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III. [Differenzierung von Person und Besitz: räumliche Distanzierung und technische Objektivierung durch das Geld].

 

Wenn wir die Rolle des Geldes in diesem Differenzierungsprozeß untersuchen, so fällt zunächst auf, daß derselbe sich an die räumliche Entfernung zwischen dem Subjekt und seinem Besitz knüpft. Der Aktieninhaber, der mit der Geschäftsführung der Gesellschaft absolut nichts zu tun hat; der Staatsgläubiger, der das ihm verschuldete Land nie betreten hat; der Großgrundbesitzer, der seine Ländereien in Pacht ausgetan hat - sie alle überlassen ihre Besitzquanten einem rein technischen Betriebe, dessen Früchte sie allerdings ernten, mit dem an und für sich sie aber gar nichts zu schaffen haben. Und das eben ist ausschließlich durch das Geld möglich. Erst wenn der Ertrag des Betriebes eine Form annimmt, in der er ohne weiteres an jeden Punkt übertragbar ist, gewährt er, durch die Entfernung zwischen Besitz und Besitzer, beiden jenes hohe Maß von Unabhängigkeit, sozusagen von Eigenbewegung: dem einen die Möglichkeit, ausschließlich nach den inneren Anforderungen der Sache betrieben zu werden, dem anderen die Möglichkeit, sein Leben ohne Rücksicht auf die spezifischen Anforderungen seines Besitzes einzurichten. Die Fernwirkung des Geldes gestattet dem Besitz und dem Besitzer so weit auseinanderzutreten, daß jedes seinen eigenen Gesetzen ganz anders folgen kann, als da der Besitz noch in unmittelbarer Wechselwirkung mit der Person stand, jedes ökonomische Engagement zugleich ein persönliches war, jede Wendung in der persönlichen Direktive oder Stellung zugleich eine solche innerhalb der ökonomischen Interessen bedeutete. So äußert sich, wie schon angeführt, die Solidarität zwischen Person und Besitz bei sehr vielen Naturvölkern aller Erdteile darin, daß der letztere, soweit er ganz individuell, erobert oder erarbeitet ist, mit dem Besitzenden ins Grab geht. Es liegt auf der Hand, wie sehr hierdurch auch die objektive Kultur hintangehalten wird, deren Fortschritt gerade auf dem Weiterbauen auf ererbten Produkten ruht. Erst durch die Vererbung erstreckt sich der Besitz über die Grenze des Individuums hinaus und beginnt, eine sachliche und für sich entwickelbare Existenz zu führen. Für jenes personale, dem Eigener gleichsam angewachsene Wesen des Besitzes ist es bezeichnend, daß im frühgermanischen Recht jede Schenkung im Falle der Undankbarkeit des Beschenkten und in einigen anderen Fällen widerrufbar war. Weniges zeigt so scharf den ganz personalen Charakter jener frühen Besitzformen: eine rein individuell-ethische Beziehung zwischen Schenker und Beschenktem hat eine unmittelbare rechtlich- ökonomische Folge. Schon äußerlich widerstrebt die Geldwirtschaft der hiermit ausgedrückten Empfindungsweise; das naturale Geschenk kann wirklich in natura zurückgegeben werden, das Geldgeschenk aber, nach ganz kurzer Zeit, nicht mehr als » dasselbe«, sondern nur dem gleichen Werte nach. Damit ist die Beziehung geschwächt oder vernichtet, die für das Gefühl noch zwischen dem naturalen Geschenk und seinem Geber fortbestehen und die Rückforderbarkeit begründen mochte; die Geldform des Geschenks entfernt und entfremdet es ihm sehr viel definitiver. Wegen dieses Auseinandertreibens von Sache und Person sind auch Zeitalter der ausgebildetsten und ganz objektiv gewordenen Technik zugleich solche der individualisiertesten und subjektivsten Persönlichkeiten: der Beginn der römischen Kaiserzeit und die letzten 100-150 Jahre sind beides Zeiten intensivster Geldwirtschaft. Der technisch verfeinerte Charakter der Rechtsbegriffe stellt sich gleichfalls erst als Korrelat jenes abstrakten Individualismus her, der mit der Geldwirtschaft Hand in Hand geht. Bevor, zugleich mit dieser, das römische Recht in Deutschland rezipiert wurde, kannte das deutsche Recht keine Stellvertretung in Rechtssachen, nicht die Institution der juristischen Person, nicht das Eigentum als Gegenstand freier individueller Willkür, sondern nur als Träger von Rechten und Pflichten. Ein mit solchen Begriffen arbeitendes Recht ist nicht mehr möglich, wo das Individuum sich von der Verschmelzung mit besonderen Bestimmtheiten des Besitzes, der sozialen Position, der materialen Inhalte des Seins gelöst hat und jenes völlig freie und auf sich gestellte, aber von allen speziellen Daseinstendenzen begrifflich geschiedene Wesen geworden ist, das allein in die Geldwirtschaft hineingehört und so jene Lebensinteressen, als rein sachlich gewordene, der logisch-abstrakten römischen Rechtstechnik überlassen kann. Das Verhältnis zwischen dem Grund und Boden und dem Besitzer hat in Deutschland die Stadien durchgemacht, daß zuerst der Grundbesitz aus der personalen Stellung in der Gemeinde geflossen war, und dann umgekehrt die Person durch ihren Besitz bestimmt war, bis schließlich die Verselbständigung des Grundbesitzes einen ganz anderen Sinn annimmt, einen solchen, in dem sie gleichsam am anderen Ende die Persönlichkeit als völlig selbständige hervortreten läßt. In der Urzeit hatte die Personalität die dinglichen Beziehungen überdeckt und verschlungen, in der Patrimonialzeit diese umgekehrt jene. Die Geldwirtschaft differenziert beides, Sachlichkeit bzw. Besitz und Persönlichkeit werden gegeneinander selbständig. Die Aufgipfelung, die dieser formale Prozeß am Gelde selbst erlebt, kann nicht schärfer als durch den Ausdruck der ausgebildetsten Geldwirtschaft bezeichnet werden: daß das Geld » arbeitet«, d.h. seine Funktionen nach Kräften und Normen übt, die mit denen seiner Besitzer keineswegs identisch, sondern von diesen relativ unabhängig sind. Wenn Freiheit bedeutet, nur den Gesetzen des eigenen Wesens zu gehorchen, so gibt die durch die Geldform des Ertrages ermöglichte Entfernung zwischen Besitz und Besitzer beiden eine sonst unerhörte Freiheit: die Arbeitsteilung zwischen der Subjektivität und den Normen der Sache wird eine vollkommene, jedes hat nun seine Aufgaben, wie sie sich aus seinem Wesen ergeben, für sich zu lösen, in Freiheit von der Bedingtheit durch das ihm innerlich fremde andere.

 


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