Ästhetisches Ideal
Ideal, ästhetisches. Das Urbild des Geschmacks (s. d.) ist das „Ideal des Schönen“. Es beruht auf der „unbestimmten Idee der Vernunft von einem Maximum“, kann aber nicht durch Begriffe, sondern nur in einzelner Darstellung vorgestellt werden und ist daher bloß ein „Ideal der Einbildungskraft“, KU § 17 (II 72 f.). Die Schönheit (s. d.), zu welcher ein Ideal gesucht werden soll, ist keine „vage“, sondern „durch einen Begriff von objektiver Zweckmäßigkeit fixierte Schönheit“, gehört also „keinem Objekte eines ganz reinen, sondern zum Teil intellektuierten Geschmacksurteils“ an, bei dem also eine Vernunftidee eine Rolle spielt. Eines Ideals der Schönheit fähig ist nur das, was den Zweck seiner Existenz in sich selbst hat: der Mensch, der sich seine Zwecke durch Vernunft selbst bestimmen kann. Von der ästhetischen „Normalidee“, „welche eine einzelne Anschauung (der Einbildungskraft) ist, die das Richtmaß seiner Beurteilung als eines zu einer besonderen Tierspezies gehörigen Dinges vorstellt“, ist zu unterscheiden die „Vernunftidee“, „welche die Zwecke der Menschheit, sofern sie nicht sinnlich vorgestellt werden können, zum Prinzip der Beurteilung seiner Gestalt macht, durch welche, als ihre Wirkung in der Erscheinung, sich jene offenbaren“. Die Normalidee — ein Durchschnittsbild der Einbildungskraft — „ist nicht aus von der Erfahrung hergenommenen Proportionen, als bestimmten Regeln, abgeleitet; sondern nach ihr werden allererst Regeln der Beurteilung möglich“. „Sie ist das zwischen allen einzelnen, auf mancherlei Weise verschiedenen Anschauungen der Individuen schwebende Bild für die ganze Gattung, welches die Natur zum Urbilde ihrer Erzeugungen in derselben Spezies unterlegte, aber in keinem einzelnen völlig erreicht zu haben scheint. Sie ist keineswegs das ganze Urbild der Schönheit in dieser Gattung, sondern nur die Form, welche die unnachläßliche Bedingung aller Schönheit ausmacht, mithin bloß die Richtigkeit in Darstellung der Gattung.“ „Sie kann eben darum auch nichts Spezifisch-Charakteristisches enthalten; denn sonst wäre sie nicht Normalidee für die Gattung.“ „Von der Normalidee des Schönen ist doch noch das Ideal desselben unterschieden, welches man lediglich an der menschlichen Gestalt ... erwarten darf. An dieser nun besteht das Ideal in dem Ausdruck des Sittlichen, ohne welches der Gegenstand nicht allgemein und dazu positiv ... gefallen würde. Der sichtbare Ausdruck sittlicher Ideen, die den Menschen innerlich beherrschen, kann zwar nur aus der Erfahrung genommen werden; aber ihre Verbindung mit allem dem, was unsere Vernunft mit dem Sittlich-Guten in der Idee der höchsten Zweckmäßigkeit verknüpft, die Seelengüte oder Reinigkeit oder Stärke oder Ruhe usw. in körperlicher Äußerung (als Wirkung des Inneren) gleichsam sichtbar zu machen: dazu gehören reine Ideen der Vernunft und große Macht der Einbildungskraft in demjenigen vereinigt, welcher sie nur beurteilen, viel mehr noch, wer sie darstellen will“, ibid. (II 73 ff.).
Das „Ideal der Vernunft“ (s. d.) beruht auf bestimmten Begriffen. Hingegen kann von den „Geschöpfen der Einbildungskraft“ niemand einen verständlichen Begriff geben. Es sind gleichsam „Monogramme“, die „mehr eine im Mittel verschiedener Erfahrungen gleichsam schwebende Zeichnung, als ein bestimmtes Bild ausmachen“. Diese (in den Köpfen der Künstler lebendige) „Ideale der Sinnlichkeit“ sind „das nicht erreichbare Muster möglicher empirischer Anschauungen“, sie geben aber „keine der Erklärung und Prüfung fähige Regel“, KrV tr. Dial. 2. B. 3. H. 1. Abs. (I 496—Rc 633).