Aktion und Hemmung
Nebst dieser rein ›ökonomischen‹ Beschreibung des Prozesses kann man sich aber auch über die Dynamik der vermuteten Energieverschiebung bei der Konzentration eine Vorstellung machen. Das Mystische und Unerklärliche, das in jedem Willens- oder Aufmerksamkeitsakte immer noch drin steckt, schwindet zum größten Teil, wenn wir uns zu folgender Annahme entschließen: Das Primäre beim Aufmerksamkeitsakt ist die Hemmung aller Akte mit Ausnahme der intendierten. Wenn alle Wege, die zum Bewußtsein führen, mit Ausnahme eines einzigen, gesperrt werden, so fließt die psychische Energiebesetzung spontan und ohne daß hiezu eine eigene ›Anstrengung‹ nötig wäre (was überdies auch unvorstellbar wäre), in die einzige, offengelassene Richtung. Will ich also etwas aufmerksam anschauen, so tue ich das, indem ich alle Sinne mit Ausnahme des Gesichtssinnes vom Bewußtsein absperre; die gesteigerte Aufmerksamkeit für optische Reize kommt dann von selbst zustande, gleichwie die Steigerung des Flußniveaus von selbst zustande kommt, wenn die mit ihm kommunizierenden Kanäle abgesperrt werden. Ungleiche Hemmung ist also das Wesen jeder Aktion; der Wille ist nicht wie die Lokomotive, die auf den Schienen dahinbraust, sondern er gleicht mehr dem Weichensteller, der vor der an sich qualitätslosen Energie - der eigentlichen lokomotorischen Kraft - alle Wege mit Ausnahme eines einzigen verschließt, so daß sie den einzigen offengebliebenen befahren muß. Ich vermute, daß dies für alle Arten von ›Aktionen‹, also auch für die physiologischen gilt, daß also die Innervation einer bestimmten Muskelgruppe eigentlich nur aus der Hemmung aller Antagonisten resultiert. - Die psychische Konzentration auf die Gleichnisbildung ist also nur möglich durch die und infolge der Hemmung des Interesses (Gleichgültigkeit) gegen alles andere, u. a. auch gegen das sonst Verdrängte, das dann die Gelegenheit dazu benützt, sich zur Geltung zu bringen.