Reich der Zwecke
Reich der Zwecke. „Der Begriff eines jeden vernünftigen Wesens, das sich durch alle Maximen seines Willens als allgemein gesetzgebend betrachten muß, um aus diesem Gesichtspunkte sich selbst und seine Handlungen zu beurteilen, führt auf einen ihm anhängenden, sehr fruchtbaren Begriff, nämlich den eines Reichs der Zwecke.“ „Ich verstehe aber unter einem Reiche die systematische Verbindung verschiedener vernünftiger Wesen durch gemeinschaftliche Gesetze. Weil nun Gesetze die Zwecke ihrer allgemeinen Gültigkeit nach bestimmen, so wird, wenn man von dem persönlichen Unterschiede vernünftiger Wesen, ingleichen allem Inhalte ihrer Privatzwecke abstrahiert, ein Ganzes aller Zwecke (sowohl der vernünftigen Wesen als Zwecke an sich als auch der eigenen Zwecke, die ein jedes sich selbst setzen mag) in systematischer Verknüpfung, d. i. ein Reich der Zwecke gedacht werden können.“ „Denn vernünftige Wesen stehen alle unter dem Gesetz, daß jedes derselben sich selbst und alle anderen niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck an sich selbst behandeln solle. Hierdurch aber entspringt eine systematische Verbindung vernünftiger Wesen durch gemeinschaftliche objektive Gesetze, d. i. ein Reich, welches, weil diese Gesetze eben die Beziehung dieser Wesen aufeinander als Zwecke und Mittel zur Absicht haben, ein Reich der Zwecke (freilich nur ein Ideal) heißen kann.“ „Es gehört aber ein vernünftiges Wesen als Glied zum Reiche der Zwecke, wenn es darin zwar allgemein gesetzgebend, aber auch diesen Gesetzen selbst unterworfen ist. Es gehört dazu als Oberhaupt, wenn es als gesetzgebend keinem Willen eines anderen unterworfen ist.“ „Das vernünftige Wesen muß sich jederzeit als gesetzgebend in einem durch Freiheit des Willens möglichen Reiche der Zwecke betrachten, es mag nun sein als Glied oder als Oberhaupt“, GMS 2. Abs. (III 58 f.). Im Reich der Zwecke haben die vernünftigen Wesen als solche (Personen) eine Würde (s. d.), weil sie Anteil an der allgemeinen Gesetzgebung haben, die allen Wert bestimmt und dadurch selbst eine Würde hat, ibid. (III 60 ff.). — „Die Teleologie erwägt die Natur als ein Reich der Zwecke, die Moral ein mögliches Reich der Zwecke als ein Reich der Natur. Dort ist das Reich der Zwecke eine theoretische Idee zur Erklärung dessen, was da ist. Hier ist es eine praktische Idee, um das, was nicht da ist, aber durch unser Tun und Lassen wirklich werden kann, und zwar eben dieser Idee gemäß zustande zu bringen“, ibid. 12. Anm. (III 62 f.). Durch die eigene Gesetzgebung aller Personen ist „eine Welt vernünftiger Wesen (mundus intelligibilis)“ als ein Reich der Zwecke möglich. „Demnach muß ein jedes vernünftige Wesen so handeln, als ob es durch seine Maximen jederzeit ein gesetzgebendes Glied im allgemeinen Reiche der Zwecke wäre.“ „Ein Reich der Zwecke ist also nur möglich nach der Analogie mit einem Reiche der Natur, jenes aber nur nach Maximen, d. i. sich selbst auferlegten Regeln, diese nur nach Gesetzen äußerlich genötigter wirkender Ursachen.“ Ein solches Reich der Zwecke würde wirklich zustande kommen, wenn jene Maximen allgemein befolgt würden. Aber, auch wenn dies und die Übereinstimmung mit dem Reiche der Natur nicht erfolgt, so bleibt doch das Gesetz: „Handle nach Maximen eines allgemeinen gesetzgebenden Gliedes zu einem bloß möglichen Reich der Zwecke“, ibid. (III 65). Vgl. Intelligible Welt, Anatomie, Noumenon.