III. [Allgemeine Beziehungen zwischen der Geldwirtschaft und dem Prinzip des Individualismus]
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Die Beziehung des Geldes zum Privateigentum und damit zur freien Ausbildung der Persönlichkeit heftet sich, wie gesagt, vor allem an seine Beweglichkeit und wird deshalb an seinem Gegensatz, dem Besitz des Bodens, besonders durchsichtig. Das Grundeigentum strebt in zwei Richtungen über die Bindung an das Individuum hinaus: gleichsam nach der Breitendimension, indem es sich mehr als alles andere zum Kollektivvermögen einer Gruppe eignet, nach der Tiefendimension, indem es das vorzüglichste Objekt der Vererbung ist. Wenn das Gesamteigen der primitiven Gruppe aus Grundstücken besteht, so führt die Entwicklung wiederum in zwei hauptsächlichen Richtungen darüber hinaus. Zunächst dadurch, daß die Nahrung aus einem Besitz beweglicheren Charakters gewonnen wird; sobald dies geschieht, ist auch sogleich das Sondereigen da. Bei Nomadenvölkern finden wir durchgehends, daß das Land zwar Gemeingut der Sippe ist und den einzelnen Familien nur zur Benutzung angewiesen wird; allein das Vieh ist überall Privateigentum dieser einzelnen Familien. Die nomadische Sippe ist, so viel wir wissen, in bezug auf den Herdenbesitz niemals kommunistisch gewesen. Tatsächlich sind auch sonst in vielen Gesellschaften die Mobilien schon Sondereigentum gewesen, als der Boden noch lange Gemeinbesitz war. Andrerseits knüpft sich die Entstehung des Privateigens an diejenigen Tätigkeiten, welche nicht des Grundes und Bodens als Materiales bedürfen. In dem Rechte der indischen Geschlechtsgenossenschaft entsteht der Gedanke, daß dasjenige, was nicht vermittels des Familienvermögens - das eben vorzüglich aus Grundstücken gebildet ist - erworben wird, auch nicht in dieses zu fließen habe. Der Erwerb einer persönlichen Geschicklichkeit also, wie das Erlernen eines Handwerks, wird als das hauptsächlichste Mittel zum Gewinn eines Sondergutes und zur Selbständigkeit der Persönlichkeit genannt. Der Handwerker, der seine Geschicklichkeit überallhin mit sich nimmt, hat eben in ihr jenes bewegliche Gut, das, gerade wie in anderer Weise der Viehbesitz, den Einzelnen von dem Bodenbesitz mit seinem Kollektivcharakter loslöste. Endlich: die Überführung der gemeinschaftlichen Lebensform in eine individualistische ist ein zweckmäßiges Mittel, um bei sich auflösender Naturalwirtschaft die bisher auf sie gegründete Genossenschaft so weit wie möglich zu konservieren. Bis zum 13. Jahrhundert bestand das Vermögen der kirchlichen Genossenschaften wesentlich in Grundbesitz, und ihre Geschäftsführung beruhte auf dem Prinzip der Gemeinwirtschaft. Das Sinken der naturalwirtschaftlichen Erträge schuf ihr seitdem große Not; aber eben die zur Herrschaft gelangende Geldwirtschaft, die dies verschuldete, bot zugleich ein gewisses Heilmittel. Man zerschlug nämlich die Einnahmen der Stifter und sogar der Klöster mehr oder weniger weitgehend in einzelne Gehälter, Pfründen, und konnte nun mehrere derselben, aus ganz getrennten Orten, vermöge der Geldform des Ertrages einer einzigen Person zusprechen. Dadurch war es möglich, bei sinkenden Gesamteinnahmen doch wenigstens das Einkommen der führenden und repräsentierenden Persönlichkeiten der Genossenschaften auf gleicher Höhe zu halten - so sehr dies auf Kosten der niederen Kleriker geschah, die nun ihrerseits als Mietlinge den Dienst an der Gemeinde versahen. Dieser Vorgang zeigt sehr deutlich, wie die zurücktretende Bedeutung des Bodens selbst so eng auf Zusammenschluß und Einheit angelegte Gruppen, wie die kirchlichen, aus der kollektivistischen Lebensform in die individualistische hineintreibt, und wie die eindringende Geldwirtschaft ebensowohl Ursache als - durch die Zerlegung und Mobilisierung der Grundstücke - das Mittel dieses Prozesses bildet. Daß heute gerade der Bauer als der entschiedenste Gegner sozialistischer Bestrebungen gilt, hat wohl zunächst den Grund, daß er, in zweckmäßiger Anpassung an die Technik seines Betriebes, äußerst konservativ ist: da nun einmal individuelles Eigentum besteht, so hält er an demselben ebenso fest, wie er vor Jahrhunderten an der gemeinen Mark, ja noch vor viel kürzerer Zeit wenigstens an der Gemengelage festgehalten hat. Auch hat der moderne Sozialismus ein Hauptmotiv, das jener alten Kollektivität des Grundbesitzes als etwas völlig Heterogenes gegenübersteht und ihn der Innersten Lebensrichtung des Landwirts völlig entfremdet: die restlose Beherrschung der Produktion durch den Verstand, den Willen, die organisierende Berechnung des Menschen. Die Verfassung der Fabrik und die Konstruktion der Maschine stellt dem Industriearbeiter täglich vor Augen, daß zweckmäßige Bewegungen und Wirkungen mit absoluter Zuverlässigkeit zustande gebracht, persönliche und aus dem Innern der Dinge hervorbrechende Störungen völlig vermieden werden können. Diese Erreichung der Zwecke vermöge eines durchsichtigen und dirigierbaren Mechanismus arbeitet einem sozialen Ideal vor, das die Gesamtheit mit dem souveränen Rationalismus der Maschine, unter Ausschaltung aller privaten Impulse, organisieren will. Dagegen sind die Arbeit des Bauern und ihre Erfolge von ebenso unbeeinflußbaren wie unberechenbaren Kräften abhängig, seine Gedanken gehen auf die Gunst eines nicht zu rationalisierenden Faktors und auf das jeweilige Ausnutzen irregulärer Bedingungen. So bilden sich seine Ideale dem sozialistischen entgegengesetzt, das nicht die Gunst, sondern das Ausschalten aller Zufälligkeit und eine Organisation der Lebenselemente anstrebt, die, was bei den bäuerlichen Interessen gar nicht in Frage kommt, jedes derselben berechenbar macht. Jene absolute Beherrschung der Gesamtproduktion durch Verstand und Willen ist technisch freilich nur bei absoluter Zentralisierung der Produktionsmittel - in der Hand der »Gesellschaft« - möglich, aber es liegt auf der Hand, wie weit die alte naturalwirtschaftliche Kollektivität in ihrem Kern und Sinn von dieser sozialistischen absteht, deren Idee sich deshalb auch gerade über der geldwirtschaftlichsten und mobilisiertesten Eigentumsgestaltung erheben konnte so sehr, wie ich oben erwähnte, jener primitive Kommunismus als Instinkt und nebelhaftes Ideal zu den Triebkräften des Sozialismus beisteuern mag.
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