Rigorismus
Rigorismus s. Pflicht, Neigung. „Das Wesentliche aller Bestimmung des Willens durchs sittliche Gesetz ist: daß er als freier Wille, mithin nicht bloß ohne Mitwirkung sinnlicher Antriebe, sondern selbst mit Abweisung aller derselben und mit Abbruch aller Neigungen, sofern sie jenem Gesetze zuwider sein könnten, bloß durchs Gesetz bestimmt werde“, KpV 1. T. 1. B. 3. H. (II 94). Es gibt im Sittlichen keine Adiaphora (s. d.), nichts Gleichgültiges (Indifferentes). Die Anhänger dieser strengen Denkungsart nennt man „Rigoristen“, im Gegensatz zu den „Latitudinariern“, welche teils „Indifferentsten“, teils „Synkretisten“ sind, Rel. 1. St. Anmerk. (IV 21). „Herr Professor Schiller mißbilligt in seiner mit Meisterhand verfaßten Abhandlung (Thalia 1793, 3. Stück) über Anmut und Würde in der Moral diese Vorstellungsart der Verbindlichkeit, als ob sie eine karthäuserartige Gemütsstimmung bei sich führe; allein ich kann, da wir in den wichtigsten Prinzipien einig sind, auch in diesem keine Uneinigkeit statuieren; wenn wir uns nur untereinander verständlich machen können. — Ich gestehe gern, daß ich dem Pflichtbegriffe, gerade um seiner Würde willen, keine Anmut beigesellen kann. Denn er enthält unbedingte Nötigung, womit Anmut in geradem Widerspruch steht.“ „Nur nach bezwungenen Ungeheuern wird Herkules Musaget, vor welcher Arbeit jene guten Schwestern zurückbeben.“ „Fragt man nun, welcherlei ist die ästhetische Beschaffenheit, gleichsam das Temperament der Tugend: mutig, mithin fröhlich oder ängstlich-gebeugt und niedergeschlagen? so ist kaum eine Antwort nötig. Die letztere sklavische Gemütsstimmung kann nie ohne einen verborgenen Haß des Gesetzes stattfinden, und das fröhliche Herz in Befolgung seiner Pflicht (nicht die Behaglichkeit in Anerkennung derselben) ist ein Zeichen der Echtheit tugendhafter Gesinnung.“ Ohne „fröhliche Gemütsstimmung“ ist man nie gewiß, „das Gute auch liebgewonnen, d. i. es in seine Maxime aufgenommen zu haben“, ibid. 2. Anm. (IV 22 f.). „Was aber gar den Synkretismus einiger Moralisten betrifft, die Eudämonie, wenngleich nicht ganz, doch zum Teil zum objektiven Prinzip der Sittlichkeit zu machen (wenn man gleich, daß jene unvermerkt auch subjektiv auf die mit der Pflicht übereinstimmende Willensbestimmung des Menschen mit Einfluß habe, einräumt): so ist das doch der gerade Weg, ohne alles Prinzip zu sein. Denn die sich einmengenden, von der Glückseligkeit entlehnten Triebfedern, ob sie zwar zu ebendenselben Handlungen, als die aus reinen moralischen Grundsätzen fließen, hinwirken, verunreinigen und schwächen doch zugleich die moralische Gesinnung selbst, deren Wert und hoher Rang eben darin besteht, unangesehen derselben, ja mit Überwindung aller ihrer Anpreisungen, keinem anderen als dem Gesetz seinen Gehorsam zu beweisen“, V. e. vorn. Ton 3. Anm. (V 4, 11). Vgl. Liebe, Anmut.