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Geschmack

Geschmack. Der Geschmack ist das Vermögen, durch eine mit der Vorstellung der Form eines Gegenstandes, ohne Beziehung auf einen Begriff, unmittelbar verbundene Lust allgemeingültig zu urteilen, KU Einl. VI (II 27); vgl. Ästhetisch. Geschmack (im engeren Sinne) ist „das Vermögen der Beurteilung des Schönen“, ibid. § 1 Anm. (II 39). Der Qualität nach ist Geschmack „das Beurteilungsvermögen eines Gegenstandes oder einer Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen oder Mißfallen ohne alles Interesse. Der Gegenstand eines solchen Wohlgefallens heißt schön“, ibid. § 5 (II 48). Der Sinnengeschmack, in bezug auf das Angenehme (s. d.), ist subjektiv verschieden. Hingegen ist der Geschmack für das Schöne (s. d.) von subjektiver Allgemeinheit; das Geschmacksurteil (s. d.) macht „auf jedermanns Beistimmung rechtmäßigen Anspruch“, es gibt hier „universale“ Regeln, ibid. § 7 (II 60 f.). „Es kann keine objektive Geschmacksregel, welche durch Begriffe bestimmt, was schön sei, geben.“ „Die allgemeine Mitteilbarkeit der Empfindung (des Wohlgefallens oder Mißfallens) ... ist das empirische, wiewohl schwache und kaum zur Vermutung zureichende Kriterium der Abstammung eines so durch Beispiele bewährten Geschmacks von dem tief verborgenen, allen Menschen gemeinschaftlichen Grunde der Einhelligkeit in Beurteilung der Formen, unter denen ihnen Gegenstände gegeben werden.“ Der Geschmack kann nicht durch Nachahmung erworben werden, er muß ein „selbsteigenes Vermögen“ sein. Das „höchste Muster, das Urbild“ des Geschmacks ist eine Idee, das „Ideal des Schönen“, das wir in uns durch unsere Einbildungskraft hervorbringen, ibid. § 17 (II 72 f.); vgl. Schönheit. Der Geschmack ist „ein Beurteilungsvermögen eines Gegenstandes in Beziehung auf die freie Gesetzmäßigkeit der Einbildungskraft“, ibid. § 22 Allgem. Anmerk. (II 82). „Es ist kein objektives Prinzip des Geschmacks möglich.“ „Unter einem Prinzip des Geschmacks würde man einen Grundsatz verstehen, unter dessen Bedingung man den Begriff eines Gegenstandes subsumieren und alsdann durch einen Schluß herausbringen könnte, daß er schön sei. Das ist aber schlechterdings unmöglich. Denn ich muß unmittelbar an der Vorstellung desselben die Lust empfinden, und sie kann mir durch keine Beweisgründe angeschwatzt werden.“ Die Kritik des Geschmacks ist nur möglich als „die Kunst oder Wissenschaft, das wechselseitige Verhältnis des Verstandes und der Einbildungskraft zueinander in der gegebenen Vorstellung ... unter Regeln zu bringen und sie in Ansehung ihrer Bedingungen zu bestimmen“, ibid. § 34 (II 135 f.); vgl. Ästhetik. — Der Geschmack ist aber doch ein „sensus communis“ (s. Gemeinsinn) als ein „gemeinschaftlicher Sinn“. Er ist „das Beurteilungsvermögen desjenigen, was unser Gefühl an einer gegebenen Vorstellung ohne Vermittlung eines Begriffs allgemein mitteilbar macht“. Er ist „das Vermögen, die Mitteilbarkeit der Gefühle, welche mit gegebener Vorstellung (ohne Vermittlung eines Begriffs) verbunden sind, a priori zu beurteilen“. Das Gefühl im Geschmacksurteile wird jedermann „gleichsam als Pflicht“ zugemutet, ibid. § 40 (II 146 f.). — Die wahre „Propädeutik“ des Geschmacks ist „die Entwicklung sittlicher Ideen und die Kultur des moralischen Gefühls“, „da, nur, wenn mit diesem die Sinnlichkeit in Einstimmung gebracht wird, der echte Geschmack eine bestimmte unveränderliche Form annehmen kann“, ibid. § 60 (II 217).

Geschmack im ästhetischen Sinne beruht auf dem „Gefühl für das Schöne“, dem Gefühl „der teils sinnlichen, teils intellektuellen Lust in der reflektierten Anschauung“, Anthr. 1. T. vor § 67 (IV 167). Geschmack ist „ein sinnliches Beurteilungsvermögen ..., nicht bloß nach der Sinnesempfindung für mich selbst, sondern auch nach einer gewissen Regel zu wählen, die als für jedermann geltend vorgestellt wird“. Diese Regel kann empirisch, nur komparativ allgemein sein. „Aber es gibt auch einen Wohlgeschmack, dessen Regel a priori begründet sein muß, weil sie Notwendigkeit, folglich auch Gültigkeit für jedermann ankündigt, wie die Vorstellung eines Gegenstandes in Beziehung auf das Gefühl der Lust oder Unlust zu beurteilen sei (wo also die Vernunft insgeheim mit im Spiel ist, ob man zwar das Urteil derselben nicht aus Vernunftprinzipien ableiten und es danach beweisen kann); und diesen Geschmack könnte man den vernünftelnden zum Unterschiede vom empirischen als dem Sinnengeschmack (jenen gustus reflectens, diesen reflexus) nennen“, ibid. § 67 (IV 167 f.). „Im Geschmack (der Auswahl) aber, d. i. in der ästhetischen Urteilskraft, ist es nicht unmittelbar die Empfindung (das Materiale der Vorstellung des Gegenstandes), sondern wie es die freie (produktive) Einbildungskraft durch Dichtung zusammenpaart, d. i. die Form, was das Wohlgefallen an demselben hervorbringt: denn nur die Form ist es, was des Anspruchs auf eine allgemeine Regel für das Gefühl der Lust fähig ist. Von der Sinnenempfindung, die nach Verschiedenheit der Sinnesfähigkeit der Subjekte sehr verschieden sein kann, darf man eine solche allgemeine Regel nicht erwarten. — Man kann also den Geschmack so erklären: ’Geschmack ist das Vermögen der ästhetischen Urteilskraft, allgemeingültig zu wählen’.“ „Er ist also ein Vermögen der gesellschaftlichen Beurteilung äußerer Gegenstände in der Einbildungskraft.“ „Hier fühlt das Gemüt seine Freiheit im Spiele der Einbildungen (also der Sinnlichkeit); denn die Sozialität mit anderen Menschen setzt Freiheit voraus — und dieses Gefühl ist Lust. — Aber die Allgemeingültigkeit dieser Lust für jedermann, durch welche die Wahl mit Geschmack (des Schönen) sich von der Wahl durch bloße Sinnenempfindung (des bloß subjektiv Gefallenden), d. i. des Angenehmen, unterscheidet, führt den Begriff eines Gesetzes bei sich; denn nur nach diesem kann die Gültigkeit des Wohlgefallens für den Beurteilenden allgemein sein. Das Vermögen der Vorstellung des Allgemeinen aber ist der Verstand. Also ist das Geschmacksurteil sowohl ein ästhetisches als ein Verstandes urteil, aber in beider Vereinigung (mithin das letztere nicht als rein) gedacht.“ „Die Beurteilung eines Gegenstandes durch Geschmack ist ein Urteil über die Einstimmung oder den Widerstreit im Spiele der Einbildungskraft und der Gesetzmäßigkeit des Verstandes und geht also nur die Form (diese Vereinbarung der Sinnenvorstellungen) ästhetisch zu beurteilen, nicht Produkte, in welchen jene wahrgenommen wird, hervorzubringen an.“ Der Geschmack geht „nicht die Materie (die Sinnenlust) an, welche vielmehr, vornehmlich wenn das Gefühl derselben (der Reiz) stark ist, das Geschmacks urteil überschreit. — Der Geschmack ist also nur ein Vermögen, diese Einhelligkeit oder Mißhelligkeit im Zusammensein der Vorstellungen ästhetisch zu beurteilen“, ibid. § 67 (IV 168 ff.). Der Geschmack „(gleichsam als formaler Sinn) geht auf Mitteilung seines Gefühls der Lust oder Unlust an andern und enthält eine Empfänglichkeit, durch diese Mitteilung selbst mit Lust affiziert, ein Wohlgefallen (complacentia) daran gemeinschaftlich mit anderen (gesellschaftlich) zu empfinden“. Es besteht hier „ein Wohlgefallen an der Übereinstimmung der Lust des Subjekts mit dem Gefühl jedes anderen nach einem allgemeinen Gesetz, welches aus der allgemeinen Gesetzgebung des Fühlenden, mithin aus der Vernunft entspringen muß: d. i. die Wahl nach diesem Wohlgefallen steht der Form nach unter dem Prinzip der Pflicht. Also hat der ideale Geschmack eine Tendenz zur äußeren Beförderung der Moralität“. Man könnte so den Geschmack „Moralität in der äußeren Erscheinung“ nennen. Der Geschmack enthält so „eine Tendenz zur äußeren Beförderung der Moralität“, ibid. § 69 (IV 173). Geschmack ist „ein bloßes regulatives Beurteilungsvermögen der Form in der Verbindung des Mannigfaltigen in der Einbildungskraft“. Der „Geist“ (s. d.) schafft Ideen, der (Kunst-) Geschmack beschränkt sie auf „die den Gesetzen der produktiven Einbildungskraft angemessene Form“, ibid. § 71 B (IV 176). Geschmack „ist das Vermögen, für das Spiel der Einbildungskraft allgemeingültig zu wählen“. „Für sich allein wird keiner seine Wahl der Form wegen einschränken.“ Geschmack ist „entweder der Unterscheidungs- oder Wohlgeschmack. — Der erste gehört bloß zur Sinnenanschauung als Vorstellungsvermögen, der zweite zu derselben als Gefühl der Lust und Unlust“, Geschmack ist „das Vermögen, das freie Spiel der Einbildungskraft mit der Gesetzmäßigkeit des Verstandes zu vereinigen“, „das Vermögen der ästhetischen Urteilskraft, allgemeingültig zu wählen“, Anthr. Ergänz, aus d. Handschrift (IV 304). — Geschmack ist die Lust „an der Beförderung des Lebens im Spiel der Erkenntniskräfte überhaupt“, Geschmack ist „die Wahl des allgemein Gefälligen nach Gesetzen der Sinnlichkeit“. Er geht „vornehmlich auf die sinnliche Form; denn in Ansehung derer gibt es Gesetze, die für alle gelten“, N 627; vgl. 647 f. Vgl. Geschmacksurteil.

Geschmack (im weiteren Sinne) ist „das Urteil über das, was allgemein den Sinnen gefällt, die Vollkommenheit oder Unvollkommenheit desjenigen, was unsere Sinne rührt. Man wird aus der Abweichung des Geschmacks der Menschen sehen, daß ungemein viel bei uns auf Vorurteilen beruhe“, Phys. Geographie 2. T. 1. Abs. § 7 (IX 202). Vgl. Gemeinsinn, Spiel, Urteilskraft. Schönheit, Erhaben.