Der Capitaneus


Wir finden142 die societas maris ausführlich erörtert und insbesondere den von Genua her bekannten Normalfall in derjenigen species, welche als »societas inter stantem et in aliquod tassedium euntem« bezeichnet wird, die Assoziation eines Exporteurs mit einem tractator, mit Gewinnteilung halb und halb, falls der stans 2/3, der tractator 1/3 zusammenschießen. Dieses Anteilverhältnis und im andern Fall die quarta proficui sind auch hier naturalia negotii.

In Genua konnte nun, wie wir sahen, im einzelnen Fall, wirtschaftlich betrachtet, entweder der tractator nur ein abhängiges Organ des stans, oder ersterer der eigentliche Unternehmer, der stans aber wesentlich nur partizipierender Kapitalist sein. Auch in Pisa dient dieselbe Rechtsform beiden Tatbeständen, jedoch ist in dem Begriff der Kapitanie dieser Unterschied auch juristisch zur Geltung gekommen.

Capitaneus143 ist – dem Wortsinn entsprechend – derjenige socius, welchen wir oben als »Chef« des Geschäfts, als den tatsächlichen Unternehmer bezeichnet haben. Nach dem Constitutum Usus kann sowohl der stans als der tractator »capitaneus« sein.

Derjenige nun, welcher es ist, hat die Disposition über das Unternehmen in seiner Gesamtheit, insbesondere darf ein socius, welcher nicht capitaneus ist, von dem Unternehmen nicht nach eigenem Ermessen zurücktreten, der stans nicht seine Einlage zurückziehen, der tractator nicht die Reise unterlassen, während der capitaneus – vorbehaltlich wohl des Ersatzes des dem anderen nachweislich entstehenden Schadens – dazu offenbar befugt war. Es ist dies in der Tat der entscheidende Punkt, die übrigen Differenzen ordnen sich dem unter. Capitaneus ist also derjenige, welcher nach der Absicht des Sozietätsvertrages die Verwaltung als Ganzes führt, – die vertragsmäßigen Rechte der anderen socii sind demgegenüber spezielle Befugnisse. Dies kommt angemessen auch darin zum Ausdruck, daß, wenn der stans capitaneus ist, der tractator nicht ohne Erlaubnis noch andere Kommenden für dieselbe Reise für seine Rechnung übernehmen kann; – tut er es, so fällt, falls er eigenes Gut mitnimmt, 1/4 des lucrum, nimmt er aber von dritten kommendiertes Gut mit, aller daraus gezogene Gewinn in die societas144. Im entgegengesetzten Fall gilt als selbstverständlich, daß der tractator an seinem Unternehmen sich beteiligen lassen kann, soviel Personen er will, und er nur145 auf denjenigen Mindererlös haftet, der sich dadurch ergibt, daß er weniger Kapital in die Unternehmung verwendet hat, als er nach dem Kontrakt sollte.

Im allgemeinen, mangels besonderer Abmachung des Gegenteils, gilt nach dem Statut der tractator als capitaneus146 – es ist also auch hier schon die oben im allgemeinen erörterte Entwicklung dahin gegangen, daß der socius stans in der Regel als ein Kapitalist aufzufassen ist, welcher sich mit einer Einlage an einem fremden Unternehmen beteiligt. Dies ist um so mehr der Fall, als nach dem Constitutum Usus es die Regel ist, daß bei einer Unternehmung ein tractator mehreren stantes gegenübersteht. Diese mehreren »socii ejusdem hentice«147 und ihr Verhältnis untereinander, besonders die Verteilung des Gewinns und der Gefahr unter sie, wird von dem Constitutum Usus ausführlich erörtert. Wir fanden das Verhältnis bereits in Genua und, in eigentümlicher Ausbildung, in Piacenza. An letzterem Ort insbesondere konstatierten wir, daß hier die mehreren Kommendanten noch als die eigentlichen Unternehmer zu gelten hatten. Der jedesmalige tractator stellt nur ihr gemeinsames, aus ihrer Mitte genommenes Organ dar. So kann das Verhältnis auch nach dem Constitutum Usus liegen, und es ist dieser Fall sogar besonders breit in dem Kapitel über die societas inter extraneos facta behandelt. Es ist dann einer der socii stantes der capitaneus der Gesellschaft, der tractator ist von ihm abhängig148, an ihn erfolgt die Rechnungslegung, er liquidiert die Sozietät nach Beendigung der Seefahrt. Indessen, wie das Statut selbst sagt, ist es keineswegs die Regel, daß ein socius stans capitaneus ist. Ist es aber der tractator149, so muß umgekehrt er Liquidator der Gesellschaft sein und ist, wie schon gesagt, an eine Anweisung der stantes nicht gebunden – eventuell natürlich schadenersatzpflichtig –, die stantes sind vielmehr ihrerseits verpflichtet, ihm die einmal gemachte Einlage zu belassen. Immerhin150 stehen ihnen auch hier weitgehende Kontrollrechte zu, auch der Gedanke, daß sie grundsätzlich die Unternehmer waren, ist nicht ganz erloschen, insbesondere scheint man die Vindikation bzw. Bereicherungsklage der stantes gegen dolose Besitzer vom tractator unredlicherweise veräußerter Sozietätssachen, also eine Wirkung der Verfügungsbeschränkung des tractator auch gegen dritte, zugelassen zu haben.

Die Hauptfrage für uns ist auch hier – einmal: wie steht es mit dem Vermögensrecht dieser societas, besteht ein gesellschaftliches Sondervermögen? und falls ja, können wir in dieser Vermögensentwicklung die Grundlage der Ausbildung der offenen Handelsgesellschaft finden? – In der Tat ist nun zu bemerken, daß das Constitutum Usus Rechtssätze enthält, welche in ähnlicher Weise wie in Genua, nur ungleich klarer und bewußter, den durch die Einlagen der socii gebildeten Fonds, die »hentica«, einem Sonderschicksal unterwerfen.


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