Analyse von Gleichnissen

(1915)


Gleichnisse der Patienten - Konzentration und Verdrängung -Funktionen der Zensur - Aktion und Hemmung - Die Lust am Gleichnis  

 

Viele Patienten haben die Neigung, ihre Ideen und Einfalle durch Gleichnisse zu erläutern. Es sind oft wenig passende, ›bei den Haaren herbeigezogene‹ Analogien zu dem, was der Patient zu verdeutlichen sucht, sehr oft sind aber die Gleichnisse wirklich treffend, geistreich oder witzig. Ich finde, daß diese Produktionen des Analysierten besondere Aufmerksamkeit verdienen und daß sie oft einen direkten Zugang zum verborgenen psychischen Material gestatten. Ich möchte das an einigen Beispielen zeigen und wähle dazu die Gleichnisse einiger Patienten, die nicht müde werden, den Eindruck, den sie vom Fortgang der Analysenarbeit bekamen, mit Bemerkungen zu begleiten. Es sind also Gleichnisse zur Psychoanalyse.

»Die Analyse ist langweilig,« — sagt ein Patient, - »sie gleicht der mühseligen Arbeit, mit der man Mohnkörner von Reiskörnern sondert.«  

Die Wahl dieses Gleichnisses war nicht zufällig, das ›Körnersuchen‹ führte direkt zu Kinderszenen aus dem Leben des - infantil fixierten - Patienten.

»Die Analysenarbeit ist wie das Schälen von Hülsenfriichten« - sagte ein anderer Patient. - »Man wirft die Schalen weg und behält die Bohnen.« Die Analyse dieses Einfalles führte tiefer. Der Patient erinnerte, daß er als Kind die kleinen Kotstücke, die seine Schwester ausschied, Bohnen nannte. Von dieser Erinnerung eröffnete sich ein Weg zur Analerotik des Patienten.

»Ich finde den Unterschied zwischen Hypnose und Analyse so: die Hypnose ist wie der Pracker, der den Staub in die Kleider noch tiefer hineinschlägt, die Analyse aber ist wie der Vacuum-Cleaner, sie saugt die Symptome heraus.« Dieser ausgezeichnete Vergleich ist dem bekannten Vergleich Freuds1), der die Hypnose und Analyse mit den von Leonardo charakterisierten Arten der Malerei- und Bildhauereitechnik vergleicht, an die Seite zu stellen. Vom Standpunkt des homosexuell-masochistischen Patienten hatte aber sowohl der Vergleich mit dem Schlagen als der mit dem Saugen auch eine rein persönlich-historische Bedeutung, die dann die Analyse aufdeckte.

»Die Analyse ist wie eine Wurmabtreibungskur«, - sagte ein Patient, -»man mag noch so viele Wurmglieder abtreiben, solange der Kopf drin bleibt, hat man gar nichts davon.« Ich glaube nicht, daß die Tendenz der psychoanalytischen Therapie je treffender gekennzeichnet worden wäre. Die Symptome sind wirklich nur entfernte ›Glieder‹ einer psychischen Organisation, die ihren Kern, ihren ›Kopf‹, aus dem sie ihre Kraft saugt, im Unbewußten hat; solange nicht auch der Kopf ans Licht gebracht ist, muß man mit dem Wiedererscheinen der - zeitweilig vielleicht beseitigten - Symptomglieder rechnen. Für die Zwecke der Analyse des Patienten mußte aber dieser Vergleich zur Klarlegung analer Kleinkindererfahrungen verwertet werden. Dieses Gleichnis enthielt übrigens auch die richtige Vorahnung, daß seine Kur vor dem Ende abgebrochen werden wird, und zwar aus Geldrücksichten. Den analen Kopf seines Neurosenwurms ließ sich der Patient nicht nehmen.

»In der Analyse ist mir zumute wie einem eingefangenen wilden Tier in seinem Käfig.«  

»Ich fühle mich wie ein Hund, der vergeblich an der Kette zerrt.«  

»Die Deutungen, mit denen Sie meine Einfalle begleiten, bringen mich in die Lage eines von Flammen umgebenen Skorpions; wo immer ich hin will, werde ich vom Feuer Ihrer Aussagen gesengt; ich muß am Ende Selbstmord begehen.«  

Diese drei Gleichnisse rühren von einem Patienten her, dem ich den besonders aggressiven Hintergrund seiner manifesten Rührseligkeit und Milde vergeblich nachzuweisen suchte. Daß er sich aber in diesen und vielen anderen Vergleichen gerade mit wilden, bissigen und giftigen Tieren verglich, mußte ich als Bestätigung meiner Annahmen deuten.

Manchmal kann man hinter einer scheinbar aufs Geratewohl gewählten Metapher Bedeutsames vermuten, so bei der Patientin, die ihren Seelenzustand mit den Worten charakterisierte: »Mir ist, als wäre ein Fleck auf meiner Seele.« Dieser Fleck konnte nicht metaphorisch, sondern in der ursprünglichen Bedeutung genommen werden. Natürlich war der Fleck nicht auf der ›Seele‹.

»Schwere Geburt!« sagte ein Patient kölnisch, als wir keine Fortschritte in der Analyse machten. - Er wußte nicht, daß die Wahl dieses Ausdrucks von der schweren Geburt seiner eigenen Frau bestimmt war. Wegen dieser schweren Geburt durfte er nicht mehr an Nachkommenschaft denken, obzwar sein Erstgeborener inzwischen gestorben war.

»Sie kommen mir vor wie ein Farmer, der sich auch an den dunkelsten Stellen meines Seelenurwaldes auskennt« - sagte ein anderer Patient. Das Material zu diesem ziemlich gezwungenen Vergleich lieferten natürlich die eigenen juvenilen Robinson-Phantasien.

Bei der Analyse dieses letzteren Vergleiches muß man nebst der lebens-geschichtlichen auch an die Mitwirkung tieferer symbolischer Determinanten denken. Wenn wir berücksichtigen, daß der Vergleich von einem Patienten herrührt, dessen sexuelle Minderleistung auf narzißtisch-homosexuelle Fixierung zurückzuführen war, darf man seinen Ausspruch als Zeichen der Übertragung auf den Arzt, und die ›dunklen Stellen seines Seelenurwaldes‹ sexualsymbolisch auffassen.

Viel deutlicher spricht die Symbolik aus folgenden Gleichnissen anderer Patienten:

»Die Analyse ist wie das Gewitter, das die Algen vom Meeresgrunde aufpeitscht.« (sic!)

In Zusammenhang mit dem schon vorher Bekanntgewordenen mußte ich dieses Bild von unbewußten Geburtsphantasien der Patientin ableiten.

»Ich kann mich mit dieser Kur, wo man den Patienten allein läßt und seinen Einfällen nicht nachhilft, nicht befreunden. Die Analyse bohrt einfach in die Tiefe und hofft, daß das Verborgene, wie ein artesischer Brunnen, von selbst in die Höhe springen wird; wo aber der innere Druck so gering ist, wie bei mir, müßte man mit einem Pumpwerk nachhelfen

Zum Verständnis des Sexualsymbolischen in diesem Gleichnis genügt die Angabe, daß es sich um einen Patienten mit ungewöhnlich starker Vaterfixierung handelte, der seine Gefühle auch auf den Arzt übertrug.

Ein Patient erzählt, daß er beim Festmahl nach der Hochzeit seiner Schwester in einem Trinkspruch an seinen neuen Schwager folgende Ansprache richtete:

»Deine edlen Gedanken, wenn sie erst durch die Retorte deiner Gattin durchgegangen sind, werden noch edler herauskristallisieren

Besonders da dieses Gleichnis aus Anlaß einer Hochzeit geprägt wurde, muß es auf jeden Zuhörer als Anspielung auf sexuelle und Geburtsortgänge gewirkt haben. Nur der Redner selbst wußte von dieser Tendenz nichts.

»Wenn es Ihnen gelingt, zu meinen unbewußten Gedanken durchzudringen, dann sind Sie in meinen Augen wie der Held, der das eherne Tor Konstantinopels mit einem Keulenschlag einbrach

Zur Erklärung des Gleichnisses möge dienen, daß die Symptome und die Träume des Patienten — obzwar er selbst nichts davon wissen will — auf eine starke sadistische Komponente der Sexualkonstitution schließen lassen.

 

1) Vgl. ›Über Psychotherapie‹, G. W. V, S. 17.


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Seite zuletzt aktualisiert: 03.01.2005 
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