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III. [Das Geld als eine Substanziierung der allgemeinen Seinsform, nach der die Dinge ihre Bedeutung an einander, in ihrer Gegenseitigkeit, finden]

 

Dies ist die philosophische Bedeutung des Geldes: daß es innerhalb der praktischen Welt die entschiedenste Sichtbarkeit, die deutlichste Wirklichkeit der Formel des allgemeinen Seins ist, nach der die Dinge ihren Sinn aneinander finden und die Gegenseitigkeit der Verhältnisse, in denen sie schweben, ihr Sein und Sosein ausmacht.

Es gehört zu den Grundtatsachen der seelischen Welt, daß wir Verhältnisse zwischen mehreren Elementen des Daseins in besonderen Gebilden verkörpern; diese sind freilich auch substanzielle Wesen für sich, aber ihre Bedeutung für uns haben sie nur als Sichtbarkeit eines Verhältnisses, das in loserer oder engerer Weise an sie gebunden ist. So ist der Ehering, aber auch jeder Brief, jedes Pfand, wie jede Beamtenuniform Symbol oder Träger einer sittlichen oder intellektuellen, einer juristischen oder politischen Beziehung zwischen Menschen, ja, jeder sakramentale Gegenstand das substanziierte Verhältnis zwischen dem Menschen und seinem Gott; die Telegraphen drahte, die die Länder verbinden, sind nicht weniger als die militärischen Waffen, die ihre Entzweiung ausdrücken, derartige Substanzen, die kaum eine Bedeutung für den Einzelmenschen als solchen, sondern einen Sinn nur in den Beziehungen zwischen Menschen und Menschengruppen haben, die in ihnen kristallisiert sind. Gewiß kann die Vorstellung der Beziehung oder des Verhältnisses schon als eine Abstraktion gelten, insofern nur die Elemente real sind, deren wechselseitig bewirkte Zustände wir so zu eignen Begriffen zusammenfassen; erst die metaphysische Vertiefung, die das Erkennen in seiner empirischen Richtung, aber über seine empirischen Grenzen hinaus verfolgt, mag auch diese Zweiheit aufheben, indem sie überhaupt keine substanziellen Elemente mehr bestehen läßt, sondern jedes derselben in Wechselwirkungen und Prozesse auflöst, deren Träger demselben Schicksal unterworfen werden. Das praktische Bewußtsein aber hat die Form gefunden, um die Vorgänge der Beziehung oder der Wechselwirkung, in der die Wirklichkeit verläuft, mit der substanziellen Existenz zu vereinigen, in die die Praxis eben die abstrakte Beziehung als solche kleiden muß. Jene Projizierung bloßer Verhältnisse auf Sondergebilde ist eine der großen Leistungen des Geistes, indem in ihr der Geist zwar verkörpert wird, aber nur um das Körperhafte zum Gefäß des Geistigen zu machen und diesem damit eine vollere und lebendigere Wirksamkeit zu gewähren. Mit dem Gelde hat die Fähigkeit zu solchen Bildungen ihren höchsten Triumph gefeiert. Denn die reinste Wechselwirkung hat in ihm die reinste Darstellung gefunden, es ist die Greifbarkeit des Abstraktesten, das Einzelgebilde, das am meisten seinen Sinn in der Übereinzelheit hat; und so der adäquate Ausdruck für das Verhältnis des Menschen zur Welt, die dieser immer nur in einem Konkreten und Singulären ergreifen kann, die er aber doch nur wirklich ergreift, wenn dieses ihm zum Körper des lebendigen, geistigen Prozesses wird, der alles Einzelne ineinander verwebt und so erst aus ihm die Wirklichkeit schafft. Diese Bedeutung seiner würde sich nicht ändern, auch wenn die Gegenstände der Wirtschaft die Relativität ihres Wertes nicht von vornherein, sondern erst als ein Entwicklungsziel besäßen. Denn den Begriff, mit dem wir das Wesen einer Erscheinung definieren, können wir häufig gar nicht aus ihr selbst, sondern nur aus einer vorgeschritteneren und reineren schöpfen. Das Wesen der Sprache werden wir nicht den ersten Stammellauten des Kindes entnehmen; an einer Definition des tierischen Lebens wird es uns nicht irre machen, wenn sie an den Übergangswesen von der Pflanze her nur sehr unvollkommen verwirklicht ist; erst an den höchsten Erscheinungen des Seelenlebens erkennen wir oft den Sinn seiner niederen, trotzdem wir ihn an diesen selbst vielleicht überhaupt nicht nachweisen können; ja, der reine Begriff einer Erscheinungsreihe ist oft ein Ideal, das in ihr selbst nirgends restlos verwirklicht ist, aber dennoch dadurch, daß sie ihm zustrebt, ihren Sinn und Gehalt gültig deutet. So ist die Bedeutung des Geldes: die Relativität der begehrten Dinge, durch die sie zu wirtschaftlichen Werten werden, in sich darzustellen - dadurch nicht verneint, daß es noch andere, jene herabsetzende und verundeutlichende Seiten besitzt. Insofern diese an ihm wirken, ist es eben nicht Geld. Wenn der wirtschaftliche Wert in dem Tauschverhältnis von Objekten gemäß unserer subjektiven Reaktion auf sie besteht, so entwickelt sich eben ihre wirtschaftliche Relativität erst allmählich aus ihrer anderweitigen Bedeutung und kann in ihrem Gesamtbilde, oder auch Gesamtwerte, nie völlig über diese Herr werden. Der Wert, der den Dingen durch ihre Tauschbarkeit zuwächst, bzw. diese Metamorphose ihres Wertes, durch die er zu einem wirtschaftlichen wird, tritt zwar mit der extensiven und intensiven Steigerung der Wirtschaft immer reiner und mächtiger an den Dingen hervor - eine Tatsache, die Marx als das Ausgeschaltetwerden des Gebrauchswertes zugunsten des Tauschwertes in der warenproduzierenden Gesellschaft ausdrückt -, aber diese Entwicklung scheint nie zu ihrer Vollendung kommen zu können. Nur das Geld, seinem reinen Begriff nach, hat diesen äußersten Punkt erreicht, es ist nichts als die reine Form der Tauschbarkeit, es verkörpert das Element oder die Funktion an den Dingen, durch die sie wirtschaftliche sind, die zwar nicht ihre Totalität, wohl aber die seine ausmacht. Inwieweit nun die historische Verwirklichung des Geldes diese Idee seiner darstellt, und ob es nicht in jener noch mit einem Teil seines Wesens nach einem anderen Zentrum gravitiert - sollen die Untersuchungen des nächsten Kapitels darstellen.

 


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