Konkurs und Zwangsvollstreckung
Das Statut, welches die Differenzen inter socios ejusdem hentice seu societatis maris und zwischen diesen und den Gläubigern dem Usus unterstellt, fügt dieser Bestimmung eine Bemerkung über die Konkursvorrechte dieser Personenklassen hinzu, welche schon durch ihr Stehen an dieser Stelle151 als jüngerer Zusatz charakterisiert ist. Ihr Inhalt interessiert uns besonders.
Es wird in dieser Stelle gesagt:
I. daß bei einem Streit »inter socios et alios creditores, qui non sint creditores ejusdem hentice, licet creditores sint priores tempore«, – die socii vorgehen sollen in rebus societatis, während »in aliis bonis secundum ordinem juris observetur«. Also: die socii können intervenieren und Freigabe des Sozietätsguts fordern von denjenigen Gläubigern, welche nicht zu Lasten der hentica kontrahiert haben (Privatgläubigern des tractans, würden wir sagen).
II. Es ist ferner gesagt, daß »inter socios ejusdem hentice seu societatis maris, licet aliqui socii sint priores tempore et habeant etiam hypotheca, tamen in praedictis bonis (scil. societatis), ejus, quod quisque sociorum recipere habet, communiter admittantur et per libram dividant«. Also mehrere socii stantes, denen ein tractator gegenübersteht (denn dies ist die gedachte Situation: vv. socii ejusdem hentice), sollen das Soziatätsgesuch nach Quoten teilen, es soll also:
1. Niemand von ihnen durch Zwangsvollstreckung für sich wegen seiner Einlage ein Vorrecht vor den anderen erlangen.
2. Niemand von den socii seine Illaten in natura zurückverlangen können, – dies ist nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber einmal schon als Korrelat und Konsequenz des Satzes zu 1, ferner direkt daraus, daß auch hier wie bei der genuesischen societas maris die wesentliche Funktion der Sozietät die Gemeinsamkeit der Gefahr ist, also nicht mehr die einzelnen Sachen in Betracht kommen, sondern Gewinn und Verlust nur auf Rechnung der Gesamtheit geht, wie das Constitutum Usus festsetzt, indem es bestimmt, daß, wenn bei einer Sozietät »havere mixtum«, d.h. ungeteilt gemeinsames Vermögen, vorhanden sei, Gewinn und Verlust per libram geteilt werden solle152.
III. Die Gläubiger des tractator, mit welchen derselbe mit bezug auf die Sozietätssachen kontrahiert hat, sind nicht persönliche Gläubiger der socii stantes. Dies ist ebenfalls nicht direkt gesagt, ergibt sich aber, mir wenigstens unzweifelhaft, aus der Art, wie diese Haftungsverhältnisse durch Konkursvorrechte konstruiert sind, indem die hentica dem Zugriff der creditores hentice unterliegt, – das sagt ihr Name –, sie also in bezug auf die hentica den socii gegenüber und diese wieder den Privatgläubigern gegenüber privilegiert sind. Eine auf persönliche Mithaft der socii stantes gegründete Sozietät bedürfte dieser, vielmehr augenscheinlich auf die Konstruktion bei der societas maris in Genua zurückleitenden, Konstruktion nicht; – die Sozietätsgläubiger sind eben gegenüber den socci stantes nur creditores hentice.
IV. Die hentica beginnt in der geschilderten Weise zu funktionieren mit dem Moment, wo die dazu gehörigen species zu einem Sozietätsfonds zusammengefaßt sind. Letzteres ist juristisch vollzogen, nachdem153 die betreffenden Wertobjekte, nach Feststellung ihres Geldwertes (aestimatio) faktisch zusammengebracht (mixta), sobald sie also »eingebracht«, und zwar: zu einem bestimmten Werte eingebracht sind. Sind sie noch nicht ästimiert, so sind sie noch nicht Sozietätsgut, denn dann steht noch nicht fest, zu welcher Quote die socii durch ihre Einbringung anteilsberechtigt geworden sind, – da aber auf das Konto des socius der Kapitalwert der Sachen, nicht diese selbst, kommen, und durch diesen Kapitalwert die Anteilsberechtigung des socius an dem Sozietätsgut ausgedrückt wird, so ist seine Feststellung ein Essentiale des juristischen Vorganges154, welcher eben darin bestehen soll, daß für den socius eine Quote der hentica an die Stelle der eingebrachten Sachen tritt. Der Zusammenhang eines nicht ästimierten Wertobjekts mit der hentica ist nur ein faktischer, es geht mit Gewinn und Verlust auf besondere Rechnung und erst der bei einer Veräußerung an die Stelle tretende Geldbetrag fällt in die gemeinsame Masse. –
Als Resultat ergibt sich mir – rebus sic stantibus, d.h. bis eine plausiblere Erklärung der sonst schwer verständlichen Sätze des Constitutum Usus gelungen ist, – daß wir hier die vermögensrechtlichen Grundlagen der Kommanditgesellschaft vor uns haben. Alle wesentlichen Requisite derselben sind hier aus- oder doch vorgebildet. Ein »persönlich haftender« Gesellschafter, der tractator155, – ein Komplex von Wertobjekten, welcher dem Zugriff der Privatgläubiger entzogen ist, an welchem während des Bestehens der Gesellschaft die Anteilsrechte der socii zurücktreten und an welchem sie nicht als Gläubiger, sondern als Teilhaber berechtigt sind, damit also ein Sondervermögen, welches der proratarischen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger vorweg dient, – endlich Gesellschafter, welche nur mit ihrer Einlage haften, – das sind alle Merkmale eines wirklichen kommanditären Gesellschaftsvermögens, wenn auch in juristisch noch unvollkommener Gestalt. Unvollkommen besonders deswegen, weil die Existenz des Gesellschaftsvermögens, wenigstens soweit der Inhalt der Quellen ersehen läßt, nach außen erst in der Zwangsvollstrekkungsinstanz zur Erscheinung gelangt; vorher ist nur der tractator Kontrahent, und die mit ihm in Sozietätsgeschäften kontrahierenden Gläubiger haben nur das voraus, daß sie an einzelnen Exekutionsobjekten, – den im obigen Sinne zum Gesellschaftsvermögen gehörigen, absolut privilegiert sind. Das ganze Verhältnis ist rein romanistisch konstruiert, »die Gesellschaft« als solche ist noch nicht als möglicher Kontrahent auf eigene Füße gestellt, die Möglichkeit eines besonderen Konkurses über sie ist wohl unzweifelhaft noch nicht gedacht, das Bestehen des Sondervermögens kommt zur Erörterung vielmehr nach den Quellen nur bei Zwangsvollstreckung bzw. Konkursverfahren gegen denjenigen socius, welcher das Vermögen in Händen hat und verwaltet, den tractator. –