III. [Verselbständigung des Individuums der Gruppe gegenüber und neue Assoziationsformen vermöge des Geldes; der Zweckverband]
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Durch den Charakter des Zweckverbandes aber, den das Einungsleben deshalb mehr und mehr annimmt, wird es mehr und mehr entseelt; die ganze Herzlosigkeit des Geldes spiegelt sich so in der sozialen Kultur, die von ihm bestimmt wird. Vielleicht, daß die Kraft des sozialistischen Ideals zum Teil einer Reaktion auf diese entstammt; denn indem es dem Geldwesen den Krieg erklärt, will es die Isolierung des Individuums seiner Gruppe gegenüber, wie sie in der Form des Zweckverbandes verkörpert ist, aufheben und appelliert zugleich an alle innigen und enthusiastischen Gefühle für die Gruppe, die sich in dem Einzelnen erwecken lassen. Freilich ist der Sozialismus auf eine Rationalisierung des Lebens gerichtet, auf die Beherrschung seiner zufälligen und einzigartigen Elemente durch die Gesetzmäßigkeiten und Berechnungen des Verstandes; allein zugleich ist er den dumpfen kommunistischen Instinkten wahlverwandt, die als Erbschaft längst verschollener Zeiten noch in den abgelegeneren Winkeln der Seelen ruhen. In dieser Zweiheit von Motivierungen, deren psychische Standorte einander polar entgegengesetzt sind, und die ihn einerseits als das äußerste Entwicklungsprodukt der rationalistischen Geldwirtschaft, andrerseits als die Verkörperung des undifferenziertesten Instinktes und Gefühlslebens zeigen, liegt wohl die Eigenart seiner Anziehungskraft: er ist Rationalismus und Reaction auf den Rätionalismus. Der Sozialismus hat an der alten Gentilverfassung mit ihrer kommunistischen Gleichheit sein begeisterndes Ideal gefunden, während das Geldwesen das Individuum auf sich rückwärts konzentriert und ihm als Objekte der persönlichen und Gemütshingabe einerseits nur die allerengsten individuellen Beziehungen, wie Familie und Freundschaft, andrerseits nur den weitesten Kreis, etwa des Vaterlandes oder der Menschheit überhaupt, übrig gelassen hat - beides soziale Bildungen, die sich, wenn auch aus verschiedenen Gründen, der objektiven Vereinigung zu isolierten Zwecken völlig fremd gegenüberstellen. Hier wird nun eine der umfassendsten und tiefgreifendsten soziologischen Normen wirksam. Zu den wenigen Regeln nämlich, die man mit annähernder Allgemeinheit für die Form der sozialen Entwicklung aufstellen kann, gehört wohl diese: daß die Erweiterung einer Gruppe Hand in Hand geht mit der Individualisierung und Verselbständigung ihrer einzelnen Mitglieder. Die Evolution der Gesellschaften pflegt mit einer relativ kleinen Gruppe zu beginnen, welche ihre Elemente in strenger Bindung und Gleichartigkeit hält, und zu einer relativ großen vorzuschreiten, die ihren Elementen Freiheit, Fürsichsein, gegenseitige Differenzierung gewährt. Die Geschichte der Familienformen wie die der Religionsgemeinden, die Entwicklung der Wirtschaftsgenossenschaften wie die der politischen Parteien zeigt allenthalben diesen Typus. Die Bedeutung des Geldes für die Entwicklung der Individualität steht deshalb in engstem Zusammenhange mit der, die es für die Vergrößerung der sozialen Gruppen besitzt. Für diese letztere bedarf es hier keines ausführlichen Beweises mehr: die Wechselwirkung zwischen der Geldwirtschaft und der Größe des Wirtschaftskreises habe ich früher aufgezeigt. Je mehr Menschen miteinander in Beziehung treten, desto abstrakter und allgemeingültiger muß ihr Tauschmittel sein; und umgekehrt, ist erst einmal ein solches geschaffen, so gestattet es eine Verständigung auf sonst unzugängliche Entfernungen hin, eine Einbeziehung der aller mannigfaltigsten Persönlichkeiten in die gleiche Aktion, eine Wechselwirkung und damit Vereinheitlichung von Menschen, die wegen ihres räumlichen, sozialen, personalen und sonstigen Interessenabstandes in gar keine andere Gruppierung zu bringen wären.
In wie enger Korrelation Geldwirtschaft, Individualisierung und Vergrößerung des sozialen Kreises stehen, offenbart zunächst der Charakter des Handelsgewerbes, das einerseits mit dem Vordringen der Geldwirtschaft, andrerseits mit der Erweiterung der Beziehungen, dem Hinausgreifen über die enge, sich selbst genügende Gruppe der Primitivzeit in offensichtlichem Zusammenhang steht. Und nun hat der Handel dadurch individuellen Charakter, daß er - von seinen höchsten Stufen abgesehen - keine so komplizierte Technik wie das Handwerk und keine so traditionell festgelegte wie der Landbau besitzt. Der Handeltreibende ist deshalb nicht in dem Maße, wie es in den anderen Erwerbstypen gilt, auf Unterweisung - die immer engeren Zusammenhang mit der unmittelbaren Umgebung involviert -, auf personale und objektive Tradition - die die individuelle Sonderart nivelliert -, auf Erblichkeit - die das frühere Handwerk und noch jetzt der Landbesitz voraussetzt - angewiesen. Aus Indien wird berichtet, daß die Erblichkeit der Berufe in dem Handelsgewerbe nicht so entschieden sei, wie in den industriellen. Es ist die Technik des Handels, die es dem wandernden, die Gruppengrenzen durchbrechenden Kaufmann, dem Pionier der Geldwirtschaft, erleichtert, sich jenen Vergleichmäßigungen und Verschmelzungen der anderen Berufe zu entziehen und sich auf sein individuelles Können und Wagen zu stellen. Ich zeige die gleiche Korrelation an einem etwas abseits liegenden Fall. Ob der Sieger eines Wettbewerbes durch einen Ehrenpreis oder einen Geldpreis ausgezeichnet wird, ist innerlich ein größer Unterschied. Mit dem Geldpreis ist er abgefunden, er hat seinen Lohn dahin; der Ehrenpreis wirkt weiter, er gibt der ganzen Persönlichkeit ein Relief (das natürlich unter gewissen Umständen, aber nicht dem Grundgedanken nach, auch zu dem Geldpreise noch hinzutreten kann): der Geldpreis bezieht sich auf die Leistung, der Ehrenpreis auf den Leistenden. Nun aber ist eine Ehrung in dem letzteren Sinne meistens nur innerhalb eines relativ kleinen Kreises möglich. Schon diejenige Ehre, die keine Auszeichnung des Individuums bedeutet, entsteht nur innerhalb einer kleineren Gruppe, welche durch die bestimmt umschriebene Ehrenhaftigkeit ihrer Mitglieder sich gegen ihre Umgebung geschlossen, kräftig, unangreifbar erhält: so die Offiziersehre, die Kaufmannsehre, die Familienehre, ja sogar die oft hervorgehobene Spitzbubenehre. Jede Ehre ist ursprünglich Standesoder Klassenehre, und die allgemein menschliche oder ganz individuelle Ehre enthält nur diejenigen Anforderungen an den Einzelnen, in denen alle kleineren Gruppen innerhalb einer größeren übereinstimmen. Die Ehre nun, welche ihren Träger nicht Anderen einordnen, sondern unter ihnen hervorheben soll, bedarf nicht weniger einer gewissen Enge und Solidarität des Kreises; der Name des olympischen Siegers hallte durch das ganze, kleine und in diesem Interesse eng zusammengehörige Griechenland. Der Geldpreis trägt den egoistischen Charakter, den sehr große Kreise ihren Individuen nahelegen; den unegoistischen, der der Solidarität des kleineren entspricht, symbolisiert es aufs schönste, daß der goldene Kranz, den der athenische Rat der Fünfhundert für gute Amtsführung erhielt, alsdann in einem Tempel aufbewahrt wurde. Innerhalb kleinerer und geschlossener Interessenkreise, z.B. bei einigen Sportangelegenheiten, Industriefächern usw. ist noch jetzt der Ehrenpreis völlig gerechtfertigt. In dem Maße aber, in dem die Einschränkung und Homogeneität des Kreises einer Weite und gegenseitigen Fremdheit seiner Elemente Platz macht, muß an die Stelle des Ehrenpreises, der auf die Mitwirkung der gesamten Gruppe rechnet, der Geldpreis treten, der die abschließende, über sich nicht hinausweisende Anerkennung der Leistung darstellt. Die Vergrößerung des sozialen Kreises fordert so den Übergang zum geldmäßigen Ausdruck des Verdienstes, weil sie unweigerlich die Atomisierung eben dieses Kreises bedeutet; die Unmöglichkeit, die gleiche Stimmung in derselben Weise, wie es bei einem kleinen Kreise möglich ist, durch einen großen fortzupflanzen, macht die Belohnung durch ein Mittel notwendig, bei dem der zu Belohnende nicht mehr auf eine Übereinstimmung und Bereitwilligkeit der ganzen Gruppe angewiesen ist.
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