Trennung der Erwerbsgemeinschaft
Mit dem bloßen Faktum des Aufhörens der häuslichen Gemeinschaft soll nach den alten Grundsätzen die Haftung der Familie aufhören. Allein undenkbar war es, das so zu verstehen, daß die Haftung sich danach richten sollte, ob der Sohn sich dauernd innerhalb oder außerhalb derselben Wohnung mit dem Vater aufhielt. Die wesentliche Seite der Gemeinschaft war ja, das ist schon oft betont, nicht die Verwandtschaft, auch nicht das räumliche Zusammensein, sondern beides nur, weil und soweit damit Wirtschaftsgemeinschaft verbunden war. Der alte gemeinschaftliche Haushalt enthielt eine solche, denn der Haushalt umfaßte in seinem Budget, wie heute bei dem kleinen Mann, alles, was eingenommen und ausgegeben wurde. Wenn es heißt, daß mehrere ad unum panem et vinum stehen, so heißt das in alter Zeit: jeder Erwerb und jede Ausgabe ist in dubio gemeinsam, denn das gesamte wirtschaftliche Gebaren des Handwerkers dreht sich um die leibliche Existenz, um panis und vinum, die italienische Formel für den unentbehrlichen Lebensunterhalt. Der Fabrikant später legt sich sein »Haushaltungsunkostenkonto« an116, für den Familienvater der alten Zeit würde dies Konto in Soll und Haben alles umfassen, was überhaupt durch seine Hände läuft. Demnach kann die Aufhebung der Hausgemeinschaft auch nur als Aufhebung der Erwerbsgemeinschaft rechtliche Bedeutung haben. Wirtschaftet der Sohn außerhalb des elterlichen Hauses für gemeinschaftliche Rechnung mit dem Vater, so ist er noch socius panis et vini mit ihm im alten Sinne. Lebt er im Hause des Vaters und wirtschaftet nicht gemeinschaftlich mit ihm, so ist er trotz der gemeinsamen Behausung nicht socius panis et vini des Vaters117. Mithin muß unter Trennung des Haushalts Trennung der Erwerbsgemeinschaft verstanden werden, der Vater hat sich mit dem Sohn auseinanderzusetzen. Was konnte aber unter dieser Auseinandersetzung verstanden sein? Der Form nach verlangen die Statuten meist carta publica. Aber auch materialle Erfordernisse sind vorhanden. Der Vater hat bei der Auseinandersetzung den Sohn abzuteilen, und zwar mit der »legitima pars«, dem dem Sohne » zukommenden« Teil. Es gibt also einen solchen und zwar ist es nach den oberitalischen Statuten offenbar in dubio ein voller Kopfteil118:
Piacenza, Capit. de fugitivis a. 1341, Zusatz von 1350: der Vater muß für den Sohn solidum zahlen oder »ipsi filio obligato assignare partem legitimam omnium bonorum suorum ... super qua quatenus attigerit creditor solucionem suam consequatur«.
Nur diese datio partis gilt als reale Abschichtung des Sohnes und unzweideutig wird dies von den Statuten als Konsequenz des latenten Anteilsrechts des Sohnes aufgefaßt119. Der uns und schon der romanistischen Auffassung der zeitgenössischen Jurisprudenz120 fast haarsträubend erscheinende Satz, daß der Sohn, wenn sein Vater ihm eine selbständige Wirtschaft überweist, seinen Anteil schon bei Lebzeiten des Vaters verlangen kann, gilt als so selbstverständlich, daß diejenigen Statuten, welche – wohl unter romanistischem Einfluß, ihn nicht anerkennen, ihn ausdrücklich ausschließen121. Gerade daß uns dieser Satz haarsträubend erscheinen will, zeigt den Niederschlag der großen Wandlung, welche unsere sozialen und wirtschaftlichen Anschauungen erlitten haben, auf das Güterrecht der Familien. Die Würdigung des Satzes nach dieser Seite gehört nicht hierher. Aber das geht mit Sicherheit aus dem Gesagten hervor, daß eine solche Regelung nur da Platz greifen konnte, wo die Anschauung, daß auch der unselbständige Haussohn anteilsberechtigter Genosse sei und an sich seine Kontrakte das Vermögen der Familie belasten, im Rechtsbewußtsein lebendig war. Zugleich sehen wir auch die praktischen Grundlagen der Bedeutung der sog. »emancipatio legis Saxonicae« in anderem Lichte. Die Abschichtungspflicht als Konsequenz der Trennung des Haushalts war übrigens sicherlich auch ein starkes Motiv für Aufrechterhaltung der Gemeinschaft.
Die Statuta communis Vicentiae vom Jahre 1264 lib. III in der Rubrik: »quod dominus teneatur pro servo et pater pro filio« zeigen uns auch ferner, daß der Hausdiener auch hinsichtlich der Legitimation zur Verpflichtung seines Herrn dem Haussohn gleichgestellt war, und dies, nicht aber, wie die romanistische Jurisprudenz annahm, das Institorat oder eine » vermutete Vollmacht«, ist die historische Grundlage der gesetzlichen Verpflichtungsmacht der famuli und factores und der heutigen »Handlungsbevollmächtigten« und -Gehilfen.
Außerdem aber sehen wir an diesem eigentümlichen Institut der Ausschichtungspflicht – und damit kommen wir auf die oben gestellte Frage zurück: wie das Problem der Einschränkung der Haftung der Gemeinschaft für Schulden der Genossen von den Statuten gelöst worden ist? – daß es Fälle gab, in welchen diese Beschränkung tatsächlich in der Weise herbeigeführt ist122, daß nur die Quote, man kann mit Rücksicht auf das früher über den Sozietätscharakter der Familiengemeinschaft Bemerkte sagen: nur die Einlage des Genossen, das Kapital, welches er in der Gemeinschaft stecken hat, der Betrag, mit welchem er an derselben interessiert ist, den Gläubigern haftet. So ist es hier mit dem Anteil des Haussohnes am väterlichen Vermögen, nur diesen Anteil belasten seine Schulden. Daß andererseits diese Art der Regelung nicht allgemein auf die von uns besprochenen Gemeinschaften angewendet wurde, sahen wir bereits. Die volle Haftung ist, wie sie die ursprüngliche Konsequenz war, so auch später beibehalten worden und wir haben auch ferner bereits konstatiert, daß gerade das Handelsrecht sie beibehielt. Wir werden dementsprechend annehmen, daß die alten Haftungsprinzipien gerade für Gemeinschaften und für Obligationen, welche sich auf einen unter das Handelsrecht fallenden Geschäftsbetrieb beziehen, fortbestanden. Damit kommen wir auf den wichtigen Gegensatz von Geschäftsgläubigern und Privatgläubigern. Wo wurde die Grenze zwischen Schulden, welche die Gemeinschaft und alle Genossen belasten, und solchen, welche nur eine Verhaftung des eigenen Vermögens des kontrahierenden Genossen, in Verfolg derselben eine Ausschichtung seines Anteils aus der Gemeinschaft herbeiführten, gezogen, nachdem wir beides als mögliche Rechtsfolge der Obligationen eines Genossen konstatiert haben?