Gang der Untersuchung. Verhältnis der wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkte.


Wie im römischen Recht, so bezeichnet nun auch im Mittelalter, namentlich in den italienischen Quellen, der Ausdruck »societas« nicht sowohl ein individuell gestaltetes Rechtsverhältnis, als vielmehr eine allgemeine Kategorie von Verhältnissen, deren gemeinsames Merkmal, bei höchst differenter rechtlicher Struktur, darin besteht, daß, sei es der Gewinn, sei es die Gefahr, oder die Kosten einer Unternehmung, oder mehrere dieser Eventualitäten, auf gemeinsame Rechnung mehrerer gehen sollen. Aus welchem der verschiedenen Vergesellschaftungsverhältnisse die Prinzipien der heutigen offenen Handelsgesellschaft stammen, ist im wesentlichen unsere Frage.

Wir können behufs Lösung derselben nicht einfach von der Form aus, in welcher bei der heutigen offenen Handelsgesellschaft Sachgüter und Arbeitsleistungen kombiniert sind, rückschließend, die wirtschaftlich ähnliche Funktionen versehenden Gebilde des mittelalterlichen Rechts abgrenzen und dann konstatieren, wann unter denselben ein der offenen Handelsgesellschaft ähnliches, historisch auf sie hinabführendes Institut erscheint und uns auf dessen Betrachtung beschränken. Denn wir haben es nicht mit der wirtschaftlichen Seite der Frage zu tun, sondern mit der Genesis von Rechtsgrundsätzen und sind a priori nicht berechtigt zu der Annahme, daß im vorliegenden Fall rechtliche und wirtschaftliche Differenzen von Anfang an annähernd koinzidierten. Es ist vielmehr möglich, daß die maßgebenden Rechtsgrundsätze ursprünglich auf wirtschaftlich weit abliegenden Gebieten entstanden sind und daß die tatsächlichen Verhältnisse, welche durch sie reguliert wurden, sich völlig verändert haben.

Wir müssen daher – übrigens auch der durch den Gegensatz zu gewinnenden Begrenzung wegen – unsere Betrachtung auf die Hauptgruppen der uns rechtshistorisch entgegentretenden Gesellschaftsformen ausdehnen.

Für das Recht sind besonders geartete, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus oft äußerliche Merkmale maßgebend. Gerade diese Eigentümlichkeit der Rechtsbildung ergibt aber, daß da, wo infolge wirtschaftlicher Differenzen äußerlich markante Unterschiede des Tatbestandes hervortreten, wir zu der Vermutung berechtigt sind, daß auch verschiedene und somit gesondert zu betrachtende Rechtsformen zur Entstehung gelangt sein werden. Hiernach bestimmt sich dasjenige Maß wirtschaftlicher Gesichtspunkte, welches in einer Betrachtung wie der folgenden Platz finden darf und soll, und ferner ergeben sich hiernach die Abschnitte der folgenden Erörterung, wie sich zeigen wird, aus der Natur des Gegenstandes von selbst.


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