen sind von jeher, absolut, so gewesen, wie sie jetzt sind, die Erscheinungen der Welt gelten nicht nur für den Menschen und seine Organisation, sondern sie sind an und für sich so, wie wir sie vorstellen. Kurz, die erste Tendenz des Denkens, mit der es den verwirrenden Strom der Eindrücke in ein ruhiges Bett zu lenken und aus seinen Schwankungen eine feste Gestalt zu gewinnen meint, richtet sich auf die Substanz und auf das Absolute, denen gegenüber alle Einzelvorgänge und Beziehungen auf eine vorläufige, für das Erkennen zu überwindende Stufe herabgedrückt werden.
Die angeführten Beispiele ergeben, daß diese Bewegung wieder rückläufig geworden ist. Nachdem fast alle Kulturepochen einzelne Ansätze dazu gesehen haben, kann man es als eine Grundrichtung der modernen Wissenschaft bezeichnen, daß sie die Erscheinungen nicht mehr durch und als besondere Substanzen, sondern als Bewegungen versteht, deren Träger gleichsam immer weiter und weiter ins Eigenschaftslose abrücken; daß sie die den Dingen anhängenden Qualitäten als quantitative, also relative Bestimmungen auszudrücken sucht; daß sie statt der absoluten Stabilität organischer, psychischer, ethischer, sozialer Formationen eine rastlose Entwicklung lehrt, in der jedes Element eine begrenzte, nur durch das Verhältnis zu seinem Vorher und Nachher festzulegende Stelle einnimmt; daß sie auf das an sich seiende Wesen der Dinge verzichtet und sich mit der Feststellung der Beziehungen begnügt, die sich zwischen den Dingen und unserem Geiste, von dem Standpunkte dieses aus gesehen, ergeben. Daß die scheinbare Ruhe der Erde nicht nur eine komplizierte Bewegung ist, sondern daß ihre ganze Stellung in Weltall nur durch ein Wechselverhältnis zu anderen Materienmassen besteht - das ist ein sehr einfacher, aber sehr eingreifender Fall des Überganges von der Festigkeit und Absolutheit der Weltinhalte zu ihrer Auflösung in Bewegungen und Relationen.