Praktische Grundsätze
Grundsätze, praktische. „Praktische Grundsätze“ sind „Sätze, welche eine allgemeine Bestimmung des Willens enthalten, die mehrere praktische Regeln unter sich hat. Sie sind subjektiv oder Maximen, wenn die Bedingung nur als für den Willen des Subjekts gültig von ihm angesehen wird; objektiv aber oder praktische Gesetze, wenn jene als objektiv, d. i. für den Willen jedes vernünftigen Wesens gültig erkannt wird“. „Wenn man annimmt, daß reine Vernunft einen praktisch, d. i. zur Willensbestimmung hinreichenden Grund in sich enthalten könne, so gibt es praktische Gesetze; wo aber nicht, so werden alle praktische Grundsätze bloße Maximen sein“, KpV 1. T. 1. B. 1. H. § 1 (II 23).
„Alle praktischen Prinzipien, die ein Objekt (Materie) des Begehrungsvermögens als Bestimmungsgrund des Willens voraussetzen, sind insgesamt empirisch und können keine praktischen Gesetze abgeben.“ „Materie“ des Begehrungsvermögens ist ein Gegenstand, dessen Wirklichkeit begehrt wird. „Wenn die Begierde nach diesem Gegenstande nun vor der praktischen Regel vorhergeht und die Bedingung ist, sie sich zum Prinzip zu machen, so sage ich (erstlich): dieses Prinzip ist alsdann jederzeit empirisch. Denn der Bestimmungsgrund der Willkür ist alsdann die Vorstellung eines Objekts und dasjenige Verhältnis derselben zum Subjekt, wodurch das Begehrungsvermögen zur Wirklichmachung desselben bestimmt wird. Ein solches Verhältnis aber zum Subjekt heißt die Lust an der Wirklichkeit eines Gegenstandes.“ Von keiner Vorstellung eines Gegenstandes kann aber a priori erkannt werden, ob sie mit Lust oder Unlust verbunden sein werde. „Da nun (zweitens) ein Prinzip, das sich nur auf die subjektive Bedingung der Empfänglichkeit einer Lust oder Unlust (die jederzeit nur empirisch erkannt und nicht für alle vernünftigen Wesen in gleicher Art gültig sein kann) gründet, zwar wohl für das Subjekt, das sie besitzt, zu ihrer Maxime, aber auch für diese selbst (weil es ihm an objektiver Notwendigkeit, die a priori erkannt werden muß, mangelt), nicht zum Gesetze dienen kann, so kann ein solches Prinzip niemals ein praktisches Gesetz abgeben“, ibid. § 2 (II 26 f.). Alle „materialen praktischen Prinzipien“ sind als solche „insgesamt von einer und derselben Art und gehören unter das allgemeine Prinzip der Selbstliebe oder eigenen Glückseligkeit“. Die Lust aus der Vorstellung der Existenz einer Sache als Motiv gehört dem Sinne, nicht dem Verstande an. „Sie ist also nur sofern praktisch, als die Empfindung der Annehmlichkeit, die das Subjekt von der Wirklichkeit des Gegenstandes erwartet, das Begehrungsvermögen bestimmt.“ Das Bewußtsein von der Annehmlichkeit des Lebens ist aber die Glückseligkeit (s. d.) und das Prinzip, diese zum Motiv zu machen, das „Prinzip der Selbstliebe“, ibid. § 3 Lehrs. II (II 27). „Alle materialen praktischen Regeln setzen den Bestimmungsgrund des Willens im unteren Begehrungsvermögen, und gäbe es gar keine bloß formalen Gesetze desselben, die den Willen hinreichend bestimmten, so würde auch kein oberes Begehrungsvermögen eingeräumt werden können“, ibid. Folgerung (II 27 f.). Ob das Gefühl der Lust von Vorstellungen der Sinne, des Verstandes, der Vernunft ausgeht, ist hier einerlei (immer ergibt das einen Eudämonismus). Die reine Vernunft muß „ohne Voraussetzung irgendeines Gefühls“ den Willen bestimmen, „für sich allein praktisch sein“, „durch die bloße Form der praktischen Regel den Willen bestimmen“, ohne im Dienste von Neigungen zu stehen. „Die Vernunft bestimmt in einem praktischen Gesetze unmittelbar den Willen, nicht vermittelst eines dazwischenkommenden Gefühls der Lust und Unlust, selbst nicht an diesem Gesetze, und nur, daß sie als reine Vernunft praktisch sein kann, macht es ihr möglich, gesetzgebend zu sein“, ibid. Anmerk. I (II 29 ff.). Vgl. Gesetz, Imperativ. Sollen, Sittlichkeit, Autonomie, Pflicht, Vernunft.