Pariser Theaterskandale II
Surrealisten untereinander – sie fühlen sich erst wohl, wenn sie in einer Menge von ein paar hundert friedlichen Pariser Bürgern sich befinden. So dieser Tage im Théatre Sarah Bernhardt bei der Premiere des (gewiß nicht mehr neuen) russischen Diaghilew-Balletts, die Stimulantien sehr wohl brauchen konnte. Die Herren Surrealisten haben sie geliefert und noch dazu bewiesen, wie schlecht sie sich aufs Geschäft verstehen. Denn sie haben mit einem wohltemperierten Theaterskandal gewiß ihr eigenes weniger besorgt als das der Russen – ohne von ihnen bezahlt zu werden. Daß sie es sind, verübeln sie gerade ihren beiden Genossen, den Malern Jean Miró und Max Ernst, die haben nämlich den Dekor zu dem Ballett von »Romeo and Juliet« gestellt. Das gab den Anlaß zu einer vor Beginn der Vorstellung einsetzenden Huldigung an die Prinzipien unentwegter Bohemerie. Das surrealistische Supplement des Programmzettels, das fünf Sekunden nach Einsetzen des Orchesters von den Rängen herab mit Flugpost verteilt wurde, erklärt: »Wir dulden nicht, daß die Idee dem Kapital sich zur Verfügung stellt.« Im stillen aber dürfte ganz dasselbe der Standpunkt von Miró und Ernst gewesen sein. Denn ihre Szenerie stellt keinerlei »Idee«, sondern nichts weiter als Routine in den Dienst des Kapitals. – In den Mittagsblättern versprechen am nächsten Tag die Häuptlinge für die folgenden Abende Ruhe. Haben sie unterdes von der Wertlosigkeit der Dekoration oder von der ihrer Prinzipien sich überzeugt? In jedem Fall unsern Glückwunsch.