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Realität

Realität. Der Begriff der Realität ist eine der Kategorien (s. d.) der Qualität. — „Je mehr wahre Folgen aus einem gegebenen Begriffe, desto mehr Kennzeichen seiner objektiven Realität“, KrV tr. Anal. § 12 (I 136—Rc 156). „Realität ist im reinen Verstandesbegriffe das, was einer Empfindung überhaupt korrespondiert; dasjenige also, dessen Begriff an sich selbst ein Sein (in der Zeit) anzeigt; Negation, dessen Begriff ein Nichtsein (in der Zeit) vorstellt. Die Entgegensetzung beider geschieht also in dem Unterschiede derselben Zeit, als einer erfüllten oder leeren Zeit. Da die Zeit nur die Form der Anschauung, mithin der Gegenstände als Erscheinungen ist, so ist das, was an diesen der Empfindung entspricht, die transzendentale Materie aller Gegenstände, als Dinge an sich (die Sachheit, Realität). Nun hat jede Empfindung einen Grad oder Größe, wodurch sie dieselbe Zeit, d. i. den inneren Sinn in Ansehung derselben Vorstellung eines Gegenstandes, mehr oder weniger erfüllen kann, bis sie in Nichts (= 0 = negativ) aufhört. Daher ist ein Verhältnis und Zusammenhang oder vielmehr ein Übergang von Realität zur Negation, welcher jede Realität als ein Quantum vorstellig macht, und das Schema einer Realität, als der Quantität von Etwas, sofern es die Zeit erfüllt, ist eben diese kontinuierliche und gleichförmige Erzeugung derselben in der Zeit, indem man von der Empfindung, die einen gewissen Grad hat, in der Zeit bis zum Verschwinden derselben hinabgeht, oder von der Negation zu der Größe derselben allmählich aufsteigt“, ibid. tr. Anal. 2. B. 1. H. (I 186 f.—Rc 241 f.). Erscheinungen als Gegenstände der Wahrnehmung enthalten außer der Anschauungsform das „Reale der Empfindung“ (s. Empfindung). „Was nun in der empirischen Anschauung der Empfindung korrespondiert, ist Realität (realitas phaenomenon), was dem Mangel derselben entspricht, Negation = 0.“ Da jede Empfindung einer Verringerung bis zum Verschwinden fähig ist, so ist zwischen Realität und Negation in der Erscheinung ein stetiger Zusammenhang vieler möglicher Zwischenempfindungen. Das „Reale in der Erscheinung“ hat jederzeit einen Grad, eine intensive Größe (s. Intensität). Faßt man diese Realität „als Ursache (es sei der Empfindung oder anderer Realität in der Erscheinung, z. B. einer Veränderung)“, so nennt man den Grad der Realität als Ursache ein „Moment“. Ein gänzlicher Mangel alles Realen in der Erscheinung (d. h. ein absolut leerer Raum, eine absolut leere Zeit) ist etwas Unmögliches (vgl. Intensität, Raum), ibid. 2. H. 3. Abs. 2 (I 206 ff.—Rc 262 ff.).

„Empirische Realität“ ist „objektive Gültigkeit“ (z. B. der Anschauungsformen, s. d.) in bezug auf alles, was Gegenstand der Sinnlichkeit, bzw. auch des Verstandes, sein kann, also betreffs aller Objekte als Erscheinungen (s. d.), d. h. der Dinge, sofern sie zum Subjekt (zum erkennenden Bewußtsein) in Beziehung stehen. Sieht man von dieser Beziehung ab, denkt man die Dinge als „Dinge an sich“, dann hat ebendasselbe, was sonst empirische Realität hat, „transzendentale Idealität“, d. h. es ist nichts Reales, sobald wir „die Bedingung der Möglichkeit einer Erfahrung“ weglassen und es als „etwas, was den Dingen an sich selbst zum Grunde liegt“, annehmen, ibid. tr. Ästh. § 3 (I 83 f.—Rc 101 ff.). Die Zeit (s. d.) hat „subjektive Realität“ in Ansehung der inneren Erfahrung, als Vorstellungsform ist sie „wirklich“. Aber sie hat keine „absolute“ und „transzendentale“ (transzendente) Realität, ibid. § 7 (I 91 f.—Rc 109 f.). Nur in der Anschauung, ja in der äußeren Anschauung kann den Kategorien die Grundlage zu ihrer objektiven Realität verschafft werden, ibid. tr. Anal. 2. B. 2. H. 3. Abs. Allg. Anmerk. (I 267 f.—Rc 329 f.). Ohne Beziehung auf mögliche Anschauung haben sie keine objektive Gültigkeit, ibid. 3. H. (I 273—Rc 335). „Wenn eine Erkenntnis objektive Realität haben, d. i. sich auf einen Gegenstand beziehen und in demselben Bedeutung und Sinn haben soll, so muß der Gegenstand auf irgendeine Art gegeben werden können. Ohne das sind die Begriffe leer, und man hat dadurch zwar gedacht, in der Tat aber durch dieses Denken nichts erkannt, sondern bloß mit Vorstellungen ge, spielt.“ Die „Möglichkeit der Erfahrung“ ist das, was allen unseren Erkenntnissen a priori objektive Realität gibt. Die Erfahrung hat „Prinzipien ihrer Form a priori“ zugrunde liegen, nämlich „allgemeine Regeln der Einheit in der Synthesis der Erscheinungen, deren objektive Realität als notwendige Bedingungen, jederzeit in der Erfahrung, ja sogar ihrer Möglichkeit gewiesen werden kann“. Erfahrung als „empirische Synthesis“ ist die einzige Erkenntnis£rt, welche aller anderen Synthesis Realität gibt, ibid. 2. H. 2. Abs. (I 196 f.—Rc 252 f.). Die Kritik gelangt zu dem Ergebnis, „daß keinem Begriffe seine objektive Realität anders gesichert werden könne, als sofern er in einer korrespondierenden Anschauung (die für uns jederzeit sinnlich ist) dargestellt werden kann“, Üb. e. Entdeck. Einl. (V 3, 5).

Die „Idealität des Raumes und der Zeit“ (s. Anschauungsformen) ist „gleichwohl zugleich eine Lehre der vollkommenen Realität derselben in Ansehung der Gegenstände der Sinne... als Erscheinungen“, Fortschr. d. Metaph. 1. Abt. Geschichte der Transzendentalphilosophie (V 3, 93). „Einen reinen Begriff des Verstandes als an einem Gegenstande möglicher Erfahrung denkbar vorstellen, heißt, ihm objektive Realität verschaffen und überhaupt: ihn darstellen. Wo man dieses nicht zu leisten vermag, ist der Begriff leer, d. i. er reicht zu keiner Erkenntnis zu. Diese Handlung, wenn die objektive Realität dem Begriff geradezu (direkte) durch die demselben korrespondierende Anschauung zugeteilt, d. i. dieser unmittelbar dargestellt wird, heißt der Schematismus; kann er aber nicht unmittelbar, sondern nur in seinen Folgen (indirekte) dargestellt werden, so kann sie die Symbolisierung des Begriffs genannt werden“, ibid. 1. Abt. Von der Art... (V 3, 106 f.); vgl. Symbolisierung, Schematismus. Der Beweis der „objektiven Realität“ eines Begriffs kann nur geleistet werden „durch Darstellung des dem Begriffe korrespondierenden Objekts“ vermittelst der (reinen oder empirischen) Anschauung, ibid. Beilage I, 2. Abs. (V 3, 157). „Die objektive Realität der Kategorie ist theoretisch, die der Idee ist nur praktisch“, ibid. III, Randbemerkungen (V 3, 165).

Vom Übersinnlichen (s. d.) gibt es keine theoretische Erkenntnis, es gibt keine objektive Belehrung von der Wirklichkeit der Gegenstände der Ideen (s. d.), sondern nur eine „subjektiv-, und zwar praktisch gültige und in dieser Absicht hinreichende Belehrung, so zu handeln, als ob wir wüßten, daß diese Gegenstände wirklich wären“. Gott, Freiheit, Unsterblichkeit sind die Gegenstände von Ideen, die wir uns „der Forderung der moralischen Gesetze in uns zufolge selbst machen und ihnen objektive Realität freiwillig geben, da wir versichert sind, daß in diesen Ideen kein Widerspruch gefunden werden könne“. „In praktischer Rücksicht ... machen wir uns diese Gegenstände selbst, sowie wir die Idee derselben dem Endzwecke unserer reinen Vernunft behilflich zu sein urteilen, welcher Endzweck, weil er moralisch notwendig ist, dann freilich wohl die Täuschung bewirken kann, das, was in subjektiver Beziehung, nämlich für den Gebrauch der Freiheit des Menschen Realität hat, weil es in Handlungen, die dieser ihrem Gesetze gemäß sind, der Erfahrung dargelegt worden, für Erkenntnis der Existenz des dieser Form gemäßen Objektes zu halten.“ Es handelt sich hier um eine „objektive, aber praktische Realität“, um vernunftmäßige „Annahmen“, Fortschr. d. Metaph. Auflösung der Aufgabe I (V 3, 129 ff.).

Die Natur Gottes ist ganz unerforschlich. Aber der Begriff des göttlichen Verstandes und Wollens hat „Realität in praktischer Rücksicht (auf den Lebenswandel)“, „in Beziehung auf welche auch allein eine Analogie des göttlichen Verstandes und Willens mit dem des Menschen und dessen praktischer Vernunft angenommen werden kann, ungeachtet theoretisch betrachtet dazwischen gar keine Analogie stattfindet“, V. e. vorn. Ton 5. Anm. (V 4, 17). Die Ideen bekommen durch das Sittengesetz eine „moralisch-praktische Realität“, „nämlich uns so zu verhalten, als ob ihre Gegenstände (Gott und Unsterblichkeit), die man also in jener (praktischen) Rücksicht postulieren darf, gegeben wären“, Fried. i. d. Ph. 1. Abs. A. (V 4, 33).

Die Idee von dem „Inbegriffe aller Möglichkeit“ ist die Idee von der Totalität des Seins, die als Bedingung der durchgängigen Bestimmung (s. d.) eines jeden Dinges zugrunde liegt. Sie läutert sich zu einem a priori bestimmten Begriff von einem „einzelnen Gegenstande, der durch die bloße Idee durchgängig bestimmt ist“, zu einem „Ideal“ (s. d.) der reinen Vernunft. Alle (transzendentalen) Negationen (s. d.) sind nur möglich im Gegensatz zu „transzendentalen Bejahungen“. Diese bedeuten ein Etwas, „dessen Begriff an sich selbst schon ein Sein ausdrückt und daher Realität (Sachheit) genannt wird, weil durch sie allein und so weit sie reicht, Gegenstände Etwas (Dinge) sind“. Die Realitäten enthalten „die Data und sozusagen die Materie oder den transzendentalen Inhalt zu der Möglichkeit und durchgängigen Bestimmung aller Dinge“. Dieses „transzendentale Substratum“ ist „die Idee von einem All der Realität (omnitudo realitatis)“. „Alle wahren Verneinungen sind alsdann nichts als Schranken, welches sie nicht genannt werden könnten, wenn nicht das Unbeschränkte (das All) zum Grunde läge.“ Der Begriff eines „entis realissimi“ ist der durchgängig bestimmte Begriff eines „einzelnen Wesens“, also ein transzendentes „Ideal“, welches der durchgängigen Bestimmung der Dinge zugrunde liegt; es ist das „einzige eigentliche Ideal“ der menschlichen Vernunft. Der Gebrauch derselben durch diese ist analog dem Verfahren in disjunktiven Vernunftschlüssen. Zu beachten ist aber, daß die Vernunft nicht die „Existenz“ eines dem Ideale gemäßen Wesens, sondern nur die „Idee“ desselben voraussetzt, „um von einer unbedingten Totalität der durchgängigen Bestimmung die bedingte, d. i. die des Eingeschränkten abzuleiten“. In diesem Sinne ist ihr das Ideal „das Urbild (Prototypon) aller Dinge, welche insgesamt, als mangelhafte Kopien (ectypa), den Stoff zu ihrer Möglichkeit daher nehmen“, KrV tr. Dial. 2. B. 3. H. 2. Abs. (I 498 ff.—Rc 635 ff.). Alle Möglichkeit der Dinge ist also „abgeleitet“. „Ursprünglich“ ist nur dasjenige, was „alle Realität in sich schließt“. „Denn alle Verneinungen (welche doch die einzigen Prädikate sind, wodurch sich alles andere vom realsten Wesen unterscheiden läßt) sind bloße Einschränkungen einer größeren und endlich der höchsten Realität, mithin setzen sie diese voraus und sind dem Inhalte nach von ihr bloß abgeleitet.“ Die Mannigfaltigkeit der Dinge ist nur eine Einschränkung der ihr „gemeinschaftliches Substratum“ bildenden „höchsten Realität“ (des „Urwesens“, „höchsten Wesens“, „Wesens aller Wesen“ — aber nur als „Idee“, nicht als „Existenz“!). Dieses „Urwesen“ ist als „einfach“ zu denken, also als unteilbar. Es besteht nicht aus den Dingen, ist nicht ein „Aggregat“ derselben. „Vielmehr würde der Möglichkeit aller Dinge die höchste Realität als ein Grund und nicht als Inbegriff zum Grunde liegen, und die Mannigfaltigkeit der ersteren nicht auf der Einschränkung des Urwesens selbst, sondern seiner vollständigen Folge beruhen, zu welcher denn auch unsere ganze Sinnlichkeit samt aller Realität in der Erscheinung gehören würde, die zu der Idee des höchsten Wesens als ein Ingredienz nicht gehören kann.“ Wenn wir nun diese Idee des allerrealsten Wesens „hypostasieren“ (und „personifizieren“), so bestimmen wir das Urwesen als ein „einiges, einfaches, allgenugsames, ewiges etc.“, d. h. als Gott (s. d.). Damit aber überschreitet die Vernunft ihre Grenzen. Denn die objektive Gegebenheit und Dinglichkeit dieses All der Realität ist „eine bloße Erdichtung“. Nicht einmal die Möglichkeit einer solchen Hypothese (oder Existenz eines solchen Wesens) haben wir das Recht anzunehmen. Es liegt hier ein transzendentaler Schein, eine natürliche Dialektik (s. d.) vor. Ein Gegenstand der Sinne kann nur durchgängig bestimmt werden, „wenn er mit allen Prädikaten der Erscheinung verglichen und durch dieselben bejahend oder verneinend vorgestellt wird“. Weil das, worin das Reale aller Erscheinung gegeben ist, die „einige allbefassende Erfahrung“ ist, „so muß die Materie zur Möglichkeit aller Gegenstände der Sinne als in einem Inbegriffe gegeben, vorausgesetzt werden, auf dessen Einschränkung allein alle Möglichkeit empirischer Gegenstände, ihr Unterschied voneinander und ihre durchgängige Bestimmung beruhen kann“. Es ist „nichts für uns ein Gegenstand, wenn es nicht den Inbegriff aller empirischen Realität als Bedingung seiner Möglichkeit voraussetzt“. Nach einer „natürlichen Illusion“ übertragen wir diesen Grundsatz auf Dinge an sich. „Daß wir aber hernach diese Idee vom Inbegriffe aller Realität hypostasieren, kommt daher, weil wir die distributive Einheit des Erfahrungsgebrauchs des Verstandes in die kollektive Einheit eines Erfahrungsganzen dialektisch verwandeln, und an diesem Ganzen der Erscheinung uns ein einzelnes Ding denken, was alle empirische Realität in sich enthält“, ibid. (I 502 ff.—Rc 639 ff.). Vgl. Kosmologischer Gottesbeweis. Die absolute Realität Gottes (s. d.) ist die Grundlage aller eingeschränkten Realität, N 4244 ff., 3731 ff., 3811 ff., 5274 u. ö. Vgl. Vorles. über d. philos. Religionslehre S. 35 ff.; Vorles. über Metaphys. S. 100. Vgl. Existenz, Wirklichkeit, Geltung, Objektiv, Grad, Intensität, Empfindung, Ding, Ding an sich, Objekt, Idealismus, Außenwelt, Idee.