Zum Hauptinhalt springen

Imperativ

Imperativ. Ein Imperativ ist ein normatives Urteil, ein Satz, der ein Sollen (s. d.), eine praktische Notwendigkeit ausspricht. In den „hypothetischen“ Imperativen handelt es sich um ein bedingtes Sollen, im Hinblick auf einen Zweck, zu dessen Erreichung etwas als Mittel vorgeschrieben wird. Der „kategorische“ Imperativ drückt ein unbedingtes Sollen, eine absolute Forderung (Norm) der Vernunft aus, ohne Rücksicht auf einen Zweck, eine „Materie“ des Willens. Das Sittengesetz wird in einem solchen Imperativ formuliert, welcher Allgemeingültigkeit des Wollens, Eignung der Maxime desselben zu einer allgemeinen Gesetzgebung fordert. Es folgt daraus auch die Forderung, die Menschheit in jedem nie bloß als Mittel, sondern auch als Zweck zu behandeln (d. h. als Persönlichkeit, als vernünftiges Wesen; vgl. Sittlichkeit). Der kategorische Imperativ entspringt der Autonomie (s. d.) der praktischen Vernunft und weist auf die Freiheit (s. d.) des („intelligiblen“) Menschen hin. Die Allgemeingültigkeit der Willensmaxime schließt nicht eine Rücksicht auf die Besonderheit der (äußeren und inneren) Umstände des Handelns aus, ist rein formal.

Die Bestimmung eines nicht „heiligen“, d. h. nicht völlig der Vernunft gemäßen Willens nach objektiven Gesetzen ist „Nötigung“. Die Vorstellung eines für einen Willen nötigenden objektiven Prinzips ist ein „Gebot“ (der Vernunft) und die „Formel des Gebots“ heißt „Imperativ“. Alle Imperative werden durch ein Sollen ausgedrückt und zeigen dadurch eine Nötigung an. Sie sagen, daß etwas „zu tun oder zu unterlassen gut sein würde“, sind „Formeln“, um „das Verhältnis objektiver Gesetze des Wollens überhaupt zu der subjektiven Unvollkommenheit des Willens dieses oder jenes vernünftigen Wesens, z. B. des menschlichen Willens“ auszudrücken, GMS 2. Abs. (III 34 f.). „Alle Imperativen nun gebieten entweder hypothetisch oder kategorisch. Jene stellen die praktische Notwendigkeit einer möglichen Handlung als Mittel zu etwas anderem, was man will (oder doch möglich ist, daß man es wolle), zu gelangen vor. Der kategorische Imperativ würde der sein, welcher eine Handlung als für sich selbst, ohne Beziehung auf einen anderen Zweck, als objektiv-notwendig vorstellte.“ „Wenn ... die Handlung bloß wozu anders als Mittel gut sein würde, so ist der Imperativ hypothetisch; wird sie als an sich gut vorgestellt, mithin als notwendig in einem an sich der Vernunft gemäßen Willen, als Prinzip desselben, so ist er kategorisch.“ Der Imperativ sagt, „welche durch mich mögliche Handlung gut wäre“. „Der hypothetische Imperativ sagt also nur, daß die Handlung zu irgendeiner möglichen oder wirklichen Absicht gut sei. Im ersteren Falle ist er ein problematisch-, im zweiten assertorisch-praktisches Prinzip. Der kategorische Imperativ, der die Handlung ohne Beziehung auf irgendeine Absicht, d. i. auch ohne irgendeinen anderen Zweck, für sich als objektiv notwendig erklärt, gilt als ein apodiktisch-praktisches Prinzip.“ „Alle Wissenschaften haben irgendeinen Praktischen Teil, der aus Aufgaben besteht, daß irgendein Zweck für uns möglich sei, und aus Imperativen, wie er erreicht werden könne. Diese können daher überhaupt Imperativen der Geschicklichkeit heißen. Ob der Zweck vernünftig und gut sei, davon ist hier gar nicht die Frage, sondern nur was man tun müsse, um ihn zu erreichen“ (z. B. Vorschriften für den Arzt). Das sind problematische Prinzipien. Hingegen ist „der hypothetische Imperativ, der die praktische Notwendigkeit der Handlung als Mittel zur Beförderung der Glückseligkeit vorstellt“, assertorisch. „Man darf ihn nicht bloß als notwendig zu einer ungewissen, bloß möglichen Absicht vortragen, sondern zu einer Absicht, die man sicher und a priori bei jedem Menschen voraussetzen kann, weil sie zu seinem Wesen gehört.“ Dieser Imperativ ist, als eine „Vorschrift der Klugheit“, ebenfalls hypothetisch. „Endlich gibt es einen Imperativ, der, ohne irgendeine andere durch ein gewisses Verhalten zu erreichende Absicht als Bedingung zum Grunde zu legen, dieses Verhalten unmittelbar gebietet. Dieser Imperativ ist kategorisch. Er betrifft nicht die Materie der Handlung und das, was aus ihr erfolgen soll, sondern die Form und das Prinzip, woraus sie selbst folgt, und das Wesentlich-Gute derselben besteht in der Gesinnung, der Erfolg mag sein, welcher er wolle. Dieser Imperativ mag der der Sittlichkeit heißen“, ibid. (III 36 ff.). Die Imperative sind: ad 1. „Regeln der Geschicklichkeit“, ad 2. „Ratschläge der Klugheit“, ad 3. „Gebote (Gesetze) der Sittlichkeit“. Die ersten sind „technisch“ (zur Kunst gehörig), die zweiten „pragmatisch“ (zur Wohlfahrt gehörig), die dritten „moralisch“ (zu den Sitten gehörig). Nur der kategorische Imperativ ist durch keine Bedingung eingeschränkt und ist als „absolut-, obgleich praktisch-notwendig“, ein eigentliches „Gebot“, ein Gesetz, dem man „gehorchen“, d. h. auch wider die Neigung Folge leisten muß, ibid. (III 38 f.).

Wie sind diese Imperative möglich, d. h. wie ist „die Nötigung des Willens, die der Imperativ in der Aufgabe ausdrückt“, zu denken? Die Imperative der Geschicklichkeit erklären sich leicht; denn wer den Zweck will, muß (vernünftigerweise wenigstens) die dazu unentbehrlichen, erreichbaren Mittel wollen. „Dieser Satz ist, was das Wollen betrifft, analytisch; denn in dem Wollen eines Objekts als meiner Wirkung wird schon meine Kausalität als handelnder Ursache, d. i. der Gebrauch der Mittel gedacht, und der Imperativ zieht den Begriff notwendiger Handlungen zu diesem Zwecke schon aus dem Begriff eines Wollens dieses Zwecks heraus (die Mittel selbst zu einer vorgesetzten Absicht zu bestimmen, dazu gehören allerdings synthetische Sätze, die aber nicht den Grund betreffen, den Aktus des Willens, sondern das Objekt wirklich zu machen)“, ibid. (III 39 f.). Würden die Mittel zur Glückseligkeit (s. d.) sich sicher angeben lassen, dann würde es mit den Imperativen der Klugheit ebenso stehen; da jenes aber nicht möglich ist, so sind sie eher „Anratungen“ als Gebote. Ob es einen kategorischen Imperativ in Wirklichkeit gibt, ist durch kein Beispiel (empirisch) auszumachen. Die Möglichkeit desselben ist a priori zu untersuchen. Er ist praktisches „Gesetz“, nicht bloß ein „Prinzip“ des Willens; er ist ferner ein „synthetisch-praktischer Satz a priori“, d. h. „ich verknüpfe mit dem Willen, ohne vorausgesetzte Bedingung aus irgendeiner Neigung, die Tat a priori, mithin notwendig (obgleich nur objektiv, d. i. unter der Idee einer Vernunft, die über alle subjektiven Bewegursachen völlige Gewalt hätte)“, ibid. u. 6. Anm. (III 41 f.). Der bloße Begriff eines kategorischen Imperativs gibt auch die „Formel“ an die Hand, die den Satz enthält, der allein ein kategorischer Imperativ sein kann. „Wenn ich mir einen hypothetischen Imperativ überhaupt denke, so weiß ich nicht zum voraus, was er enthalten werde: bis mir die Bedingung gegeben ist. Denke ich mir aber einen kategorischen Imperativ, so weiß ich sofort, was er enthalte. Denn da der Imperativ außer dem Gesetze nur die Notwendigkeit der Maxime enthält, diesem Gesetze gemäß zu sein, das Gesetz aber keine Bedingung enthält, auf die es eingeschränkt war, so bleibt nichts als die Allgemeinheit eines Gesetzes überhaupt übrig, welchem die Maxime der Handlung gemäß sein soll, und welche Gemäßheit allein der Imperativ eigentlich als notwendig vorstellt.“ „Der kategorische Imperativ ist also ein einziger, und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“ „Weil die Allgemeinheit des Gesetzes, wonach Wirkungen geschehen, dasjenige ausmacht, was eigentlich Natur im allgemeinsten Verstande (der Form nach), d. i. das Dasein der Dinge, heißt, sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist, so könnte der allgemeine Imperativ der Pflicht auch so lauten: handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte“, ibid. (III 43 f.). Ich soll bei meinem Handeln nie anders verfahren als so, „daß ich auch wollen könne, meine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden“, ibid. 1. Abs. (III 20). Ich muß mich fragen: „Kannst du auch wollen, daß deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde?“ Wo nicht, so ist sie verwerflich, „weil sie nicht als Prinzip in eine mögliche allgemeine Gesetzgebung passen kann“, ibid. (III 22). Aus diesem Imperativ folgen alle Imperative der Pflicht (s. d.). Die Maxime des Wollens muß „mit sich selbst zusammenstimmen können“ und sie muß als ein allgemeines Gesetz gewollt werden können. „Man muß wollen können, daß eine Maxime unserer Handlung ein allgemeines Gesetz werde: dies ist der Kanon der moralischen Beurteilung derselben überhaupt. Einige Handlungen sind so beschaffen, daß ihre Maxime ohne Widerspruch nicht einmal als allgemeines Naturgesetz gedacht werden kann; weit gefehlt, daß man noch wollen könne, es sollte ein solches werden. Bei anderen ist zwar jene innere Unmöglichkeit nicht anzutreffen, aber es ist doch unmöglich zu wollen, daß ihre Maxime zur Allgemeinheit eines Naturgesetzes erhoben werde, weil ein solcher Wille sich selbst widersprechen würde. Man sieht leicht, daß die erstere der strengen oder engeren (unnachlaßlichen) Pflicht, die zweite nur der weiteren (verdienstlichen) Pflicht widerstreite.“ Jede Übertretung einer Pflicht zeigt in der Tat, daß wir nicht wollen, es solle unsere (pflichtwidrige) Maxime ein allgemeines Gesetz werden, sondern das Gegenteil derselben soll ein solches bleiben, nur erlauben wir uns, zum Vorteil unserer Neigung eine Ausnahme davon zu machen, ibid. 2. Abs. (III 47 ff.).

Ist es ein notwendiges Gesetz für alle vernünftigen Wesen, ihre Handlungen jederzeit „nach solchen Maximen zu beurteilen, von denen sie selbst wollen können, daß sie zu allgemeinen Gesetzen dienen sollen“, so muß dieses Gesetz völlig a priori schon mit dem Begriffe des Willens eines vernünftigen Wesens überhaupt verbunden sein, ibid. (III 51). Gäbe es nun „etwas, dessen Dasein an sich selbst einen absoluten Wert hat, was, als Zweck an sich selbst, ein Grund bestimmter Gesetze sein könnte, so würde in ihm, und nur in ihm allein der Grund eines möglichen kategorischen Imperativs, d. i. praktischen Gesetzes, liegen“. „Nun sage ich: der Mensch und überhaupt jedes vernünftige Wesen existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen, sondern muß in allen seinen sowohl auf sich selbst als auch auf andere vernünftige Wesen gerichteten Handlungen jederzeit zugleich als Zweck betrachtet werden.“ Vernünftige Wesen, Personen haben als Zwecke an sich (objektive Zwecke) einen absoluten Wert (s. d.). Der kategorische Imperativ muß nun „aus der Vorstellung dessen, was notwendig für jedermann Zweck ist, weil es Zweck an sich selbst ist“, ein objektives Prinzip des Willens ausmachen. „Der Grund dieses Prinzips ist: die vernünftige Natur existiert als Zweck an sich selbst.“ „So stellt sich notwendig der Mensch sein eigenes Dasein vor; sofern ist es also ein subjektives Prinzip menschlicher Handlungen. So stellt sich aber auch jedes andere vernünftige Wesen sein Dasein zufolge ebendesselben Vernunftgrundes, der aueh für mich gilt, vor; also ist es zugleich ein objektives Prinzip, woraus als einem obersten praktischen Grunde alle Gesetze des Willens müssen abgeleitet werden können. Der praktische Imperativ wird also folgendermaßen sein: Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst“, ibid. (III 52 ff.). In allen Pflichten handelt es sich darum, die Menschheit in uns oder anderen nicht nur nicht zu verletzen, zu vernachlässigen, ihr Abbruch zu tun, sie herabzuwürdigen, sondern auch sie (und die menschlichen Zwecke) möglichst zu fördern. So sind in der Menschheit „Anlagen zu größerer Vollkommenheit“; „diese zu vernachlässigen, würde allenfalls wohl mit der Erhaltung der Menschheit als Zwecks an sich selbst, aber nicht der Beförderung dieses Zwecks bestehen können“. Oder es würde die Menschheit auch bestehen können, wenn niemand zu des anderen Glückseligkeit beitrüge; „allein es ist dieses doch nur eine negative und nicht positive Übereinstimmung zur Menschheit als Zweck an sich selbst, wenn jedermann auch nicht die Zwecke anderer, soviel an ihm ist, zu befördern trachtete. Denn das Subjekt, welches Zweck an sich selbst ist, dessen Zwecke müssen, wenn jene Vorstellung bei mir alle Wirkung tun soll, auch soviel möglich meine Zwecke sein“, ibid. (III 55 ff.). „Man denke ja nicht, daß hier das triviale quod tibi non vis fieri usw. zur Richtschnur oder Prinzip dienen könne. Denn es ist, obzwar mit verschiedenen Einschränkungen, nur aus jenem abgeleitet; es kann kein allgemeines Gesetz sein, denn es enthält nicht den Grund der Pflichten gegen sich selbst, nicht der Liebespflichten gegen andere ..., endlich nicht der schuldigen Pflichten gegeneinander; denn der Verbrecher würde aus diesem Grunde gegen seine strafenden Richter argumentieren usw.“, ibid. 11. Anm. (III 55). Das Prinzip der Menschheit (s. d.) und jeder vernünftigen Natur überhaupt als Zwecks an sich selbst, welches „die oberste einschränkende Bedingung der Handlungen eines jeden Menschen“ ist, ist nicht aus der Erfahrung entlehnt. Die Menschheit ist darin nicht als von selbst gesetzter Zweck gedacht, sondern muß, als objektiver Zweck, der „als Gesetz die oberste einschränkende Bedingung aller subjektiven Zwecke ausmachen soll“, aus reiner Vernunft entspringen. „Es liegt nämlich der Grund aller praktischen Gesetzgebung objektiv in der Regel und der Form der Allgemeinheit, die sie ein Gesetz (allenfalls Naturgesetz) zu sein fähig macht (nach dem ersten Prinzip), subjektiv aber im Zwecke; das Subjekt aller Zwecke aber ist jedes vernünftige Wesen, als Zweck an sich selbst (nach dem zweiten Prinzip); hieraus folgt nun das dritte praktische Prinzip des Willens, als oberste Bedingung der Zusammenstimmung desselben mit der allgemeinen praktischen Vernunft, die Idee des Willens jedes vernünftigen Wesens als eines allgemein gesetzgebenden Willens.“ „Alle Maximen werden nach diesem Prinzip verworfen, die mit der eigenen allgemeinen Gesetzgebung des Willens nicht zusammen bestehen können. Der Wille wird also nicht lediglich dem Gesetze unterworfen, sondern so unterworfen, daß er auch als selbstgesetzgebend und eben um deswillen allererst dem Gesetze (davon er selbst sich als Urheber betrachten kann) unterworfen angesehen werden muß“, ibid. (III 55 f.). Ein Wille, der selbst gesetzgebend ist, kann nicht von einem Interesse abhängen und muß daher unbedingt sein. Nur ein solcher unbedingter Imperativ eignet sich zum moralischen Gebote; das ist das Prinzip der Autonomie (s. d.) des Willens im Gegensatz zu dem der „Heteronomie“, ibid. (III 57 f.).

Der Begriff eines jeden vernünftigen Wesens, das sich durch alle Maximen seines Willens als allgemein gesetzgebend betrachten muß, führt zu dem Begriff des (idealen) „Reichs der Zwecke“ (s. d.), d. h. dem Begriff einer systematischen Verknüpfung vernünftiger Wesen durch gemeinschaftliche objektive Gesetze. „Das vernünftige Wesen muß sich jederzeit als gesetzgebend in einem durch Freiheit des Willens möglichen Reiche der Zwecke betrachten.“ „Moralität besteht also in der Beziehung aller Handlungen auf die Gesetzgebung, dadurch allein ein Reich der Zwecke möglich ist. Diese Gesetzgebung muß aber in jedem vernünftigen Wesen selbst angetroffen werden und aus seinem Willen entspringen können, dessen Prinzip also ist: keine Handlung nach einer anderen Maxime zu tun als so, daß es auch mit ihr bestehen könne, daß sie ein allgemeines Gesetz sei, und also nur so, daß der Wille durch seine Maxime sich selbst zugleich als allgemein gesetzgebend betrachten könne.“ Die praktische Notwendigkeit, nach diesem Prinzip zu handeln, ist die jedem Gliede des Reichs der Zwecke in gleichem Maße zukommende Pflicht. Diese beruht „bloß auf dem Verhältnisse vernünftiger Wesen zueinander, in welchem der Wille eines vernünftigen Wesens jederzeit zugleich als gesetzgebend betrachtet werden muß, weil es sie sonst nicht als Zweck an sich selbst denken könnte“. Die Vernunft verfährt so rein „aus der Idee der Würde eines vernünftigen Wesens, das keinem Gesetze gehorcht als dem, das es zugleich selbst gibt“, ibid. (III 59 f.). Alle drei Arten des kategorischen Imperativs sind nur verschiedene „Formeln ebendesselben Gesetzes“. Ihre Verschiedenheit ist eher „subjektiv- als objektiv-praktisch“. Alle Maximen haben nämlich „1. eine Form, welche in der Allgemeinheit besteht, und da ist die Formel des sittlichen Imperativs so ausgedrückt: daß die Maximen so müssen gewählt werden, als ob sie wie allgemeine Naturgesetze gelten sollten“; „2. eine Materie, nämlich einen Zweck, und da sagt die Formel: daß das vernünftige Wesen als Zweck seiner Natur nach, mithin als Zweck an sich selbst, jeder Maxime zur einschränkenden Bedingung aller bloß relativen und willkürlichen Zwecke dienen müsse“; „3. eine vollständige Bestimmung aller Maximen durch jene Formel, nämlich: daß alle Maximen aus eigener Gesetzgebung zu einem möglichen Reiche der Zwecke, als einem Reiche der Natur, zusammenstimmen sollen“. „Der Fortgang geschieht hier wie durch die Kategorien der Einheit der Form des Willens (der Allgemeinheit desselben), der Vielheit der Materie (der Objekte, d. i. der Zwecke) und der Allheit oder Totalität des Systems derselben“ Zu der sittlichen „Beurteilung“ eignet sich aber am besten die allgemeine Formel; „handle nach der Maxime, die sich selbst zugleich zum allgemeinen Gesetze machen kann“. Die anderen Formeln dienen mehr, um dem Gesetze „Eingang“ zu verschaffen, ibid. (III 62 f.). Die Formel eines schlechterdings [guten Willens](guten willens) (s. d.) ist also: „handle nach Maximen, die sich selbst zugleich als allgemeine Naturgesetze zum Gegenstand haben können“. Oder: „handle in Beziehung auf ein jedes vernünftige Wesen (auf dich selbst und andere) so daß es in deiner Maxime zugleich als Zweck an sich selbst gelte“. Dies ist einerlei mit dem Grundsatze: „handle nach einer Maxime, die ihre eigene allgemeine Gültigkeit für jedes vernünftige Wesen zugleich in sich enthält“. „Denn daß ich meine Maxime im Gebrauche der Mittel zu jedem Zwecke auf die Bedingung ihrer Allgemeingültigkeit als eines Gesetzes für jedes Subjekt einschränken soll, sagt ebensoviel als: das Subjekt der Zwecke, d. i. das vernünftige Wesen selbst, muß niemals bloß als Mittel, sondern als oberste einschränkende Bedingung im Gebrauche aller Mittel, d. i. jederzeit zugleich als Zweck, allen Maximen der Handlungen zum Grunde gelegt werden“, ibid. (III 63 f.). Jedes vernünftige Wesen muß so handeln, „als ob“ es durch seine Maximen jederzeit ein „gesetzgebendes Glied“ im allgemeinen Reiche (s. d.) der Zwecke wäre, ibid. (III 65); als ein solches Glied hat der Mensch „Würde“ (s. d.).

Die Vernunft gebietet so zu handeln, „daß das Prinzip der Handlungen der wesentlichen Beschaffenheit einer Vernunftursache, d. i. der Bedingung der Allgemeingültigkeit der Maxime als eines Gesetzes gemäß sei“, ibid. 3. Abs. Von der äußersten Grenze.. (III 88). Wie und warum uns die Allgemeinheit der Maxime als Gesetzes, mithin die Sittlichkeit interessiere, ist uns Menschen ganz unmöglich zu erklären. Jedenfalls hat es nicht Gültigkeit, weil es uns interessiert, sondern es interessiert uns, „weil es für uns als Menschen gilt, da es aus unserem Willen als Intelligenz, mithin aus unserem eigentlichen Selbst entsprungen ist; was aber zur bloßen Erscheinung gehört, wird von der Vernunft notwendig der Beschaffenheit der Sache an sich selbst untergeordnet“. Wie reine Vernunft für sich allein praktisch sein könne, ist unbegreiflich, ebenso wie Freiheit als Kausalität eines Willens möglich ist, ibid. (III 91 f.). — Ein unbedingtes praktisches Gesetz kann, wie alles Unbedingte (s. d.), seiner absoluten Notwendigkeit nach nicht begreiflich gemacht werden. „Und so begreifen wir zwar nicht die praktische unbedingte Notwendigkeit des moralischen Imperativs, wir begreifen aber doch seine Unbegreiflichkeit; welches alles ist, was billigermaßen von einer Philosophie, die bis zur Grenze der menschlichen Vernunft in Prinzipien strebt, gefordert werden kann“, ibid. Schlußanmerk. (III 94 f.). Der Imperativ geht aus von der „besseren Person“ in uns, von uns selbst als „Noumenon“, als Glied der „intelligiblen Welt“ (s. d.), ibid. 3. Abs. Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? (III 82 ff.).

„Die praktische Regel ist jederzeit ein Produkt der Vernunft, weil sie Handlung als Mittel zur Wirkung als Absicht vorschreibt. Diese Regel ist aber für ein Wesen, bei dem Vernunft nicht ganz allein Bestimmungsgrund des Willens ist, ein Imperativ, d. i. eine Regel, die durch ein Sollen, welches die objektive Nötigung der Handlung ausdrückt, bezeichnet wird und bedeutet, daß, wenn die Vernunft den Willen gänzlich bestimmte, die Handlung unausbleiblich nach dieser Regel geschehen würde. Die Imperative gelten also objektiv und sind von Maximen, als subjektiven Grundsätzen, gänzlich unterschieden. Jene bestimmen aber entweder die Bedingungen der Kausalität des vernünftigen Wesens als wirkender Ursache bloß in Ansehung der Wirkung und Zulänglichkeit zu derselben, oder sie bestimmen nur den Willen, er mag zur Wirkung hinreichend sein oder nicht. Die ersteren würden hypothetische Imperativen sein und bloße Vorschriften der Geschicklichkeit enthalten; die zweiten würden dagegen kategorisch und allein praktische Gesetze sein.“ Nur kategorische Imperative sind Gesetze (s. d.), KpV 1. T. 1. B. 1. H. § 1 (II 24 f.). Das „Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft“ lautet: „Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne“, ibid. § 7 (II 39). „Um die praktische Philosophie mit sich selbst einig zu machen, ist nötig, zuvörderst die Frage zu entscheiden; ob in Aufgaben der praktischen Vernunft vom materialen Prinzip derselben, dem Zweck (als Gegenstand der Willkür), der Anfang gemacht werden müsse, oder vom formalen, d. i. demjenigen (bloß auf Freiheit im äußeren Verhältnis gestellten), darnach es heißt: Handle so, daß du wollen kannst, deine Maxime solle ein allgemeines Gesetz werden (der Zweck mag sein, welcher er wolle).“ Dieses Prinzip hat „unbedingte Notwendigkeit“, das erstere nur bedingte, Z. ew. Fried. Anh. I (VI 158). Die formalen Prinzipien des Freiheitsbegriffs gehen der Erörterung des Zwecks der Handlungen (d. h. der Materie des Willens) voraus. Der kategorische Imperativ: „Handle nach einer Maxime, nach der du zugleich wollen kannst, sie solle ein allgemeines Gesetz werden“, kann „zum Probierstein aller Befugnis dienen“. „Es ist aber offenbar, daß hier nicht von einem Prinzip des Gebrauchs der Mittel zu einem gewissen Zweck (denn alsdann wäre es ein pragmatisches, nicht ein moralisches Prinzip) die Rede sei; daß nicht, wenn die Maxime meines Willens, zum allgemeinen Gesetz gemacht, der Maxime des Willens eines anderen, sondern wenn sie sich selbst widerspricht (welches ich aus dem bloßen Begriffe a priori, ohne alle Erfahrungsverhältnisse, z. B. ’ob Gütergleichheit oder ob Eigentum in meine Maxime aufgenommen werde?’ nach dem Satz des Widerspruchs beurteilen kann), dieses ein unfehlbares Kennzeichen der moralischen Unmöglichkeit der Handlung sei“, Fried, i. d. Ph. 2. Abs. (V 4, 38 f.). Der kategorische Imperativ der „der Materie nach praktischen Vernunft“ sagt zum Menschen: „Ich will, daß deine Handlungen zum Endzweck aller Dinge zusammenstimmen“, V. e. vorn. Ton 3. Anm. (V 4, 13).

Der Imperativ ist „eine praktische Regel, wodurch die an sich zufällige Handlung notwendig gemacht wird“. Er stellt also das Subjekt als ein solches vor, das „zur Übereinstimmung mit dieser Regel genötigt (nezessitiert) werden muß“. „Der kategorische (unbedingte) Imperativ ist derjenige, welcher nicht etwa mittelbar durch die Vorstellung eines Zwecks, der durch die Handlung erreicht werden könne, sondern der sie durch die bloße Vorstellung dieser Handlung selbst (ihrer Form), also unmittelbar als objektiv-notwendig denkt und notwendig macht; dergleichen Imperative keine andere praktische Lehre als allein die, welche Verbindlichkeit vorschreibt (die der Sitten), zum Beispiele aufstellen kann. Alle anderen Imperative sind technisch und insgesamt bedingt. Der Grund der Möglichkeit kategorischer Imperative liegt aber darin: daß sie sich auf keine andere Bestimmung der Willkür (wodurch ihr eine Absicht unterlegt werden kann) als lediglich auf die Freiheit derselben beziehen.“ „Der kategorische Imperativ, indem er eine Verbindlichkeit in Ansehung gewisser Handlungen aussagt, ist ein moralisch-praktisches Gesetz. Weil aber Verbindlichkeit nicht bloß praktische Notwendigkeit ..., sondern auch Nötigung enthält, so ist der gedachte Imperativ entweder ein Gebot- oder Verbotgesetz, nachdem die Begehung oder Unterlassung als Pflicht vorgestellt wird“, MS Einl. IV (III 24 ff.). Vgl. Erlaubt.

„Der kategorische Imperativ, der überhaupt nur aussagt, was Verbindlichkeit sei, ist: Handle nach einer Maxime, welche zugleich als ein allgemeines Gesetz gelten kann!“ Dieses Gesetz macht die Freiheit als Eigenschaft der Willkür kund. Jede Maxime, die sich nicht zu einem allgemeinen Gesetz qualifiziert, ist der Moral zuwider, ibid. (III 28 f.). „Unter einem Imperativ überhaupt ist jeder Satz zu verstehen, der eine möglich freie Handlung aussagt, wodurch ein gewisser Zweck wirklich gemacht werden soll“, Log. Einl. Anh. (IV 96). Der moralische Imperativ kann „als die Stimme Gottes angesehen werden“, Altpreuß. Mth. XXI, 577. „Alle Menschenpflichten als göttliche Gebote vorzuschreiben, liegt schon in jedem kategorischen Imperativ“ „Der kategorische Imperativ ist Ausspruch eines Vernunftprinzipes über sich selbst als Person (dictamen rationis practicae)“, ibid. XXI 614. Vgl. Gesetze (praktische), Freiheit, Pflicht, Rigorismus, Sittlichkeit, Grundsätze, Vernunft (praktische), Wille.