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III. [Verselbständigung des Individuums der Gruppe gegenüber und neue Assoziationsformen vermöge des Geldes; der Zweckverband]

 

 Nun macht das Geld nicht nur die Beziehung der Einzelnen zur Gruppe überhaupt zu einer viel unabhängigeren, sondernder Inhalt der speziellen Assoziationen und das Verhältnis der Teilnehmer zu ihnen unterliegt einem ganz neuen Differenzierungsprozeß. Die mittelalterliche Korporation schloß den ganzen Menschen in sich ein: eine Zunft der Tuchmacher war nicht eine Assoziation von Individuen, welche die bloßen Interessen der Tuchmacherei pflegte, sondern eine Lebensgemeinschaft in tariflicher, geselliger, religiöser, politischer und vielen sonstigen Hinsichten. Um so sachliche Interessen sich eine solche Assoziation auch gruppieren mochte, sie lebte doch ganz unmittelbar in ihren Mitgliedern und diese gingen restlos in ihr auf. Im Gegensatz zu dieser Einheitsform hat nun die Geldwirtschaft unzählige Assoziationen ermöglicht, die entweder von ihren Mitgliedern nur Geldbeiträge verlangen oder auf ein bloßes Geldinteresse hinausgehen: zuhöchst die Aktiengesellschaft, bei der der Vereinigungspunkt der Teilhaber ausschließlich in dem Interesse an der Dividende liegt; so ausschließlich, daß es wohl jedem Einzelnen ganz gleichgültig ist was die Gesellschaft denn eigentlich produziert. Die sachliche Zusammenhangslosigkeit des Subjekts mit dem Objekt, an dem es ein bloßes Geldinteresse hat, spiegelt sich in seiner personalen Zusammenhangslosigkeit mit den anderen Subjekten, mit denen ihn ein ausschließliches Geldinteresse verbindet. Hiermit ist nun eine der wirkungsvollsten kulturellen Formungen gegeben: die Möglichkeit des Individuums, sich an Assoziationen zu beteiligen, deren objektiven Zweck es fördern oder genießen will, ohne daß für die Persönlichkeit im übrigen die Verbindung irgendeine Bindung mit sich brächte. Das Geld hat es bewirkt, daß man sich mit Anderen vereinigen kann, ohne etwas von der persönlichen Freiheit und Reserve aufgeben zu brauchen. Das ist der fundamentale, unsäglich bedeutungsvolle Unterschied gegen die mittelalterliche Einungsform, die zwischen dem Menschen als Menschen und dem Menschen als Mitglied einer Vereinigung nicht unterschied; sie zog das gesamtwirtschaftliche wie das religiöse, das politische wie das familiäre Interesse gleichmäßig in ihren Kreis. Die dauernde Vereinigung kennt in jenem urwüchsigen Stadium noch nicht die Form des bloßen »Beitrage«, am wenigsten die Herstellung ihrer ganzen Substanz aus solchen und aus »beschränkten Haftungen«. Wie man wohl im großen und ganzen und mit den bei so allgemeinen Behauptungen nötigen Reserven sagen kann, daß die Verhältnisse der Menschen untereinander früher entschiedenere waren, weniger durch Vermittlungen, Mischungen, Vorbehalte undeutlich gewordene, daß es weniger problematische und »halbe« Verhältnisse gab: so stand die Beziehung des Einzelnen zur Assoziation viel mehr unter dem Zeichen des Ganz oder Garnicht, sie duldete nicht eine Zerlegbarkeit, durch die ein bloßes Partikelchen der im übrigen unabhängigen Persönlichkeit in sie hinein gegeben werden kann und die in der Hingabe und Entnahme von Geld als dem einzigen assoziativen Bande ihre absolute Vollendung findet. Und dies gilt nicht nur für Einzelne, sondern auch für Kollektivindividuen. Die Geldform des Gemeininteresses gewährt auch Vereinigungen die Möglichkeit zu einer höheren Einheit zusammenzutreten, ohne daß die einzelne auf ihre Unabhängigkeit und Sonderart zu verzichten braucht. Nach 1848 bildeten sich in Frankreich Syndikate von Arbeiter- Assoziationen desselben Gewerkes, derart, daß jede ihren unteilbaren Fonds an dieses Syndikat ablieferte und so eine unteilbare gemeinsame Kasse zustande kam. Diese sollte namentlich Engros-Einkäufe ermöglichen, Darlehen gewähren usw. Die Syndikate hatten aber durchaus nicht den Zweck, die teilhabenden Assoziationen zu einer einzigen zu vereinigen, sondern jede sollte ihre besondere Organisation beibehalten. Dieser Fall ist deshalb so bezeichnend, weil die Arbeiter damals in einer wahren Leidenschaft der Assoziationsbildung, befangen waren. Lehnten sie nun die hier so naheliegende Verschmelzung ausdrücklich ab, so müssen sie besonders starke Gründe für gegenseitige Reserve gehabt haben - und fanden dabei die Möglichkeit, die dennoch vorhandene Einheit ihrer Interessen in jener Gemeinsamkeit des bloßen Geldbesitzes wirksam werden zu lassen. Ja, auf Grund dieser vollen subjektiven Freiheit, die die bloße Geldbeteiligung den - Mitgliedern der Assoziation läßt, sind gewisse Vereinigungen überhaupt erst möglich geworden. Der Gustav-Adolf-Verein, jene große Gemeinschaft zur Unterstützung bedürftiger evangelischer Gemeinden, hätte gar nicht zur Existenz und Wirksamkeit kommen können, wenn nicht der Charakter (oder vielmehr die Charakterlosigkeit) der Geldbeiträge die konfessionellen Unterschiede der Beitragenden verwischt hätte. Zu keiner anderen Einungsform wären Lutheraner, Reformierte, Unierte zu bewegen gewesen. Dasselbe gilt, wenn das gemeinsame Geldinteresse sozusagen ein passives wird. Der englische Klerus bildete bis ziemlich tief in das Mittelalter hinein durchaus keine Einheit; insbesondere gehörten die Bischöfe, als Feudalherren, zu den Lords, in sozialer und politischer Absonderung von dem niederen Klerus. Dies fand namentlich solange statt, als nur der Grundbesitz, an dem letzterer nicht teil hatte, besteuert wurde. Sobald aber besondere Besteuerungen des gesamten. geistlichen Einkommens aufkamen, war durch Opposition dagegen oder durch Bewilligung ein gemeinsames Interesse für den ganzen Stand geschaffen, das der beste Kenner jener Zeit für eins der Hauptbindemittel hält, die überhaupt den Klerus erst als einheitlichen Stand schufen. Schon die Anfänge der Geldwirtschaft zeitigen Entwicklungen der wirtschaftlichen Vereinigung aus demselben Grundmotiv heraus. Die Vermehrung und vermehrte Bedeutung des Kapitals erzeugte vom 14. Jahrhundert an das Bedürfnis, dasselbe in der Familie ungeteilt zu erhalten. Denn indem die Anteile aller Erben einheitlich zusammenblieben, übten sie weit reichere Wirkungen zugunsten eines jeden, als er bei ihrer Aufteilung erreichen konnte. Es begann also in Deutschland der Eintritt aller Erben in die ungeteilte Erbschaft lind der Weiterbestand des alten Geschäfts zu gesamter Hand. Daran knüpften sich nun zwei Konsequenzen. Es entstand innerhalb der Familie die Trennung von Hauswirtschaft und Geschäft, so daß Familienmitglieder mit getrennter Hauswirtschaft und separatem Vermögen doch Teilhaber der einen ungeteilten »Firma« bleiben konnten; während die Bedeutung des Geldkapitals die alte Familienwirtschaft überhaupt gesprengt hatte, schuf es nun doch über dieser Trennung eine neue Vereinigung, in deren reine Sachlichkeit die von den eigentlichen Privatinteressen gelösten, ausschließlichen Vermögensinteressen eingingen. Und zweitens, wurde dieser Gemeinsamkeitsmodus nun auch von solchen nachgeahmt, welche nicht einmal in einer ursprünglichen Familienbeziehung standen; nachdem einmal aus der Hauswirtschaft sich das »Geschäft« herausgelöst hatte, wurde es auch von Nichtverwandten als Vereinigungsform der bloßen arbeitenden Kapitalien gewählt, so daß schon anfangs des 15. Jahrhunderts die offene Handelsgesellschaft gebräuchlich wird. Zu einer reinen Vermögensgenossenschaft, d.h. einer solchen, in der das gemeinsam besessene Vermögen sich zu einer selbständigen, jenseits der Einzelanteile stehenden Einheit und Rechtspersönlichkeit objektiviert hat und der Teilhaber nur mit einem bestimmten Teile seines Vermögens und sonst überhaupt nicht mit seiner Person beteiligt ist -ist es erst seit dem Durchdringen der Geldwirtschaft gekommen. Das Geld allein konnte solche Gemeinsamkeiten zustande bringen, die das einzelne Mitglied überhaupt nicht präjudizieren: es hat den Zweckverband zu seinen reinen Formen entwickelt, jene Organisationsart, die sozusagen das Unpersönliche an den Individuen zu einer Aktion vereinigt und uns die bisher einzige Möglichkeit gelehrt hat, wie sich Personen unter absoluter Reserve alles Persönlichen und Spezifischen vereinigen können. - Die zersetzende und isolierende Wirkung des Geldes ist nicht nur ganz im allgemeinen Bedingung und Korrelat dieser versöhnenden und verbindenden; sondern in einzelnen historischen Verhältnissen übt das Geld zugleich die auflösende und die vereinigende Wirkung. So z.B. im Familienleben, dessen organische Einheit und Enge einerseits durch die Folgen der Geldwirtschaft zerstört worden ist, während man andrerseits gerade unter Anerkennung hiervon hervorgehoben hat, daß die Familie fast nichts mehr sei, als eine Organisation der Erbfolge. Wenn unter mehreren Interessen, die die Vereinigung eines Kreise? ausmachen, das eine auf alle anderen zerstörend wirkt, so wird natürlich dieses selbst die anderen überleben und schließlich noch die einzige Verbindung zwischen den Elementen darstellen, deren sonstige Zusammenhänge es zernagt hat. Nicht nur auf Grund seines immanenten Charakters, sondern gerade weil es auf so viele andere Verbindungsarten der Menschen destruktiv wirkt, sehen wir das Geld den Zusammenhang zwischen sonst ganz zusammenhangslosen Elementen herstellen. Und es gibt heute vielleicht keine Assoziation von Menschen mehr, die nicht, als Ganzes, irgendein Geldinteresse einschlösse, und sei es nur die Saalmiete einer religiösen Korporation. 

 


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