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Glückseligkeit

Glückseligkeit. Glückseligkeit (Eudämonie) ist nicht das sittliche Motiv und nicht das Kriterium des Sittlichen, da sie nicht zum Prinzip einer Gesetzgebung taugt. Der sittliche Wille muß unabhängig von eudämonischen Zwecken und Triebfedern bestimmt werden, wenn auch die Förderung (fremder) Glückseligkeit mit zu den Pflichten (s. d.) gehört. Das menschliche Leben, auch das geschichtliche, ist nicht auf Glückseligkeit als höchstes Ziel eingestellt, wenn auch von Natur aus jeder nach Glückseligkeit strebt. Die Verbindung zwischen der Sittlichkeit und der Glückseligkeit, deren würdig zu sein die Hauptsache ist, stellt die Religion her (s. Postulate). Glückseligkeit ist nicht das vollständige Gut (s. d.); nur die der Sittlichkeit entsprechende, ihr proportionierte Glückseligkeit bildet einen Bestandteil des höchsten Gutes. Da Unlust und Lust reale Gegensätze sind, die einander modifizieren, so ist die Summe der Glückseligkeit des menschlichen Lebens dementsprechend zu schätzen, „nur daß diese Aufgabe für Menschen unauflöslich ist, weil nur gleichartige Empfindungen können in Summen gezogen werden, das Gefühl aber in dem sehr verwickelten Zustande des Lebens nach der Mannigfaltigkeit der Rührungen sehr verschieden erscheint“, Neg. Groß. 2. Abs. 2. (V 1, 87 f.). „Der Begriff der Glückseligkeit ist nicht ein solcher, den der Mensch etwa von seinen Instinkten abstrahiert und so aus der Tierheit in ihm selbst hernimmt, sondern ist eine bloße Idee eines Zustandes, welcher er den letzteren unter bloß empirischen Bedingungen (welches unmöglich ist) adäquat machen will. Er entwirft sie sich selbst, und zwar auf so verschiedene Art durch seinen mit der Einbildungskraft und den Sinnen verwickelten Verstand, er ändert sogar diesen so oft, daß die Natur, wenn sie auch seiner Willkür gänzlich unterworfen wäre, doch schlechterdings kein bestimmtes allgemeines und festes Gesetz annehmen könnte, um mit diesem schwankenden Begriff und so mit dem Zweck, den jeder sich willkürlicherweise vorsetzt, übereinzustimmen. Aber selbst, wenn wir entweder diesen auf das wahrhafte Naturbedürfnis, worin unsere Gattung durchgängig mit sich übereinstimmt, herabsetzen, oder anderseits die Geschicklichkeit, sich eingebildete Zwecke zu verschaffen, noch so hoch steigern wollten: so würde doch, was der Mensch unter Glückseligkeit versteht, und was in der Tat sein eigener letzter Naturzweck (nicht Zweck der Freiheit) ist, von ihm nie erreicht werden; denn seine Natur ist nicht von der Art, irgendwo im Besitze und Genüsse aufzuhören und befriedigt zu werden.“ Der Mensch ist so wenig ein Liebling der Natur, daß, wenn sein Zweck auf die Glückseligkeit unserer Gattung gestellt wäre, dieser Zweck auf Erden nie erreicht werden würde. Der Mensch ist zwar, als Wesen, das sich selbst Zwecke setzt, „Herr der Natur“ und letzter Zweck derselben, aber immer nur bedingt, nämlich sofern er es versteht und den Willen hat, der Natur und sich selbst „eine solche Zweckbeziehung zu geben, die unabhängig von der Natur sich selbst genug, mithin Endzweck sein könne, der aber in der Natur gar nicht gesucht werden muß.“ Glückseligkeit ist „der Inbegriff aller durch die Natur und außer und in dem Menschen möglichen Zwecke desselben“ ; sie ist die „Materie aller seiner Zwecke auf Erden, die, wenn er sie zu seinem ganzen Zwecke macht, ihn unfähig macht, seiner eigenen Existenz einen Endzweck zu setzen und dazu zusammenzustimmen“, KU § 83 (II 298 ff.); vgl. Kultur, Endzweck. Glückseligkeit ist nicht Zweck der Natur, mögen auch Menschen sie zu ihrem letzten subjektiven Zweck machen. Sie ist nur „bedingter Zweck“ und nur eine „Folge“ nach Maßgabe der Übereinstimmung mit dem (moralischen) Endzweck, ibid. § 84 Anm. (II 305 f.).

„Die Natur hat gewollt, daß der Mensch alles, was über die mechanische Anordnung seines tierischen Daseins geht, gänzlich aus sich selbst herausbringe und keiner anderen Glückseligkeit oder Vollkommenheit teilhaftig werde, als die er sich selbst, frei von Instinkt, durch eigene Vernunft verschafft hat.“ „Es scheint ... der Natur darum gar nicht zu tun gewesen zu sein, daß er wohl lebe; sondern daß er sich so weit hervorarbeite, um sich, durch sein Verhalten, des Lebens und des Wohlbefindens würdig zu machen“, Glückseligkeit i. weltbürg. Abs. 3. Satz (VI 7 f.). „In allen Epochen der Menschheit, sowie auch zu derselben Zeit in allen Ständen, findet eine Glückseligkeit statt, die gerade den Begriffen und der Gewohnheit des Geschöpfes an die Umstände, darin es geboren und erwachsen ist, angemessen ist“, Rezension von Herders „Ideen“ 2. T. (VI 45).

„Glückseligkeit ist die Befriedigung aller unserer Neigungen (sowohl extensive, der Mannigfaltigkeit derselben, als intensive, dem Grade, und auch protensive, der Dauer nach).“ Das „praktische Gesetz aus dem Bewegungsgrunde der Glückseligkeit“ ist ein „pragmatisches“ Gesetz, eine „Klugheitsregel“, während das „moralische“ Gesetz (Sittengesetz) ein solches ist, „das zum Bewegungsgrunde nichts anderes hat, als die Würdigkeit glücklich zu sein“, KrV tr. Meth. 2. H. 2. Abs. (I 667 f.—Rc 819 f.). Auf die Frage: was soll ich tun? lautet die Antwort: „Tue das, wodurch du würdig wirst, glücklich zu sein.“ Auf die Frage: was darf ich hoffen? ist zu antworten: es ist notwendig anzunehmen, „daß jedermann die Glückseligkeit in demselben Maße zu hoffen Ursache habe, als er sich derselben in seinem Verhalten würdig gemacht hat.“ Es ist also das System der Sittlichkeit mit dem der Glückseligkeit, aber „nur in der Idee der reinen Vernunft“, unzertrennlich verbunden. Für die Wirklichkeit ist diese Verknüpfung aber nur zu erhoffen, „wenn eine höchste Vernunft, die nach moralischen Gesetzen gebietet, zugleich als Ursache der Natur zum Grunde gelegt wird.“ Die Idee einer solchen Ursache ist das „Ideal des höchsten Gutes“. Die Verknüpfung von Sittlichkeit und ihr angemessener Glückseligkeit ist nur möglich „in der intelligiblen Welt, unter einem weisen Urheber und Regierer“. So ist die Vernunft genötigt, Gott und Unsterblichkeit anzunehmen, um mit den moralischen Gesetzen die ihnen a priori angemessenen Folgen zu verknüpfen, deren Ausbleiben sie zu „leeren Hirngespinsten“ machen würde, ibid. (I 669 ff.—Rc 821 ff.). Glückseligkeit ist für unsere Vernunft nicht das „vollständige“ Gut (s. d.). Das höchste Gut besteht in der Glückseligkeit „in dem genauen Ebenmaße mit der Sittlichkeit der vernünftigen Wesen, dadurch sie derselben würdig sind“, ibid. (I 672 f.—Rc 825 f.).

Glückseligkeit ist nicht der eigentliche Zweck der Natur. Die Vernunft ist nicht als ein Mittel zu ihrer Erlangung bestimmt, die durch einen „Instinkt“ viel besser gesichert worden wäre, GMS 1. Abs. (III 12 f.); vgl. Wille, guter. Glückseligkeit ist aber doch ein Zweck, den man bei allen vernünftigen Wesen als wirklich voraussetzen kann, als einen naturnotwendigen Zweck des Handelns. Der hypothetische Imperativ (s. d.), der „die praktische Notwendigkeit der Handlung als Mittel zur Beförderung der Glückseligkeit“ ausdrückt, ist daher assertorisch, ibid. 2. Abs. (III 37). Der Begriff der Glückseligkeit ist „ein so unbestimmter Begriff“, „daß, obgleich jeder Mensch zu dieser zu gelangen wünscht, er doch niemals bestimmt und mit sich selbst einstimmig sagen kann, was er eigentlich wünsche und wolle. Die Ursache davon ist: daß alle Elemente, die zum Begriff der Glückseligkeit gehören, insgesamt empirisch sind, d. i. aus der Erfahrung müssen entlehnt werden, daß gleichwohl zur Idee der Glückseligkeit ein absolutes Ganze, ein Maximum des Wohlbefindens in meinem gegenwärtigen und jedem zukünftigen Zustande erforderlich ist. Nun ist,s unmöglich, daß das einsehendste und zugleich allervermögendste, aber doch endliche Wesen sich einen bestimmten Begriff von dem mache, was es hier eigentlich wolle.“ Um zu wissen, was uns wahrhaft glücklich machen kann, gehörte Allwissenheit. Die „Imperative der Klugheit“ gebieten eigentlich nicht, sondern sind „Anratungen“. Glückseligkeit ist eben „nicht ein Ideal der Vernunft, sondern der Einbildungskraft“, ibid. (III 40 f.).

Von den empirisch-heteronomen ethischen Prinzipien ist das Prinzip der eigenen Glückseligkeit „am meisten verwerflich, nicht bloß deswegen, weil es falsch ist, und die Erfahrung dem Vorgehen, als ob das Wohlbefinden sich jederzeit nach dem Wohlverhalten richte, widerspricht; auch nicht bloß, weil es gar nichts zur Gründung der Sittlichkeit beiträgt...: sondern weil es der Sittlichkeit Triebfedern unterlegt, die sie eher untergraben und ihre ganze Erhabenheit vernichten, indem sie die Bewegursachen zur Tugend mit denen zum Laster in eine Klasse stellen“, ibid. 2. Abs. Einteilung aller möglichen Prinzipien (III 69).

Glückseligkeit ist „das Bewußtsein eines vernünftigen Wesens von der Annehmlichkeit des Lebens, die ununterbrochen sein ganzes Dasein begleitet“, KpV 1. T. 1. B. 1. H. § 3 (II 27). „Glücklich zu sein, ist notwendig das Verlangen jedes vernünftigen, aber endlichen Wesens und also ein unvermeidlicher Bestimmungsgrund seines Begehrungsvermögens.“ Glückseligkeit ist aber ein nur empirisch erkennbarer Bestimmungsgrund (vgl. Grundsätze, praktische). „Worin nämlich jeder seine Glückseligkeit zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust und Unlust an ..., und ein subjektiv notwendiges Gesetz (als Naturgesetz) ist also objektiv ein gar sehr zufälliges praktisches Prinzip, das in verschiedenen Subjekten sehr verschieden sein kann und muß, mithin niemals ein Gesetz abgeben kann.“ Das Gefühl der Lust und Unlust kann niemals als allgemein auf dieselben Gegenstände gerichtet angenommen werden, ibid. § 3 Anmerk. II (II 31 ff.). Alle materialen Grundsätze (s. d.) des Handelns gehören unter das allgemeine Prinzip der Selbstliebe oder eigenen Glückseligkeit, ibid. § 3 (II 27 ff.). Gäbe es auch Einstimmung bezüglich der Objekte des Gefühls, so könnte das Prinzip der Selbstliebe dennoch kein praktisches Gesetz abgeben, denn diese Einhelligkeit wäre nur zufällig. „Der Bestimmungsgrund wäre immer doch nur subjektiv gültig und bloß empirisch und hätte diejenige Notwendigkeit nicht, die in einem jeden Gesetze gedacht wird, nämlich die objektive aus Gründen a priori“, ibid. § 3 Anmerk. II (II 33). — Fremde Glückseligkeit kann das Objekt des Willens eines vernünftigen Wesens sein, aber nicht der Bestimmungsgrund der Maxime. Meine eigene Glückseligkeit kann nur dann Gesetz werden, wenn ich die der anderen mit einschließe. „Also entspringt das Gesetz, anderer Glückseligkeit zu befördern, nicht von der Voraussetzung, daß dieses ein Objekt für jedes seine Willkür sei, sondern bloß daraus, daß die Form der Allgemeinheit, die die Vernunft als Bedingung bedarf, einer Maxime der Selbstliebe die objektive Gültigkeit eines Gesetzes zu geben, der Bestimmungsgrund des Willens wird.“ Die „gesetzgebende Form“ schränkt meine auf Neigung gegründete Maxime ein, „um ihr die Allgemeinheit eines Gesetzes zu verschaffen und sie so der reinen praktischen Vernunft angemessen zu machen“, ibid. § 8 Anmerk. I (II 44 f.). Das Prinzip der Glückseligkeit „kan zwar Maximen, aber niemals solche abgeben, die zu Gesetzen des Willens tauglich wären, selbst wenn man sich die allgemeine Glückseligkeit zum Objekt machte.“ Es kann hier nur „generelle“, nicht „universelle“ Regeln geben. Die Maxime der Klugheit „rät bloß an“, das Gesetz der Sittlichkeit „gebietet“. Was Pflicht ist, kann jeder leicht einsehen; was aber wahren dauerhaften Vorteil bringt, ist „in undurchdringliches Dunkel eingehüllt und erfordert viel Klugheit“. Die „Grenzen der Sittlichkeit und der Selbstliebe“ sind deutlich und scharf; ein „anderes Richtmaß des Urteils“ besteht in beiden, auch ist die Strafwürdigkeit nicht mit dem Glückseligkeitsprinzip vereinbar, ibid. § 8 Anmerk. II (II 47 ff.). Die Ansprüche auf Glückseligkeit brauchen nicht aufgegeben zu werden, man darf nur, sobald von Pflicht die Rede ist, darauf gar nicht Rücksicht nehmen. „Es kann sogar in gewissem Betracht Pflicht sein, für seine Glückseligkeit zu sorgen; teils weil sie (wozu Geschicklichkeit, Gesundheit, Reichtum gehört) Mittel zur Erfüllung seiner Pflicht enthält, teils weil der Mangel derselben (z. B. Armut) Versuchungen enthält, seine Pflicht zu übertreten. Nur seine Glückseligkeit zu befördern, kann unmittelbar niemals Pflicht, noch weniger ein Prinzip aller Pflicht sein“, ibid. 3. H. Kritische Beleuchtung.. (II 120). Moral ist nicht die „Lehre, wie wir uns glücklich machen, sondern wie wir der Glückseligkeit würdig werden sollen.“ Die Moral hat es lediglich mit der „Vernunftbedingung“, nicht mit einem Erwerbmittel der Glückseligkeit zu tun. Die Religion (s. d.) gibt uns die Hoffnung, der Glückseligkeit einst in dem Maße unserer Würdigkeit teilhaftig zu werden. Die Glückseligkeit ist nicht der letzte Zweck Gottes in der Schöpfung der Welt, sondern das höchste Gut (s. d.) ist dieser Zweck (gleichsam die „Ehre Gottes“), ibid. 2. B. 2. H. V (II 166 f.). — Es wird seitens der Moral dem Menschen nicht angesonnen, „er solle, wenn es auf Pflichtbefolgung ankommt, seinem natürlichen Zwecke, der Glückseligkeit, entsagen; denn das kann er nicht, so wie kein endliches vernünftiges Wesen überhaupt; sondern er müsse, wenn das Gebot der Pflicht eintritt, gänzlich von dieser Rücksicht abstrahieren, er müsse sie durchaus nicht zur Bedingung der Befolgung des ihm durch die Vernunft vorgeschriebenen Gesetzes machen; ja sogar, soviel ihm möglich ist, sich bewußt zu werden suchen, daß sich keine von jener hergeleitete Triebfeder in die Pflichtbestimmung unbemerkt mit einmische; welches dadurch bewirkt wird, daß man die Pflicht lieber mit Aufopferungen verbunden vorstellt, welche ihre Beobachtung (die Tugend) kostet, ala mit den Vorteilen, die sie uns einbringt: um das Pflichtgebot in seinem ganzen, unbedingten Gehorsam fordernden, sich selbst genügsamen und keines andern Einflusses bedürftigen Ansehen sich vorstellig zu machen.“ „Die Würdigkeit glücklich zu Bein ist diejenige, auf dem selbsteigenen Willen des Subjektes beruhende Qualität einer Person, in Gemäßheit mit welcher eine allgemeine (der Natur sowohl als dem freien Willen) gesetzgebende Vernunft zu allen Zwecken dieser Person zusammenstimmen würde. Sie ist also von der Geschicklichkeit, sich ein Glück zu erwerben, gänzlich unterschieden“, Theor. Prax. I (VI 74 ff.). Glückseligkeit — „die nie anders als bloß bedingterweise, sofern man ihrer würdig ist, von der Vernunft als Gut anerkannt wird“, ibid. (VI 78). „Glückseligkeit enthält alles (und auch nichts mehr als), was uns die Natur verschaffen; Tugend aber das, was niemand als der Mensch selbst sich geben oder nehmen kann“, ibid. 5. Anm. (VI 79).

Eine Handlung muß „zuvor an sich selbst nach dem moralischen Gesetze abgewogen werden, ehe sie auf die Glückseligkeit anderer gerichtet wird. Diese ihre Beförderung ist also nur bedingterweise Pflicht und kann nicht zum obersten Prinzip moralischer Maximen dienen“, Rel. Vorr. zur 1. A., 1. Anm. (IV 2). Glückseligkeit „ist unserer Natur nach für uns, als von Gegenständen der Sinnlichkeit abhängige Wesen, das erste und das, was wir unbedingt begehren. Ebendieselbe ist unserer Natur nach (wenn man überhaupt das, was uns angeboren ist, so nennen will), als mit Vernunft und Freiheit begabter Wesen, bei weitem nicht das erste, noch auch unbedingt ein Gegenstand unserer Maximen; sondern dieses ist die Würdigkeit, glücklich zu sein, d. i. die Übereinstimmung aller unserer Maximen mit dem moralischen Gesetze. Daß diese nun objektiv die Bedingung sei, unter welcher der Wunsch der ersteren allein mit der gesetzgebenden Vernunft zusammenstimmen kann, darin besteht alle sittliche Vorschrift, und in der Gesinnung, auch nur so bedingt zu wünschen, die sittliche Denkungs-art“, Rel. 1. St. Allg. Anmerk. 2. Anm. (IV 50).

„Wenn die Sittenlehre nichts als Glückseligkeitslehre wäre, so würde es ungereimt sein, zum Behufe derselben sich nach Prinzipien a priori umzusehen. Denn so scheinbar es auch immer lauten mag, daß die Vernunft noch vor der Erfahrung einsehen könne, durch welche Mittel man zum dauerhaften Genusse wahrer Freuden des Lebens gelangen könne: so ist doch alles, was man darüber a priori lehrt, entweder tautologisch oder ganz grundlos angenommen. Nur die Erfahrung kann lehren, was uns Freude bringe. Die natürlichen Triebe ... können allein und einem jeden nur auf seine besondere Art zu erkennen geben, worin er jene Freuden zu setzen, ebendieselbe kann ihm auch die Mittel lehren, wodurch er sie zu suchen habe. Alles scheinbare Vernünfteln a priori ist hier im Grunde nichts als durch Induktion zur Allgemeinheit erhobene Erfahrung“, MS Einl. II (III 16 f.). Der Eudämonist meint, die moralische Glückseligkeit, die Seelenruhe und Zufriedenheit aus dem sittlichen Handeln sei der eigentliche Beweggrund dieses Handelns. „Nicht der Begriff der Pflicht bestimme unmittelbar seinen Willen, sondern nur vermittelst der im Prospekt gesehenen Glückseligkeit werde er bewogen, seine Pflicht zu tun. — Nun ist aber klar, daß, weil er sich diesen Tugendlohn nur von dem Bewußtsein, seine Pflicht getan zu haben, versprechen kann, das letztgenannte doch vorangehen müsse; d. i. er muß sich verbunden finden, seine Pflicht zu tun, ehe er noch und ohne daß er daran denkt, daß Glückseligkeit die Folge der Pflichtbeobachtung sein werde. Er dreht sich also mit seiner Ätiologie im Zirkel herum. Er kann nämlich nur hoffen, glücklich (oder innerlich selig) zu sein, wenn er sich seiner Pflichtbeobachtung bewußt ist; er kann aber zur Beobachtung seiner Pflicht nur bewogen werden, wenn er voraussieht, daß er sich dadurch glücklich machen werde. — Aber es ist in dieser Vernünftelei auch ein Widerspruch. Denn einerseits soll er seine Pflicht beobachten, ohne erst zu fragen, welche Wirkung dieses auf seine Glückseligkeit haben werde, mithin aus einem moralischen Grunde; anderseits aber kann er doch nur etwas für seine Pflicht anerkennen, wenn er auf Glückseligkeit rechnen kann, die ihm dadurch erwachsen wird, mithin nach pathologischem Prinzip, welches gerade das Gegenteil des vorigen ist.“ Die Lust, welche vor der Befolgung des Gesetzes hergehen muß, ist „pathologisch“; diejenige aber, vor welcher das Gesetz hergehen muß, damit sie empfunden werde, ist in der sittlichen Ordnung. „Wenn dieser Unterschied nicht beobachtet wird, wenn Eudämonie (das Glückseligkeitsprinzip) statt der Eleutheronomie (des Freiheitsprinzips der inneren Gesetzgebung) zum Grundsatze aufgestellt wird, so ist die Folge davon Euthanasie (der sanfte Tod) aller Moral“, MST Vorr. (II 214 f.). „Fremde Glückseligkeit“ ist ein Zweck (s. d.), der zugleich Pf licht ist. Eigene Glückseligkeit ist ein Zweck, den zwar alle Menschen haben, der aber nie als Pflicht gelten kann. „Was ein jeder unvermeidlich schon von selbst will, das gehört nicht unter den Begriff von Pflicht; denn diese ist eine Nötigung zu einem ungern genommenen Zweck. Es widerstreitet sich also zu sagen: man sei verpflichtet, seine eigene Glückseligkeit mit allen Kräften zu befördern“, MST Einl. IV (III 225 f.). „Glückseligkeit, d. i. Zufriedenheit mit seinem Zustande, sofern man der Fortdauer derselben gewiß ist, sich zu wünschen und zu suchen, ist der menschlichen Natur unvermeidlich; ebendarum aber auch nicht ein Zweck, der zugleich Pflicht ist.“ Nur indirekt ist es Pflicht, z. B. eigene Armut abzuwehren, weil diese (und dgl.) eine Versuchung zu Lastern ist, ibid. Einl. V B (III 228). Daß das Wohltun Pflicht sei, ergibt sich daraus: „daß, weil unsere Selbstliebe von dem Bedürfnis, von anderen auch geliebt (in Notfällen geholfen) zu werden, nicht getrennt werden kann, wir also uns zum Zweck für andere machen, und diese Maxime niemals anders als bloß durch ihre Qualifikation zu einem allgemeinen Gesetz, folglich durch einen Willen, andere auch für uns zu Zwecken zu machen, verbinden kann, fremde Glückseligkeit ein Zweck sei, der zugleich Pflicht ist“. Negative Pflicht ist auch die Beförderung des moralischen Wohlseins anderer, ibid. VIII, 2. (III 235 f.). „Glückseligkeit istdas Losungswort aller Welt; aber sie findet sich nirgend in der Natur, die der Glückseligkeit und der Zufriedenheit mit seinem Zustande nie empfänglich ist. Nur die Würdigkeit, glücklich zu sein, ist das, was der Mensch erringen kann. In dem, was er tut, nicht in dem, was er genießt oder leidet, d. i. in dem von seiner Natur unabhängigen Selbst, was ihm kein Schicksal verschafft, kann er Zufriedenheit in seine Seele bringen“, Bruchstücke aus d. Nachlaß (VIII 294). „Die Existenz eines bloß glückseligen Wesens hat wohl für dies Wesen, aber nicht für einen bloßen Zuschauer einigen Wert. Die Existenz eines bloß sittlichen Wesens ohne Glückseligkeit hat zwar für einen Zuschauer den größten Wert, aber für das Subjekt selbst nicht. Der Wert der Existenz aber muß objektiv sowohl als subjektiv bestimmt und gewiß sein“, N 6280.

„Die Materie der Glückseligkeit ist sinnlich, die Form derselben aber ist intellektuell: diese ist nun nicht anders möglich als Freiheit unter Gesetzen a priori ihrer Einstimmung mit sich selbst, und diese zwar nicht, um Glückseligkeit wirklich zu machen, sondern zur Möglichkeit der Idee derselben. Denn die Glückseligkeit besteht eben im Wohlbefinden, sofern es nicht äußerlich zufällig ist, auch nicht empirisch abhängend, sondern auf unserer eigenen Wahl beruht“, Glückseligkeit ist „nicht die größte Summe des Vergnügens, sondern die Lust aus dem Bewußtsein seiner Selbstmacht, zufrieden zu sein“. „Die Funktion der Einheit a priori aller Elemente der Glückseligkeit ist die notwendige Bedingung der Möglichkeit und das Wesen derselben. Die Einheit a priori aber ist die Freiheit unter allgemeinen Gesetzen der Willkür, d. i. Moralität. Das macht die Glückseligkeit als solche möglich und hängt nicht von ihr als dem Zwecke ab und ist selbst die ursprüngliche Form der Glückseligkeit, bei welcher man der Annehmlichkeiten gar wohl entbehren und dagegen viel Übel des Lebens ohne Verminderung der Zufriedenheit, ja selbst zur Erhebung derselben, übernehmen kann.“ Der innere Wert der Tugend ist, daß sie „Selbstzufriedenheit“ bei sich führt, als Bedingung der Glückseligkeit, beruhend auf der Freiheit nach „Gesetzen einer durchgängigen Zusammenstimmung mit sich selbst“, welche den Wert und die Würde der Person ausmacht. Die Glückseligkeit ist „nicht etwas Empfundenes, sondern Gedachtes“. „Es ist auch nicht ein Gedanke, der aus der Erfahrung genommen werden kann, sondern der sie allererst möglich macht. Nicht zwar, als ob man die Glückseligkeit nach allen ihren Elementen kennen müsse, sondern die Bedingung a priori, unter der man allein der Glückseligkeit fähig sein kann.“ „Das Gute des Lebens oder die Glückseligkeit, entweder wie sie erscheint oder wie sie ist. Das letztere wird durch moralische Kategorien vorgestellt, die aber nicht auf besondere Gegenstände, sondern die des Lebens und der Welt gehen, aber um die Einheit derselben in einer einzigen möglichen empirischen Glückseligkeit festzusetzen. An sich selbst stellen sie nicht etwas Gutes vor, sondern bloß die Form der Freiheit, die empirische Data zum wahren und selbständigen Guten zu nützen.“ „Moralität ist die Idee der Freiheit als eines Prinzips der Glückseligkeit (regulatives Prinzip der Glückseligkeit a priori). Daher müssen die Gesetze der Freiheit unabhängig von der Absicht auf eigene Glückseligkeit gleichwohl die formale Bedingung derselben a priori enthalten“, Lose Bl. 6. „Man kann nicht glücklich sein, ohne nach seinem Begriffe von Glückseligkeit, man kann nicht elend sein, ohne nach dem Begriffe, den man sich vom Elende macht, d. i. Glückseligkeit und Elend sind nicht empfunden, sondern auf bloßer Reflexion beruhende Zustände“, ibid. D 24; vgl. Vorles. über d. philos. Religionslehre, S. 156 ff. Vgl. Gut, Sittlichkeit, Motiv, Neigung, Pflicht, Zweck, Rigorismus, Glaube, Gott, Unsterblichkeit, Postulate, Leben (menschliches), Genuß.