VI. Die juristische Literatur. Schluß.
Wir haben hiermit die Entwicklung der von uns behandelten Institute bis zu einem Punkte verfolgt, wo für die offene Handelsgesellschaft alle wesentlichen Grundlagen: Firma, Solidarhaftung, Sondervermögen, gewonnen sind. Wir haben ebenso, um den Gegensatz zu gewinnen, die Kommanditgesellschaft von ihren Anfängen an bis zu einer Stufe der Entwicklung betrachtet, welche der rechtlichen Struktur nach von ihrer heutigen Bedeutung nicht mehr allzufern abliegt. Der späteren Rechtsbildung, welche hier nicht behandelt werden kann, waren damit die juristischen Gesichtspunkte geliefert, durch deren Kombination und Ausbau sie den modernen Verhältnissen entsprechende Gesellschaftsformen zu schaffen in der Lage war. – Es sollen hier nur noch einzelne Punkte zur Sprache kommen.
Zunächst das Verhältnis der zeitgenössischen Jurisprudenz zu den vorstehend betrachteten Instituten.
Was die Kommanditverhältnisse anlangt, so hätten dieselben, als auf dem Boden des Vertragsrechts stehend, der romanistischen Theorie erhebliche Schwierigkeiten nicht verursachen dürfen. Und doch ist dies der Fall, und es muß in Uebereinstimmung mit Lastigs Bemerkungen gegen Endemann, bei einer Betrachtung der juristischen Literatur jener Zeit davon ausgegangen werden, daß eine solche nur die Bedeutung haben kann, zu zeigen, wie die romanistische Jurisprudenz es, zum Teil nicht mit Glück, versucht hat, sich mit Instituten, deren historische Erfassung ihr fern lag, abzufinden. Die Consilia des Baldus und die einschlagenden Schriften anderer geben davon genügend Zeugnis. Die von ihnen behandelte societas »pecunia-opera« (in qua alter imposuit pecuniam, alter operam) soll die Kommenda vorstellen209.
Historisch wird dabei der ursprüngliche Zweck derselben im Seehandel nicht berücksichtigt. In dogmatischer Beziehung gehen die Juristen, – offenbar infolge der romanistischen Ansicht, daß »socii« grundsätzlich einander gleichstehende und gleichberechtigte Kontrahenten sein müssen, – von der Vorstellung aus, der Kommendatar bringe »sich selbst«, seine Arbeitskraft, als Einlage in die Gesellschaft ein, wie der Kommendant sein Kapital, seine Arbeitsleistungen seien seine »fructus«, entsprechend den Zinsen des Kapitalisten210, – ohne dabei zu erkennen, daß ein derartiges Bild, wenn gelegentlich, zum Zweck der Anschaulichkeit verwendet, eine zulässige Spielerei, wenn aber darauf eine juristische Konstruktion aufgebaut werden soll, Unsinn ist. Den späteren Schriftstellern hat dann, wie Endemann nachgewiesen hat, bei diesen Sozietäten mehr noch die Frage, ob und wann dieselben unter das Wucherverbot fallen, Kopfzerbrechen gemacht. Wir sahen, daß einzelne Abarten der Kommenda dem Wucherverbot wirklich zum Opfer fielen211, im übrigen hat dasselbe wohl sicherlich die Theoretiker mehr als die Praxis beunruhigt. Auch zeigt die ganze Art der Behandlung und Erörterung bei den Juristen, daß nicht irgendeine durchdachte und konsequent durchgeführte wirtschaftliche oder gar soziale Theorie ihrer Betrachtungsweise zugrunde liegt, sondern daß ihre einzelnen Entscheidungen lediglich ein Ergebnis abstrakter Konstruktion sind.
Uns interessiert hier mehr das Verhalten der Jurisprudenz gegenüber der offenen Handelsgesellschaft.