XIV.5. Charakter, Wissenschaften und Künste der Römer
« Zurück 1 |
2 |
3 Weiter »
Freudiger wende ich mich von den römischen Dichtern zu den Philosophen; manche waren oft beides, und zwar Philosophen von Herz und Seele. In Rom erfand man keine Systeme, aber man übte sie aus und führte sie in das Recht, in die Staatsverfassung, ins tätige Leben. Nie wird ein Lehrdichter feuriger und stärker schreiben, als Lukrez schrieb, denn er glaubte seine Lehre; nie ist seit Plato die Akademie desselben reizender verjüngt worden als in Ciceros schönen Gesprächen. So hat die stoische Philosophie nicht nur in der römischen Rechtsgelehrsamkeit ein großes Gebiet eingenommen und die Handlungen der Menschen daselbst strenge geregelt, sondern auch in den Schriften Seneka, in den vortrefflichen Betrachtungen Mark-Aurels, in den Regeln Epiktets u. f. eine praktische Festigkeit und Schönheit erhalten, zu der die Lehrsätze mehrerer Schulen offenbar beigetragen haben. Übung und Not in mancherlei harten Zeitumständen des römischen Staats stärkten die Gemüter der Menschen und stählten sie; man suchte, woran man sich halten könnte, und brauchte das, was der Grieche ausgedacht hatte, nicht als einen müßigen Schmuck, sondern als Waffe, als Rüstung. Große Dinge hat die stoische Philosophie im Geist und Herzen der Römer bewirkt, und zwar nicht zur Welteroberung, sondern zu Beförderung der Gerechtigkeit, der Billigkeit und zum innern Trost unschuldig gedrückter Menschen. Denn auch die Römer waren Menschen, und als eine schuldlose Nachkommenschaft durch das Laster ihrer Vorfahren litt, suchten sie Stärkung, woher sie konnten; was sie selbst nicht erfunden hatten, eigneten sie sich desto fester zu.
Die Geschichte der römischen Gelehrsamkeit endlich ist für uns eine Trümmer von Trümmern, da uns größtenteils die Sammlungen ihrer Literatur sowohl als die Quellen fehlen, aus welchen jene Sammlungen geschöpft waren. Welche Mühe wäre uns erspart, welch Licht über das Altertum angezündet, wenn die Schriften Varros oder die zweitausend Bücher, aus denen Plinius zusammenschrieb, zu uns gekommen wären! Freilich würde ein Aristoteles aus der den Römern bekannten Welt anders als Plinius gesammelt haben; aber noch ist sein Buch ein Schatz, der, bei aller Unkunde in einzelnen Fächern, sowohl den Fleiß als die römische Seele seines Sammlers zeigt. So auch die Geschichte der Rechtsgelehrsamkeit dieses Volkes: sie ist die Geschichte eines großen Scharfsinnes und Fleißes, der nirgend als im römischen Staat also geübt und so lange fortgesetzt werden konnte; an dem, was die Zeitfolge daraus gemacht und darangereiht hat, sind die Rechtslehrer des alten Roms unschuldig. Kurz, so mangelhaft die römische Literatur gegen die griechische beinah in jeder Gattung erscheint, so lag es doch nicht in den Zeitumständen allein, sondern in ihrer römischen Natur selbst, daß sie Jahrtausende hin die stolze Gesetzgeberin aller Nationen werden konnte. Die Folge dieses Werks wird solches zeigen, wenn wir aus der Asche Roms ein neues Rom in sehr veränderter Gestalt, aber dennoch voll Eroberungsgeist, werden aufleben sehen.
Zuletzt habe ich noch von der Kunst der Römer zu reden, in welcher sie sich für Welt und Nachwelt als jene Herren der Erde erwiesen, denen die Materialien und Hände aller überwundenen Völker zu Gebot standen. Von Anfang an war ein Geist in ihnen, die Herrlichkeit ihrer Siege durch Ruhmeszeichen, die Herrlichkeit ihrer Stadt durch Denkmale einer prächtigen Dauer zu bezeichnen, so daß sie schon sehr frühe an nichts Geringeres als an eine Ewigkeit ihres stolzen Daseins dachten. Die Tempel, die Romulus und Numa bauten, die Plätze, die sie ihren öffentlichen Versammlungen anwiesen, gingen alle schon, auf Siege und eine mächtige Volksregierung hinaus, bis bald darauf Ankus und Tarquinius die Grundfesten jener Bauart legten, die zuletzt beinah zum Unermeßlichen emporstieg. Der etruskische König baute die Mauer Roms von gehauenen Steinen; er führte, sein Volk zu tränken und die Stadt zu reinigen, jene ungeheure Wasserleitung, die noch jetzt in ihren Ruinen ein Wunder der Welt ist; denn dem neueren Rom fehlte es, sie nur aufzuräumen oder in Dauer zu erhalten, an Kräften. Ebendesselben Geistes waren seine Galerien, seine Tempel, seine Gerichtssäle und jener ungeheure Zirkus, der, bloß für Ergötzungen des Volks errichtet, noch jetzt in seinen Trümmern Ehrfurcht fodert. Auf diesem Wege gingen die Könige, insonderheit der stolze Tarquin, nachher die Konsuls und Ädilen, späterhin die Welteroberer und Diktators, am meisten Julius Cäsar fort, und die Kaiser folgten. So kamen nach und nach jene Tore und Türme, jene Theater und Amphitheater, Zirken und Stadien, Triumphbogen und Ehrensäulen, jene prächtigen Grabmale und Grabgewölbe, Landstraßen und Wasserleitungen, Paläste und Bäder zustande, die nicht nur in Rom und Italien, sondern häufig auch in andern Provinzen ewige Fußtapfen dieser Herren der Welt sind. Fast erliegt das Auge, manche dieser Denkmale nur noch in ihren Trümmern zu sehen, und die Seele ermattet, das ungeheure Bild zu fassen, das in großen Formen der Festigkeit und Pracht sich der anordnende Künstler dachte. Noch kleiner aber werden wir, wenn wir uns die Zwecke dieser Gebäude, das Leben und Weben in und zwischen denselben, endlich das Volk gedenken, denen sie geweiht waren, und die oft einzelnen Privatpersonen, die sie ihm weihten. Da fühlt die Seele, nur ein Rom sei je in der Welt gewesen, und vom hölzernen Amphitheater des Curio an bis zum Coliseum des Vespasians, vom Tempel des Jupiter Stators bis zum Pantheon des Agrippa oder dem Friedenstempel, vom ersten Triumphtor eines einziehenden Siegers bis zu den Siegesbogen und Ehrensäulen Augustus', Titus', Trajans, Severus' u. f. samt jeder Trümmer von Denkmalen ihres öffentlichen und häuslichen Lebens habe ein Genius gewaltet. Der Geist der Völkerfreiheit und Menschenfreundschaft war dieser Genius nicht; denn wenn man die ungeheure Mühe jener arbeitenden Menschen bedenkt, die diese Marmor- und Steinfelsen oft aus fernen Landen herbeischaffen und als überwundene Sklaven errichten mußten; wenn man die Kosten überschlägt, die solche Ungeheuer der Kunst vom Schweiß und Blut geplünderter, ausgesogner Provinzen erforderten, ja endlich, wenn wir den grausamen, stolzen und wilden Geschmack überlegen, den durch jene blutigen Fechterspiele, durch jene unmenschlichen Tierkämpfe, jene barbarischen Triumphaufzüge u. f. die meisten dieser Denkmale nährten, die Wohllüste der Bäder und Paläste noch ungerechnet: so wird man glauben müssen, ein gegen das Menschengeschlecht feindseliger Dämon habe Rom gegründet, um allen Irdischen die Spuren seiner dämonischen übermenschlichen Herrlichkeit zu zeigen. Man lese über diesen Gegenstand des ältern Plinius und jedes edlen Römers eigene Klagen; man folge den Erpressungen und Kriegen nach, durch welche die Künste Etruriens, Griechenlandes und Ägyptens nach Rom kamen, so wird man den Steinhaufen der römischen Pracht vielleicht als die höchste Summe menschlicher Gewalt und Größe anstaunen, aber auch als eine Tyrannen- und Mördergrube des Menschengeschlechts verabscheuen lernen. Die Regeln der Kunst indessen bleiben, was sie sind, und obgleich die Römer selbst in ihr eigentlich nichts erfanden, ja zuletzt das anderswo Erfundene barbarisch gnug zusammensetzten, so bezeichnen sie sich dennoch auch in diesem zusammenraffenden, auftürmenden Geschmack als die großen Herren der Erde. Excudent alii spirantia mollius aera; Credo equidem; vivos ducent de marmore vultus; Orabunt causas melius, coelique meatus Describent radio et surgentia sidera dicent: Tu regere imperio populos, Romane, memento; Hae tibi erunt artes, pacisque imponere morem, Parcere subiectis et debellare superbos.
Gern wollten wir den Römern alle von ihnen verachtete Griechenkünste, die doch selbst von ihnen zur Pracht oder zum Nutzen gebraucht wurden, ja sogar die Erweiterung der edelsten Wissenschaften, der Astronomie, Zeitenkunde u. f. erlassen und lieber zu den Örtern wallfahrten, wo diese Blüten des menschlichen Verstandes auf ihrem eignen Boden blühten, wenn sie dieselbe nur an Ort und Stelle gelassen und jene Regierungskunst der Völker, die sie sich als ihren Vorzug zuschrieben, menschenfreundlicher geübt hätten. Dies aber konnten sie nicht, da ihre Weisheit nur der Übermacht diente und den vermeinten Stolz der Völker nichts als ein größerer Stolz beugte.
« Zurück 1 |
2 |
3 Weiter »