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I. [Wirklichkeit und Wert als gegeneinander selbständige Kategorien, durch die unsere Vorstellungsinhalte zu Weltbildern werden]

 

Damit bildet der Wert gewissermaßen das Gegenstück zu dem Sein und ist nun gerade als umfassende Form und Kategorie des Weltbildes mit ihm vielfach vergleichbar. Kant hat hervorgehoben, das Sein sei keine Eigenschaft der Dinge; denn wenn ich von einem Objekte, das bisher nur in meinen Gedanken bestand, sage: es existiere, so gewinnt es dadurch keine neue Eigenschaft; denn sonst würde ja nicht eben dasselbe Ding, das ich vorhin dachte, sondern ein anderes existieren. So wächst einem Dinge auch dadurch, daß ich es wertvoll nenne, durchaus keine neue Eigenschaft zu; denn wegen der Eigenschaften, die es besitzt, wird es ja gerade erst gewertet: genau sein schon allseitig bestimmtes Sein wird in die Sphäre des Wertes erhoben. Dies wird von einer der tiefstgehenden Zerlegungen unseres Denkens getragen. Wir sind fähig, die Inhalte des Weltbildes zu denken, unter völligem Absehen von ihrer realen Existenz oder Nichtexistenz. Die Komplexe von Eigenschaften, die wir Dinge nennen, samt allen Gesetzen ihres Zusammenhanges und ihrer Entwicklung, können wir in ihrer rein sachlichen, logischen Bedeutung vorstellen und, ganz unabhängig davon, fragen: ob, wo, wie oft alle diese Begriffe oder inneren Anschauungen verwirklicht sind. Wie dieser inhaltliche Sinn und Bestimmtheit der Objekte nicht von der Frage berührt wird, ob sie sich im Sein wiederfinden, ebensowenig von der anderen, ob sie eine Stelle und welche in der Skala der Werte einnehmen. Wenn es aber einerseits zu einer Theorie, andrerseits zu einer Praxis für uns kommen soll, so müssen wir die Denkinhalte nach diesem beiden fragen, und in beiderlei Hinsicht kann sich keiner einer Antwort entziehen. Von jedem vielmehr muß ein unzweideutiges Sein oder Nichtsein aussagbar sein, und jeder muß für uns auf der Stufenleiter der Werte - von dem höchsten durch die Gleichgültigkeit hindurch zu den negativen Werten - eine ganz bestimmte Stelle haben; denn die Gleichgültigkeit ist ein Ablehnen der Wertung, das sehr positiven Wesens sein kann, in ihrem Hintergrund steht immer die Möglichkeit des Interesses, von der nur gerade kein Gebrauch gemacht wird. Die prinzipielle Bedeutung dieser Forderung, die die gesamte Konstitution unseres Weltbildes bedingt, wird natürlich gar nicht dadurch alteriert, daß unsere Erkenntnismittel sehr oft zu der Entscheidung über die Realität der Begriffe nicht ausreichen und ebenso oft Umfang und Sicherheit unserer Gefühle nicht zu einer Wertrangierung der Dinge, insbesondere nicht zu einer beständigen oder allgemein gültigen. Der Welt der bloßen Begriffe, der sachlichen Qualitäten und Bestimmungen stehen die großen Kategorien des Seins und des Wertes gegenüber, allumfassende Formen, die ihr Material aus jener Welt der reinen Inhalte entnehmen. Beiden ist der Charakter der Fundamentalität gemeinsam, d.h. die Unmöglichkeit, aufeinander oder auf einfachere Elemente zurückgeführt zu werden. Deshalb ist unmittelbar das Sein irgendwelchen Dinges nie logisch erweisbar; vielmehr, das Sein ist eine ursprüngliche Form unseres Vorstellens, die empfunden, erlebt, geglaubt, aber nicht dem, der sie noch nicht kennte, deduziert werden kann. Hat sie erst einmal einen einzelnen Inhalt ergriffen, durch eine jenseits des Logischen liegende Tat, so nehmen die logischen Zusammenhänge sie auf und tragen sie, soweit sie selbst reichen. So können wir freilich in der Regelsagen, weshalb wir eine bestimmte Wirklichkeit annehmen: weil wir nämlich eine andere bereits angenommen haben, deren Bestimmtheiten mit jener inhaltlich verbunden sind. Die Wirklichkeit der ersten jedoch ist nur durch eine gleiche Zurückschiebung auf eine noch fundamentalere zu erweisen. Dieser Regreß aber muß ein letztes Glied haben, dessen Sein nur durch das unmittelbare Gefühl einer Überzeugung, Bejahung, Anerkennung oder richtiger: als ein solches Gefühl gegeben ist. Genau so verhält sich der Wert den Objekten gegenüber. Alle Beweise für den Wert eines solchen bedeuten nur die Nötigung, den für irgendein Objekt bereits vorausgesetzten und jetzt augenblicklich fraglosen Wert auch einem anderen, jetzt fraglichen Objekt zuzuerkennen. Auf welche Motive hin wir dies tun, ist später festzustellen; hier nur, daß, was wir durch Wertbeweise einsehen, immer nur die Überleitung eines bestehenden Wertes auf neue Objekte ist, dagegen weder das Wesen des Wertes selbst noch der Grund, weshalb er ursprünglich an denjenigen Gegenstand geheftet wurde, der ihn nachher auf andere ausstrahlt.

 


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