Die solidarische Haftung der socii
Schon in den frühesten uns bekannten Florentiner Rechtsquellen ist die Regelung der Haftung der Genossen dahin fortgeschritten, daß nicht alle beliebigen Schulden eines socius, sondern nur gewisse Kategorien, die Sozietätsschulden, zur solidarischen Haftung führen sollen, und die nächste legislatorische Frage ist nun, welches Kriterium dafür aufzustellen sei, ob eine Schuld Sozietätsschuld ist oder nicht.
Die Generalis balia von 1309 macht die socii haftbar für Schulden, »in quantum socios tangeret«, insoweit eine Schuld sie »angeht«. Was aber geht sie an? Dafür mußte ein im Verkehr praktikables Merkmal gegeben werden.
Von Anfang an hat hier die Buchführung Bedeutung gewonnen. Wie wir schon bei der societas maris die Notwendigkeit besonderer Buchung des Sozietätsgutes betonten, so und noch mehr war hier eine gesonderte Buchführung über den Geschäftsbetrieb unentbehrlich. Das Bestehen einer solchen ergeben auch die bisherigen Publikationen aus den Büchern der Alberti und Peruzzi188. Schon die Statuten von 1324 bestimmen nun:
»Et quicunque recipere debet aliquam pecuniae quantitatem adscriptam alicujus libri societatis alicujus quilibet sociorum et obligatur in solidum.« Ebenso das Statut der Arte di Calimala I 88:
»a pagare tutti e ciascuno debiti, i quali egli overo alcuno de' suoi compagni fosse tenuto di dare ad alcuna persona i quali debiti fossono scritti nel libro della loro compagnia.«
Und die Statuta mercatorum von 1393:
»Si vero aliquis ... promissionem fecerit etiam ignorante ... socio ... et ratio talis debiti ... reperiretur descripta in aliquo libro ydoneo talium sociorum ... quilibet talium sociorum sit ... in solidum obligatus.«
Dieser Grundsatz geht also durch.
Allein naturgemäß konnte er nicht ausreichen. Die Haftung Dritten gegenüber, ein Recht des Gläubigers, konnte nicht von der Buchungsart des Schuldners allein abhängig gemacht werden. Die Buchung hat die Natur eines Beweismittels. Neben diesem akzidentellen Kennzeichen mußte es ein essentielles geben: es kam eben darauf an, welche Schulden zu Lasten der Sozietät zu buchen waren.
Handelte es sich, wie in den früheren, kleinen Verhältnissen, um den Geschäftsbetrieb von einem Kaufladen aus, so war der Abschluß im Laden oder vom Laden aus das von selbst gegebene Kennzeichen. Im späteren und Großverkehr kam dies nicht in Frage. Während eine Stelle (Rubr. 14) des Tractatus de cessantibus et fugitivis die officiales entscheiden läßt, ob eine Schuld der societas vorliegt oder nicht, wird schon in einer (bei Lastig abgedruckten) Stelle der Statuten von 1324, in den späteren Redaktionen, und in dem Statuto dell' Arte di Calimala das einfache Kontrahieren eines socius mit der Erklärung, er kontrahiere namens der Sozietät, für genügend zur Verpflichtung der socii nach außen erachtet und neben der Eintragung in die Bücher der Sozietät als genügendes Fundament für den Anspruch des Gläubigers gegen die socii hingestellt. Die spätere Form dieses »asserere se facere pro se et sociis suis« ist das Kontrahieren unter der Firma, wie die Statuti della honoranda università de' mercatanti von Bologna von 1509 (fol. 67) zeigen; nach denselben beschränkt sich die Haftung der socii für einander aus Wechseln auf die beiden den hier erwähnten entsprechenden Fälle, daß entweder I. der Gläubiger die Eintragung der Schuld in die Bücher der Sozietät nachweist, oder 2. auf dem Wechsel der »proprio e usato nome della compagnia« gebraucht ist. Letzteres entspricht mithin dem Kontrahieren »pro se et sociis suis« hier.
Auch in Florenz also finden wir die Grundlagen des späteren Kontrahierens unter der Firma der Gesellschaft als rein formalen Kennzeichens der Sozietätsobligationen. Allein doch nur recht unentwickelt. Einmal ist der Begriff der Firma weit entfernt, ein feststehender zu sein. Es heißt in den Statuten: » asserendo.. se facere pro se et s o c i i s suis.« Zunächst also: wer sind seine socii, nachdem das Merkmal des gemeinsamen Haushalts oder der gemeinsamen taberna nicht mehr ausreichte? Die einfache Definition: diejenigen, welche mit ihm unter einer Firma ein Geschäft betreiben189, fehlt noch. Während die Statuten von 1324 und 1355 die »publica fama ipsos socios esse«, d.h. wohl: den Umstand, daß die Betreffenden sich nach außen so geriert haben, wie socii, entscheiden läßt, geben die späteren Redaktionen ein Merkmal überhaupt nicht an.
Dann aber war man – wohl zum Teil unter dem Einfluß der romanistischen Theorie – ängstlich mit der Abstellung der Solidarhaft rein auf die Erklärung des kontrahierenden socius, daß er für die Sozietät kontrahiere, und verlangte deshalb die Einwilligung eines oder mehrerer socii zur Wirksamkeit des Kontrakts gegen die Sozietät190. Derartige, sich in den Statuten findende Bestimmungen sind nicht etwa Reste einer früheren beschränkteren Geltung der Solidarhaftung, sondern eine spätere Einschränkung rechtspolizeilicher Natur191, welche etwa auf dem gleichen Brett steht mit der Bestimmung des Stat. dell' Arte di Calimala192, daß von Amts wegen darauf zu halten sei, daß ins Ausland reisenden socii eine unbeschränkte urkundliche Vollmacht seitens der Sozietät gegeben werde; damit ist die Legitimation des socius zur Verpflichtung seiner socii nicht erst geschaffen, sondern nur dem Sicherheitsbedürfnis des internationalen Verkehrs Rechnung getragen. Die Statuta mercatorum von 1393 und die in die Statutensammlung von 1415 übergegangene Redaktion haben jene Beschränkungen wieder fallen lassen. Sie verlangen nur, daß »talis contractus esset vel fuisset de aliqua vel super aliqua re spectanti et pertinenti ad societatem seu trafficum hujusmodi sociorum«, überlassen also die Art, wie dies festgestellt werden soll, dem Richter; es muß sich nur um ein zum Betriebe der Sozietät gehöriges Geschäft handeln.
Damit ist diese Entwicklung für Florenz abgeschlossen, die definitive Feststellung des Grundsatzes, daß, wer zur Firma gehört, »cujus nomen expenditur«, haftet für die namens der Firma abgeschlossenen Geschäfte, gehört der früher skizzierten internationalen Entwicklung an.
Wenn nun also nur gewisse von einem socius kontrahierte Schulden das Sozietätsvermögen belasten, so ist das Korrelat, daß also die übrigen Schulden des socius dasselbe unberührt lassen. Diese Konsequenz zieht –, und damit ist das Sondervermögen definitiv konstituiert, – das Statuto dell' Arte di Calimala in folgender Stelle (I c. 56):
Wenn ein socius obligiert ist, »in sua specialità a suo nome per carta o per scrittura di sua mano secondo che è principale, o per mallevadore, ove non si faccia menzione della compagnia della quale fosse compagno, fattore overo discepolo ... sia costretto cotale obligato nella sua persona e ne' suoi beni solamente ... niuno di quella compagnia possa essere costretto nè molestato ... veramente si ... avesse alcuni beni in quella compagnia, sia tenuto la compagnia di rispondere interamente di quelli beni per tale obligato e conviuto.«
Die Art der Regelung in dem am Schluß gedachten Falle, durch Ausschichtung des socius, wurde schon erwähnt. Ob über das Gesellschaftsvermögen ein besonderer Konkurs möglich ist, wird nirgends gesagt, es ist an eine solche Möglichkeit schwerlich gedacht. Machte eine Sozietät Bankrott, so werden die Privatgläubiger schwerlich dem Konkurse fern geblieben sein und das Privatvermögen der socii ist jedenfalls unmittelbar mit von dem Konkurse ergriffen worden. Die Rechte der Gesellschaftsgläubiger am Sondervermögen treten dann, wie sie noch Fierli193 schildert, als Recht auf vorzugsweise Befriedigung aus dem »sportello« in die Erscheinung. Wo die Quellen von dem finanziellen Sturz großer Gesellschaften sprechen, so dem der Scali 1326 und der Bardi, Peruzzi u.a. 1345194, behandeln sie die Compagnia als den Falliten und sagen, daß dieselbe für »cessante e fugitiva« erklärt wurde.