Pisanisches Sozietätsrecht der Familiengemeinschaft
Wir kehren zur Betrachtung des pisanischen Sozietätsrechts zurück.
Denn wir haben noch gewisse Spezialgestaltungen der allgemeinen, oben dargestellten Form der Seesozietät zu erörtern, welche gerade unser Interesse zu erregen geeignet sind und von dem Constitutum Usus in einem besonderen Kapitel: »de societate inter patrem et filium et inter fratres facta«, behandelt werden161.
Die societas maris nämlich erleidet gewisse Modifikationen, wenn eine Sozietät der dargestellten Art zwischen Familiengliedern geschlossen wird, und davon soll jetzt die Rede sein.
Als irrtümlich muß hier namentlich die von Silberschmidt aufgestellte Ansicht bestritten werden, daß die pisanischen Sozietäten gerade aus dem Familienrecht ihren Ursprung genommen haben sollten: – indem nämlich, wenn ein Familienglied, insbesondere ein Haussohn, mit Geld der Familie eine Handelsreise unternahm, sich das Bedürfnis herausgestellt habe, durch Verabredungen, welche alsdann allmählich eine gewisse Usance entwickelt hätten, die Verteilung des Gewinnes zu regeln; diese Usancen seien dann, auch wo derartige Unternehmungen mit dem Gelde eines extraneus gemacht worden seien, zugrunde gelegt worden.
Daß dem nicht so ist und vielmehr umgekehrt die Grundsätze, welche bei der societas maris unter extranei galten, auf den Fall einer Sozietät unter Familienmitgliedern modifiziert angewendet wurden, ergibt vorläufig schon die Fassung des Statuts, welches stets bei Darstellung der societas inter patrem et filium et inter fratres facta auf die bei der societas inter extraneos facta geltenden Rechtssätze als in dubio anwendbar verweist, erstere als einen besonderen Fall der letzteren behandelt, wie jeder Blick in das betreffende Kapitel lehrt. Die zusammenhängende Darstellung wird zeigen, daß diese Fassung dem tatsächlichen Verhältnis entsprach. Vorausgesetzt aber, daß dies der Fall, so enthalten die Sozietäten unter Familiengliedern neben diesen allgemeinen auch speziell ihnen angehörige, modifizierende Elemente, deren Inhalt zu erörtern sein wird, und von welchen es sich fragt, welches ihre Quelle gewesen sein mag.
Zunächst ist festzustellen, daß das rein verwandtschaftliche Element hier bedeutungslos ist. Wenn ein nicht in potestate, d.h. nicht im gemeinsamen Hause befindlicher Sohn oder Bruder mit seinem Vater bzw. Bruder eine societas eingeht, so wird sie als societas extraneorum behandelt162.
Gemeinsame Arbeit auf Grundlage gemeinsamen Haushalts ist auch hier das ökonomische naturale des Familienlebens. Deshalb gibt das Statut dem Vater ein Recht auf die Arbeitsleistung der Söhne in seinem Hause und aus demselben Grunde wird, wenn der Sohn mit Kapital des Vaters den Seehandel betreibt, mangels Abmachungen der Gewinn pro rata geteilt, während wenn der Vater reist, er stets die quarta proficui von dem als Anteil des Sohnes Mitgeführten, »sicut havere esset extranei« bezieht, außerdem aber für sich behält, »totum quod per operam sive alio modo acquisiverit«. Die Arbeitsleistung des Sohnes wird im ersten Fall nicht entgolten, sie gebührt dem Vater ohne weiteres. Der Vater ist in derartigen Fällen naturgemäß stets capitaneus der Sozietät, welche im übrigen ganz den Regeln der societas extraneorum entspricht und bei welcher auch die übliche Art der Gewinnverteilung stipuliert zu werden pflegte.
Die vermögensrechtlichen Konsequenzen der Familiengemeinschaft sind auch hier die uns sonst bekannten, – das Familienvermögen wird nicht als reines Individualvermögen behandelt, es ist zum gemeinsamen Unterhalt aller Beteiligten bestimmt. Der Vater darf deshalb nach dem Statut nicht nach Belieben solche Sozietäten mit den einzelnen Söhnen eingehen, durch welche die übrigen zurückgesetzt würden. Tut er es dennoch, so fällt aller Gewinn daraus ihm, d.h. dem gemeinsamen Vermögen zu. Wenn nun der Vater trotzdem, daß das Vermögen ungeteilt ist, mit den einzelnen Söhnen societates einzugehen überhaupt imstande ist, so muß notwendig auch dem nicht abgeteilten Sohne schon jetzt im Rechtssinn Vermögen überhaupt zustehen, sonst könnte er nichts einwerfen. Der Gedanke liegt nahe, daß – entsprechend dem früher Entwickelten – an dem gemeinsamen Vermögen Konti eröffnet waren, derart, daß, unbeschadet der Geschlossenheit des Gesamtvermögens nach außen, im Verhältnis untereinander das einzelne beteiligte Familienglied auf eigene Rechnung und Gefahr als Unternehmer oder als Partizipant sich am Geschäftsleben beteiligen konnte. Dies findet seine Bestätigung darin, daß nach pisanischem Recht die früher erörterte Abschichtungspflicht des Vaters im Fall eines Delikts des unabgeteilten Sohnes bestand, hiernach also auch in dieser Beziehung der Anteil am gemeinsamen Vermögen das eigene, der Exekution zugängliche Vermögen des einzelnen darstellte. Uns hat der Gedanke einer solchen quotenmäßigen Mitberechtigung in einer Familiengemeinschaft nichts Befremdliches unter Miterben, Brüdern, überhaupt Gleichstehenden, – daß aber auch unter Vater und Söhnen das Verhältnis so gedacht wurde, erscheint uns weniger naturgemäß. Wir finden aber in den dem 14. Jahrhundert angehörigen, unten zu erwähnenden Rechnungen der Peruzzi und Alberti in Florenz, daß in der Tat, auch wo zweifellos ungeteilter Haushalt bestand, die Söhne bei Lebzeiten ihres Vaters neben diesem häufig mit Konti in bestimmter Höhe in der handeltreibenden Familiensozietät beteiligt werden; nach außen hat in dubio der Vater die Familie zu vertreten, – er unterzeichnet den Sozietätsvertrag und macht die Einlage, aber er macht sie in solchen Fällen »per se et filios suos«.
Daß diese Auffassung der Mitrechte der Familienglieder, als quotenmäßiger Anteile am gemeinsamen Vermögen, der Familie einen gewissen Sozietätscharakter gab, ist schon früher hervorgehoben, auch bemerkt, daß diese Behandlungsweise nur entstehen konnte, aber auch entstehen mußte, wo das Kapital der Familie durch Generationen hindurch im wesentlichen Handlungsvermögen war.
Die pisanische societas inter patrem et filium facta birgt, soviel ist aus dem Gesagten zu erkennen, in sich verschiedene Elemente: rein usancemäßige, auf dem Boden des Vertragsrechts erwachsene und solche, welche dem Familienvermögensrecht entstammen und uns das gemeinsame Vermögen von Anteilsrechten der Beteiligten, auch der Haussöhne, beherrscht zeigen, so wie wir dies auch anderwärts, am schroffsten in Unteritalien, fanden. Diese beiden Elemente sind aber zu scheiden, die erstere Kategorie entstammt nicht dem Familienrecht; die Quellen heben immer hervor, daß, wo Vater und Sohn wirkliche socii seien, die societas eine »nominata«, eine ausdrücklich stipulierte sei, anderenfalls tritt die sozietätsmäßige Gewinnverteilung nicht ein, – folglich ist deren Basis eben allein der Vertrag.