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I. [Das Objektive in der Praxis als Normierung oder Gewähr für die Totalität des Subjektiven]

 

Dieser Prozeß nun, der schließlich unser intellektuelles Weltbild zustande bringt, vollzieht sich auch innerhalb der willensmäßigen Praxis. Auch hier umfaßt die Scheidung in das begehrende, genießende, wertende Subjekt und das als Wert beurteilte Objekt weder die ganzen seelischen Zustände noch die gesamte sachliche Systematik des praktischen Gebietes. Insoweit der Mensch irgendeinen Gegenstand nur genießt, liegt ein in sich völlig einheitlicher Aktus vor. Wir haben in solchem Augenblick eine Empfindung, die weder ein Bewußtsein eines uns gegenüberstehenden Objektes als solchen, noch ein Bewußtsein eines Ich enthält, das von seinem momentanen Zustande gesondert wäre. Hier begegnen sich Erscheinungen der tiefsten und der höchsten Art. Der rohe Trieb, insbesondere der von unpersönlich-genereller Natur, will sich an einem Gegenstande nur selbst los werden, es kommt ihm nur auf seine Befriedigung an, gleichviel, wodurch sie gewonnen sei; das Bewußtsein wird ausschließlich von dem Genuß erfüllt, ohne sich seinem Träger auf der einen Seite, seinem Gegenstand auf der anderen mit getrennten Akzentuierungen zuzuwenden. Andrerseits zeigt der ganz gesteigerte ästhetische Genuß dieselbe Form. Auch hier »vergessen wir uns selbst«, aber wir empfinden auch das Kunstwerk nicht mehr als etwas uns Gegenüberstehendes, weil die Seele völlig mit ihm verschmolzen ist, es ebenso in sich eingezogen, wie sie sich ihm hingegeben hat. Hier wie dort wird der psychologische Zustand von dem Gegensatz zwischen Subjekt und Objekt noch nicht oder nicht mehr berührt, aus seiner unbefangenen Einheit löst erst ein neu einsetzender Bewußtseinsprozeß jene Kategorien aus und betrachtet nun erst den reinen Inhaltsgenuß einerseits als den Zustand eines dem Objekt gegenüberstehenden Subjekts, andrerseits als die Wirkung eines von dem Subjekt unabhängigen Objekts. Diese Spannung, die die naiv-praktische Einheit von Subjekt und Objekt auseinandertreibt und beides - eines am anderen - erst für das Bewußtsein erzeugt, wird zunächst durch die bloße Tatsache des Begehrens hergestellt. Indem wir begehren, was wir noch nicht haben und genießen, tritt dessen Inhalt uns gegenüber. In dem ausgebildeten empirischen Leben steht zwar der fertige Gegenstand vor uns und wird daraufhin erst begehrt -schon, weil außer den Ereignissen des Wollens viele andere, theoretische und gefühlsmäßige, zu der Objektwerdung der seelischen Inhalte wirken; allein innerhalb der praktischen Welt für sich allein, auf ihre innere Ordnung und ihre Begreiflichkeit hin angesehen, sind die Entstehung des Objekts als solchen und sein Begehrtwerden durch das Subjekt Korrelatbegriffe, sind die beiden Seiten des ifferenzierungsprozesses, der die unmittelbare Einheit des Genußprozesses spaltet. Man hat behauptet, daß unsere Vorstellung von objektiver Realität: aus dem Widerstand entspränge, den wir, insbesondere vermittelst des Tastsinnes, seitens der Dinge erfahren. Dies ist ohne weiteres auf das praktische Problem zu übertragen. Wir begehren die Dinge erst jenseits ihrer unbedingten Hingabe an unseren Gebrauch und Genuß, d.h. indem sie eben diesem irgendeinen Widerstand entgegensetzen; der Inhalt wird Gegenstand, sobald er uns entgegensteht, und zwar nicht nur in seiner empfundenen Undurchdringlichkeit, sondern in der Distanz des Nochnichtgenießens, deren subjektive Seite das Begehren ist. Wie Kant einmal sagt: die Möglichkeit der Erfahrung ist die Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung - weil Erfahrungen machen heißt: daß unser Bewußtsein die Sinnesempfindungen zu Gegenständen bildet - so ist die Möglichkeit des Begehrens die Möglichkeit der Gegenstände des Begehrens. Das so zustande gekommene Objekt, charakterisiert durch den Abstand vom Subjekt, den dessen Begehrung ebenso feststellt wie zu überwinden sucht - heißt uns ein Wert. Der Augenblick des Genusses selbst, in dem Subjekt und Objekt ihre Gegensätze verlöschen, konsumiert gleichsam den Wert; er entsteht erst wieder in der Trennung vom Subjekt, als Gegenüber, als Objekt. Die trivialen Erfahrungen: daß wir viele Besitztümer erst dann recht als Werte schätzen, wenn wir sie verloren haben; daß die bloße Versagtheit eines begehrten Dinges es oft mit einem Werte ausstattet, dem sein erlangter Genuß nur in sehr geringem Maße entspricht; daß die Entferntheit von den Gegenständen unserer Genüsse - in jedem unmittelbaren und übertragenen Sinne der Entfernung - sie in verklärtem Lichte und gesteigerten Reizen zeigt - alles dies sind Abkömmlinge, Modifikationen, - Mischungsformen der grundlegenden Tatsache, daß der Wert nicht in der ungebrochenen Einheit des Genußmomentes entspringt, sondern indem dessen Inhalt sich als Objekt von dem Subjekt löst und ihm als jetzt erst Begehrtes gegenübertritt, das zu gewinnen es der Überwindung von Abständen, Hemmnissen, Schwierigkeiten bedarf. Um die obige Analogie wieder aufzunehmen: im letzten Grunde vielleicht drängten sich nicht die Realitäten durch die Widerstände, die sie uns leisten, in unser Bewußtsein, sondern diejenigen Vorstellungen, an welche Widerstandsempfindungen und Hemmungsgefühle geknüpft wären, hießen uns die objektiv realen, von uns unabhängig außerhalb unser befindlichen. So ist es nicht deshalb schwierig, die Dinge zu erlangen, weil sie wertvoll sind, sondern wir nennen diejenigen wertvoll, die unserer Begehrung, sie zu erlangen, Hemmnisse entgegensetzen. Indem dies Begehren sich gleichsam an ihnen bricht oder zur Stauung kommt, erwächst ihnen eine Bedeutsamkeit, zu deren Anerkennung der ungehemmte Wille sich niemals veranlaßt gesehen hätte.

 


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