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Der grüne Postillon

Seit einiger Zeit hat die preußische Akademie der Künste eine Sektion für Dichtkunst. Man kann ihre Notwendigkeit bezweifeln. Sogar ihre Möglichkeit. Nicht bezweifeln aber kann man: welches immer ihre Aufgabe sei, sie kann sie nur in Angriff nehmen auf Grund ihres Prestiges als repräsentative Vertretung der deutschen Dichter. Von Staats wegen ist wenig geschehen, um ihr dieses Prestige zu sichern. So wahr der verdienstvolle Kultusminister Becker kein Richelieu ist, so wahr konnte er sie mit Autorität nicht bekleiden. Sie muß sie sich selber schaffen von Anfang an. Die Einsichtigen – zu denen die »Literarische Welt« gezählt werden darf – waren willens, einem solchen Beginnen solange ihre Unterstützung zu leihen, als die Aussicht auf Erfolg noch nicht völlig geschwunden war. Das ist aber, zumindest für die Ära Molo, nun eingetreten.

Die Akademie, von der man bisher hauptsächlich durch Festsitzungen und Festschriften erfuhr, hat einen salto mortale in die Tagespresse gemacht. Man kann nicht sagen, die Zeitungen hätten ihr ihre Spalten geöffnet. Denn die Verkündigung ihres Präsidenten besetzt ein breiter zugeschnittenes Areal wie nur der Inseratenteil es einräumen kann. Dieser im Inseratenteil verschiedener Tagesblätter publizierte Schriftsatz von Molo lautet:

»Die ›Grüne Post‹ hat das geschaffen, worum die Dichter sich so lange allein bemühten, was sie mit ihren Werken herbeizwingen wollen: seelische Einigkeit aller Deutschen, den Weg zur Einigkeit aller Menschenseelen auf unserer Erde.«

Man hat Deutschland das Land genannt, in dem man sich nicht blamieren kann. Das Wort ist im Zeitalter des Parlamentarismus entstanden. Und wie man über seine Berechtigung auch denken mag: die Mißgriffe, die Entgleisungen müssen noch erst gefunden werden, mit denen ein Parlamentsmitglied sich vor seinesgleichen blamieren könnte. Die Sektion für Dichtkunst ist aber kein Parlament. Und sie würde für das geistige Niveau Deutschlands – mithin auch für die Literatur – mehr als mit Bänden ihres Jahrbuchs leisten, wenn sich ergäbe, daß vor ihr (wennschon sonst nirgends) man sich unmöglich machen kann.

Sie wende nicht ein, Molo habe nur als Privatmann gesprochen. Es ist das Wesen der Repräsentation, daß sie nicht nur bei außerordentlichen Anlässen, sondern im ganzen Tun und Lassen, im Lebensstil der verantwortlichen Person zum Ausdruck gelangt. Dieser Lebensstil, diese Haltung entschädigen für das vielfach Fragwürdige eines jeden. Sie stellen Anforderungen an die Besonnenheit und die Disziplin des Betreffenden, dafür stellen sie ihn in anderen Punkten sicher. Es ist z.B. für einen Präsidenten der Sektion für Dichtkunst nicht entscheidend, ob der Stil, den er schreibt, vorbildlich sei. Das Urteil über den Dichter Molo betrifft nicht den Präsidenten, solange gegen den nichts einzuwenden ist. Aber nichts ist natürlicher, als daß im Fall des Versagens die Frage der Qualifikation einer Nachprüfung unterzogen wird. In diesem Augenblick beginnt dann auch Molos Dichtung eine Rolle zu spielen. Er kann sich nicht wundern, wenn man angesichts solcher Stilwidrigkeiten der Haltung seinem Prosastil auf den Grund geht. Das ist in der Tat die leidige Folge gewesen, und »der Stil des Präsidenten« ist im Begriff, im Glossenteil der Wochenschriften ein beliebtes Divertissement zu bilden. Bliebe die interne Wirksamkeit Molos, von der versichert wird, sie sei segensreich. Das ist erfreulich. Es kann und muß für die materielle Lage der deutschen Autoren noch viel geschehen. Sie haben es nötig. Daß aber diese Aktion erkauft werde durch die Kompromittierung des Schrifttums selber, wie eine weitere Präsidentschaft Molo sie bedeuten würde, das haben sie, ihrer Notlage ungeachtet, denn doch nicht nötig.

Die Sektion für Dichtkunst hat, soviel wir wissen, noch kein offizielles Publikationsorgan. Sollte sie es nun in der »Grünen Post« gefunden haben, so ist das erste, was wir dort zu lesen hoffen, der Rücktritt des Präsidenten von Molo – wenn es sein muß im Inseratenteile.