Gefühl
Gefühl. Das Gefühl ist rein subjektiv, bezieht sich nicht auf das Objekt, ist kein „Erkenntnisstück“, sondern drückt den Zustand des Subjektes aus. Das Gefühl spielt in der Ästhetik (s. d.) eine Rolle, ist aber nicht die Quelle der Sittlichkeit, für die, als „moralisches Gefühl“ (s. d.), nur das Gefühl der Achtung (s. d.), als einziges an Vernunftinhalte sich knüpfendes, a priori bestimmbares Gefühl, in Betracht kommt. Das Gefühl ist von der Empfindung (s. d.) der Sinne zu unterscheiden.
„Man hat es ... in unseren Tagen allererst einzusehen angefangen, daß das Vermögen, das Wahre vorzustellen, die Erkenntnis, dasjenige aber, das Gute zu empfinden, das Gefühl sei, und daß beide ja nicht miteinander müssen verwechselt werden“, Nat. Theol. 4. Btr. § 2 (V 1, 145). — „Die verschiedenen Empfindungen des Vergnügens oder des Verdrusses beruhen nicht so sehr auf der Beschaffenheit der äußeren Dinge, die sie erregen, als auf dem jeden Menschen eigenen Gefühle, dadurch mit Lust oder Unlust gerührt zu werden“, Schön, u. Erh. 1. Abs. (VIII 5). — Gefühle (der Lust und Unlust) gehören zu den „empirischen Erkenntnisquellen“. Sie sind „empirischen Ursprungs“, KrV Einl. VII (I 71—Rc 89). — Lust ist „die Vorstellung der Übereinstimmung des Gegenstandes oder der Handlung mit den subjektiven Bedingungen des Lebens“, d. h. mit dem Begehrungsvermögen (s. d.), KpV Vorr. 4. Anm. (II 11). Das Gefühl der Lust und Unlust ist das „Mittelglied“ zwischen dem Erkenntnis- und Begehrungsvermögen, KU Vorr. (II 2). Das Gefühl ist dasjenige Subjektive (s. d.) an einer Vorstellung, „was gar kein Erkenntnisstück werden kann“. Durch dasselbe erkenne ich nichts an dem Gegenstande der Vorstellung, obgleich es wohl die Wirkung einer Erkenntnis sein kann. Ästhetische (s. d.) Zweckmäßigkeit hat ein Gegenstand, wenn seine Vorstellung unmittelbar mit einer Lust verbunden ist, ibid. Einl. VII (II 26 f.). Die Urteilskraft (s. d.) enthält die konstitutiven Prinzipien a priori des Gefühls der Lust und Unlust, ibid. Einl. IX (II 35). Alle Beziehung der Vorstellungen, selbst die der Empfindungen, kann objektiv sein, nur nicht die auf das Gefühl, „wodurch gar nichts im Objekte bezeichnet wird, sondern in der das Subjekt, wie es durch die Vorstellung affiziert wird, sich selbst fühlt“, ibid. § 1 (II 39 f.). Lust ist „das Bewußtsein der Kausalität einer Vorstellung in Absicht auf den Zustand des Subjekts, es in demselben zu erhalten“. Unlust ist „diejenige Vorstellung ..., die, den Zustand der Vorstellungen zu ihrem eigenen Gegenteile zu bestimmen (sie abzuhalten oder wegzuschaffen), den Grund enthält“, ibid. § 10 (II 58 f.). „Vergnügen (die Ursache desselben mag immerhin auch in Ideen liegen) scheint jederzeit in einem Gefühl der Beförderung des gesamten Lebens des Menschen, mithin auch des körperlichen Wohlbefindens, d. i. der Gesundheit zu bestehen.“ Das intellektuelle und praktische „Wohlgefallen“ gehört nicht zum Vergnügen; dieses kann mißfallen, wie anderseits ein Schmerz gefallen kann. „Das Wohlgefallen oder Mißfallen beruht hier auf der Vernunft und ist mit der Billigung oder Mißbilligung einerlei; Vergnügen und Schmerz aber können nur auf dem Gefühl oder der Aussicht auf ein ... mögliches Wohl- oder Übelbefinden beruhen“, ibid. § 54 Anmerk. (II 188); vgl. Spiel. Man kann es dem Epikur wohl einräumen, daß alles Vergnügen „animalische“, d. h. körperliche Empfindung sei, „ohne dadurch dem geistigen Gefühl der Achtung für moralische Ideen, welches kein Vergnügen ist, sondern eine Selbstschätzung (der Menschheit in uns), die uns über das Bedürfnis derselben erhebt, ja selbst nicht einmal dem minder edeln des Geschmacks im mindesten Abbruch zu tun“, ibid. (II 193). „Es ist auch nicht zu leugnen, daß alle Vorstellungen in uns, sie mögen objektiv bloß sinnlich oder ganz intellektuell sein, doch subjektiv mit Vergnügen oder Schmerz, so unmerklich beides auch sein mag — verbunden werden können (weil sie insgesamt das Gefühl des Lebens affizieren und keine derselben, sofern als sie Modifikation des Subjekts ist, indifferent sein kann); sogar daß, wie Epikur behauptete, immer Vergnügen und Schmerz zuletzt doch körperlich sei. es mag nun von der Einbildung oder gar von Verstandesvorstellungen anfangen, weil das Leben ohne Gefühl des körperlichen Organs bloß Bewußtsein seiner Existenz, aber kein Gefühl des Wohl- oder Übelbefindens, d. i. der Beförderung oder Hemmung der Lebenskräfte sei, weil das Gemüt für sich allein ganz Lebeil (das Lebensprinzip selbst) ist, und Hindernisse oder Beförderungen außer demselben und doch im Menschen selbst, mithin in der Verbindung mit seinem Körper gesucht werden müssen“, KU § 29 Allgem. Anmerk. (II 126). A priori kann ich mit keiner Vorstellungen bestimmtes Gefühl verbinden, außer wo ein den Willen bestimmendes Prinzip a priori in der Vernunft zum Grunde liegt, beim moralischen Gefühl der Achtung, ibid. § 37 (II 139). — Das „Subjektive der Vorstellung“, welches gar kein Erkenntnisstück werden kann und nichts zur Erkenntnis des Objekts Brauchbares enthält, heißt, als „Empfänglichkeit“ der Vorstellung, Gefühl, „welches die Wirkung der Vorstellung (diese mag sinnlich oder intellektuell sein) aufs Subjekt enthält und zur Sinnlichkeit gehört, obgleich die Vorstellung selbst zum Verstande oder der Vernunft gehören mag“, MS Einl. 1. Anm. (III 12). Mit dem Begehren (s. d.) ist stets Lust oder Unlust, deren Empfänglichkeit man Gefühl nennt, verbunden, aber nicht immer umgekehrt. Das Gefühl kann auch Wirkung des Begehrens sein. „Man kann die Lust, welche mit dem Begehren (des Gegenstandes, dessen Vorstellung das Gefühl so affiziert) notwendig verbunden ist, praktische Lust nennen, sie mag nun Ursache oder Wirkung vom Begehren sein. Dagegen würde man die Lust, die mit dem Begehren des Gegenstandes nicht notwendig verbunden ist, die also im Grunde nicht eine Lust an der Existenz des Objekts der Vorstellung ist, sondern bloß an der Vorstellung allein haftet, bloß kontemplative Lust oder untätiges Wohlgefallen nennen können. Das Gefühl der letzteren Art von Lust nennen wir Geschmack.“ Die auf das Begehren folgende Lust ist „intellektuelle Lust“, ibid. Einl. I (III 11 ff.); vgl. Interesse, Neigung.
Das Gefühl der Lust und Unlust ist „die Empfänglichkeit des Subjekts, durch gewisse Vorstellungen zur Erhaltung oder Abwehrung des Zustandes dieser Vorstellungen bestimmt zu werden“, Anthr. 1. T. § 15 (IV 47). Einteilung der Gefühle: „1. die sinnliche, 2. die intellektuelle Lust. Die erstere entweder A. durch den Sinn (das Vergnügen), oder B. durch die Einbildungskraft (der Geschmack); die zweite (nämlich intellektuelle) entweder a) durch darstellbare Begriffe oder b) durch Ideen, — und so wird auch das Gegenteil, die Unlust, vorgestellt“, ibid. 2. B. Einl. (IV 153). „Vergnügen ist eine Lust durch den Sinn, und was diesen belustigt, ist angenehm. Schmerz ist die Unlust durch den Sinn, und was jenen hervorbringt, ist unangenehm.“ Vergnügen und Schmerz sind einander nicht bloß kontradiktorisch, sondern konträr (als „Widerspiel“) entgegengesetzt, ibid. § 60 (IV 153 f.). „Man kann diese Gefühle auch durch die Wirkung erklären, die die Empfindung unseres Zustandes auf das Gemüt macht. Was unmittelbar (durch den Sinn) mich antreibt, meinen Zustand zu verlassen (aus ihm herauszugehen): ist mir unangenehm — es schmerzt mich; was ebenso mich antreibt, ihn zu erhalten (in ihm zu bleiben): ist mir angenehm, es vergnügt mich.“ Das „Bewußtsein des Verlassens des gegenwärtigen Zustandes“, nicht „der Prospekt des Eintretens in einen künftigen“, erweckt in uns die „Empfindung des Vergnügens“, welches also die „Aufhebung eines Schmerzes und etwas Negatives“ ist. „Vergnügen ist das Gefühl der Beförderung, Schmerz das eines Hindernisses des Lebens“. Leben ist ein „kontinuierliches Spiel des Antagonismus von beiden“. „Also muß vor jedem Vergnügen der Schmerz vorhergehen; der Schmerz ist immer das erste.“ „Auch kann kein Vergnügen unmittelbar auf das andere folgen; sondern zwischen einem und dem anderen muß sich der Schmerz einfinden.“ „Der Schmerz ist der Stachel der Tätigkeit, und in dieser fühlen wir allererst unser Leben; ohne diesen würde Leblosigkeit eintreten“, ibid. (IV 154 f.). „Sein Leben fühlen, sich vergnügen, ist also nichts anderes als: sich kontinuierlich getrieben fühlen, aus dem gegenwärtigen Zustande herauszugehen (der also ein ebensooft wiederkommender Schmerz sein muß“, ibid. § 61 (IV 157); vgl. Langeweile. Wir urteilen auch über Vergnügen und Schmerz durch ein „höheres Wohlgefallen oder Mißfallen an uns selbst (nämlich das moralische): ob wir uns demselben weigern oder überlassen sollen“. „1. Der Gegenstand kann angenehm sein, aber das Vergnügen an demselben mißfallen. Daher der Ausdruck von einer bitteren Freude.“ „2. Der Gegenstand kann unangenehm sein; aber der Schmerz über ihn gefällt. Daher der Ausdruck süßer Schmerz“, ibid. § 64 (IV 163 f.). vgl. N 536 ff. Der Irrtum, „der, wenn man ihn einschleichen ließe, alle Moral vertilgen und nichts als die Glückseligkeits-Maxime, die eigentlich gar kein objektives Prinzip haben kann (weil sie nach Verschiedenheit der Subjekte verschieden ist), übrig lassen würde: dieser Irrtum, sage ich, kann nur durch folgenden Probierstein der Gefühle sicher ans Licht gestellt werden. Diejenige Lust (oder Unlust), die notwendig vor dem Gesetz vorhergehen muß, damit die Tat geschehe, ist pathologisch; diejenige aber, vor welcher, damit dies geschehe, das Gesetz notwendig vorhergehen muß, ist moralisch. Jene hat empirische Prinzipien (die Materie der Willkür), diese ein reines Prinzip a priori zum Grunde (bei dem es lediglich auf die Form der Willensbestimmung ankommt).“ Die Lust muß, um sittlich zu sein, die Folge des Gesetzesgehorsams, nicht (als Aussicht auf künftige Glückseligkeit) die Ursache einer Handlung sein. V. e. vorn. Ton 2. Anm. (V 4, 11). Vgl. Neigung, Rigorismus, Motiv, Geschmacksurteil, Urteilskraft, Praktisch, Affekt, Glückseligkeit, Leidenschaft, Achtung, Subjektiv, Diätetik,