3. Die romantische Darstellungsweise im Verhältnis zu ihrem Inhalt
Was nun endlich das Verhältnis dieses gesamten Inhalts zu seiner Darstellungsweise anbetrifft, so scheint zunächst, dem gemäß, was wir soeben gesehen haben,
a) der Inhalt der romantischen Kunst, in betreff auf das Göttliche wenigstens, sehr verengt. Denn erstens ist, wie wir schon oben andeuteten, die Natur entgöttert, Meer, Berg und Tal, Ströme, Quellen, die Zeit und Nacht sowie die allgemeinen Naturprozesse haben ihren Wert in betreff auf die Darstellung und den Gehalt des Absoluten verloren. Die Naturgebilde werden nicht mehr symbolisch erweitert; die Bestimmung, daß ihre Formen und Tätigkeiten fähig wären, Züge einer Göttlichkeit zu sein, ist ihnen geraubt. Denn alle die großen Fragen nach der Entstehung der Welt, nach dem Woher, Wozu, Wohin der geschaffenen Natur und Menschheit und alle die symbolischen und plastischen Versuche, diese Probleme zu lösen und darzustellen, sind durch die Offenbarung Gottes im Geist verschwunden; und auch im Geistigen hat die bunte, farbige Welt mit ihren klassisch herausgestalteten Charakteren, Handlungen, Begebenheiten sich zu dem einen Lichtpunkte des Absoluten und seiner ewigen Erlösungsgeschichte zusammengefaßt. Der ganze Inhalt konzentriert sich dadurch auf die Innerlichkeit des Geistes, auf die Empfindung, die Vorstellung, das Gemüt, welches nach der Einigung mit der Wahrheit strebt, das Göttliche im Subjekt zu erzeugen, zu erhalten sucht und ringt und nun nicht sowohl Zwecke und Unternehmungen in der Welt der Welt wegen durchführen mag, als vielmehr zur einzig wesentlichen Unternehmung den inneren Kampf des Menschen in sich und die Versöhnung mit Gott hat und nur die Persönlichkeit und deren Erhaltung sowie Veranstaltungen für diesen Zweck zur Darstellung mitbringt. Der Heroismus, der nach dieser Seite hin hervortreten kann, ist kein Heroismus, welcher aus sich selber Gesetze gibt, Einrichtungen festsetzt, Zustände schafft und umbildet, sondern ein Heroismus der Unterwerfung, der schon alles bestimmt und fertig über sich hat und dem daher nur die Aufgabe übrigbleibt, das Zeitliche danach zu regulieren, jenes Höhere, An-und-für-sich- Gültige auf die vorgefundene Welt anzuwenden und im Zeitlichen geltend zu machen. Indem nun aber dieser absolute Inhalt in den Punkt des subjektiven Gemüts zusammengedrängt erscheint und somit aller Prozeß in das menschliche Innere hineinverlegt wird, so ist dadurch der Kreis des Inhalts auch wieder unendlich erweitert. Er schließt sich zu schrankenloser Mannigfaltigkeit auf. Denn obschon jene objektive Geschichte das Substantielle des Gemüts ausmacht, so durchläuft das Subjekt sie doch nach allen Seiten, stellt einzelne Punkte aus ihr dar, oder sie selbst in stets neu hinzutretenden, menschlichen Zügen, und vermag außerdem noch die ganze Breite der Natur als Umgebung und Lokal des Geistes in sich hineinzuziehen und zu dem einen großen Zwecke zu verwenden. - Dadurch wird die Geschichte des Gemüts unendlich reich und kann sich zu immer veränderten Umständen und Situationen aufs vielfachste gestalten. Und tritt nun der Mensch gar erst aus diesem absoluten Kreise heraus und macht sich's mit dem Weltlichen zu tun, so wird der Umfang der Interessen, Zwecke und Empfindungen um so unberechenbarer, je tiefer der Geist, diesem ganzen Prinzipe gemäß, in sich geworden ist und sich deshalb in seiner Entfaltung zu einer unendlich gesteigerten Fülle der inneren und äußeren Kollisionen, Zerrissenheiten, Stufenleitern der Leidenschaft und zu den mannigfachsten Stadien der Befriedigungen auseinanderlegt. Das schlechthin in sich allgemeine Absolute, wie es im Menschen seiner selbst bewußt ist, macht den inneren Gehalt der romantischen Kunst aus, und so ist auch die ganze Menschheit und deren gesamte Entwicklung ihr unermeßlicher Stoff.
b) Diesen Inhalt nun aber bringt nicht etwa die romantische Kunst als Kunst hervor, wie dies zu großem Teil in der symbolischen und vor allem in der klassischen Kunstform und deren idealen Göttern der Fall war; sie ist, wie wir schon früher sahen, nicht als Kunst das offenbarende Belehren, welches den Gehalt der Wahrheit gerade nur in Form der Kunst für die Anschauung produziert, sondern der Inhalt ist schon für sich außerhalb des Kunstgebietes in der Vorstellung und Empfindung vorhanden. Die Religion macht hier als das allgemeine Bewußtsein von der Wahrheit in einem ganz anderen Grade die wesentliche Voraussetzung für die Kunst und liegt auch von selten der äußeren Erscheinungsweise für das wirkliche Bewußtsein in sinnlicher Realität als prosaische Begebenheit in Gegenwart vor. Da nämlich der Inhalt der Offenbarung an den Geist die ewige absolute Natur des Geistes ist, der sich von dem Natürlichen als solchem loslöst und dasselbe herabsetzt, so erhält dadurch die Erscheinung im Unmittelbaren die Stellung, daß dies Äußere, insofern es besteht und Dasein hat, nur eine zufällige Welt bleibt, aus welcher heraus sich das Absolute in das Geistige und Innere zusammennimmt und so erst für sich selbst zur Wahrheit wird. Damit ist das Äußere als ein gleichgültiges Element angesehen, zu dem der Geist kein letztes Zutrauen und in welchem er kein Bleiben hat. Je weniger er die Gestalt der äußeren Wirklichkeit seiner für würdig hält, desto weniger vermag er in ihr seine Befriedigung zu suchen und sich durch die Vereinigung mit ihr als mit sich selber versöhnt zu finden.
c) Die Weise der wirklichen Gestaltung geht diesem Prinzip gemäß in der romantischen Kunst deshalb nach selten des äußeren Erscheinens nicht wesentlich über die eigentliche gewöhnliche Wirklichkeit hinaus und scheut sich keineswegs, dies reale Dasein in seiner endlichen Mangelhaftigkeit und Bestimmtheit in sich aufzunehmen. Hier ist also jene ideale Schönheit verschwunden, welche die äußere Anschauung über die Zeitlichkeit und die Spuren der Vergänglichkeit weghebt, um die blühende Schönheit der Existenz an die Stelle ihrer sonstigen verkümmerten Erscheinung zu setzen. Die romantische Kunst hat die freie Lebendigkeit des Daseins in seiner unendlichen Stille und Versenkung der Seele ins Leibliche, sie hat dies Leben als solches in seinem eigensten Begriff nicht mehr zu ihrem Ziel, sondern wendet diesem Gipfel der Schönheit den Rücken; sie verwebt ihr Inneres auch mit der Zufälligkeit der äußeren Bildung und gönnt den markierten Zügen des Unschönen einen ungeschmälerten Spielraum.
Wir haben somit im Romantischen zwei Welten, ein geistiges Reich, das in sich vollendet ist, das Gemüt, das sich in sich versöhnt und die sonst geradlinige Wiederholung des Entstehens, Untergangs und Wiederentstehens erst zum wahren Kreislauf, zur Rückkehr in sich, zu dem echten Phönixleben des Geistes umbiegt; auf der anderen Seite das Reich des Äußerlichen als solchen, das, aus der fest zusammenhaltenden Vereinigung mit dem Geist entlassen, nun zu einer ganz empirischen Wirklichkeit wird, um deren Gestalt die Seele unbekümmert ist. In der klassischen Kunst beherrschte der Geist die empirische Erscheinung und durchdrang sie vollständig, weil sie es war, in der er seine vollständige Realität erhalten sollte. Jetzt aber ist das Innere gleichgültig gegen die Gestaltungsweise der unmittelbaren Welt, da die Unmittelbarkeit unwürdig ist der Seligkeit der Seele in sich. Das äußerlich Erscheinende vermag die Innerlichkeit nicht mehr auszudrücken, und wenn es dazu doch noch berufen wird, so erhält es nur die Aufgabe, darzutun, daß das Äußere das nicht befriedigende Dasein sei und auf das Innere, auf Gemüt und Empfindung, als auf das wesentliche Element zurückdeuten müsse. Eben deshalb aber läßt die romantische Kunst die Äußerlichkeit sich nun auch ihrerseits wieder frei für sich ergehen und erlaubt in dieser Rücksicht allem und jedem Stoff, bis auf Blumen, Bäume und gewöhnlichste Hausgeräte herunter, auch in der natürlichen Zufälligkeit des Daseins ungehindert in die Darstellung einzutreten. Dieser Inhalt jedoch führt zugleich die Bestimmung mit sich, daß er als bloß äußerlicher Stoff gleichgültig und niedrig ist und nur erst seinen eigentlichen Wert erhält, wenn das Gemüt sich in ihn hineingelegt hat und er nicht das Innerliche nur, sondern die Innigkeit aussprechen soll, die, statt sich mit dem Äußeren zu verschmelzen, nur in sich mit sich selber versöhnt erscheint. Das Innere in diesem Verhältnis, so auf die Spitze hinausgetrieben, ist die äußerlichkeitslose Äußerung, unsichtbar gleichsam nur sich selber vernehmend, ein Tönen als solches, ohne Gegenständlichkeit und Gestalt, ein Schweben über den Wassern, ein Klingen über einer Welt, welche in ihren und an ihren heterogenen Erscheinungen nur einen Gegenschein dieses Insichseins der Seele aufnehmen und widerspiegeln kann.
Fassen wir daher dies Verhältnis des Inhalts und der Form im Romantischen, wo es sich in seiner Eigentümlichkeit erhält, zu einem Worte zusammen, so können wir sagen, der Grundton des Romantischen, weil eben die immer vergrößerte Allgemeinheit und rastlos arbeitende Tiefe des Gemüts das Prinzip ausmacht, sei musikalisch und, mit bestimmtem Inhalte der Vorstellung, lyrisch. Das Lyrische ist für die romantische Kunst gleichsam der elementarische Grundzug, ein Ton, den auch Epopöe und Drama anschlagen und der selbst die Werke der bildenden Kunst als ein allgemeiner Duft des Gemüts umhaucht, da hier Geist und Gemüt durch jedes ihrer Gebilde zum Geist und Gemüte sprechen wollen.