Geschmacksurteil
Geschmacksurteil. Die Geschmacksurteile sind die ästhetischen Urteile. Sie beziehen sich auf das Schöne (s. d.) und Erhabene (s. d.) und die besonderen Arten des ästhetisch Gefallenden. „Rein“ sind sie, sofern sie, unter Abstraktion vom sinnlich Angenehmen, von Reizen und Rührungen, auf etwas Formales gehen. Dieses besteht in der Übereinstimmung von Einbildungskraft und Verstand in deren Zusammenspiel, wie es durch die ästhetische Anschauung ausgelöst wird. Es handelt sich hier um eine als solche unmittelbar, ohne Anwendung eines Zweckbegriffs, beurteilte und gefühlte subjektive Zweckmäßigkeit (des Spieles der Seelenkräfte), die aber allgemein mitteilbar ist, so daß die reinen Geschmacksurteile Anspruch auf (subjektive) Allgemeinheit erheben. Die (apriorische) Gesetzlichkeit der Urteilskraft (s. d.) kommt in den reinen Geschmacksurteilen zur Geltung; das Schöne und Erhabene ist durch diese Gesetzlichkeit bedingt, hat in ihr seine („transzendentale“) Grundlage.
Das „Geschmacksurteil“ ist ein Urteil über die Form eines vorgestellten Gegenstandes als den Grund einer Lust an der Vorstellung eines solchen Objekts (s. Ästhetisch). Mit dieser Vorstellung wird die Lust „als notwendig verbunden“ geurteilt, folglich als nicht bloß für das auffassende Subjekt, sondern für „jeden Urteilenden überhaupt“ verbunden. Das Geschmacksurteil macht Anspruch, „für jedermann zu gelten“; es wird hier ein Gefühl der Lust „jedermann zugemutet“. Der Urteilende macht „mit Recht Anspruch auf jedermanns Beistimmung“, „weil der Grund zu dieser Lust in der allgemeinen, obzwar subjektiven Bedingung der reflektierenden Urteile, nämlich der zweckmäßigen Übereinstimmung eines Gegenstandes ... mit dem Verhältnis der Erkenntnisvermögen unter sich ... (der Einbildungskraft und des Verstandes), angetroffen wird“. Man kann zwar a priori nicht bestimmen, welcher Gegenstand dem Geschmacke gemäß sein werde, aber man ist sich bewußt, daß die Lust, die hier in Frage steht, bloß auf den allgemeinen und subjektiven Bedingungen der Übereinstimmung der Reflexion mit der Erkenntnis der Objekte, für welche die Form des Objekts zweckmäßig ist, beruht, KU Einl. VII (II 27 ff.). „Um zu unterscheiden, ob etwas schön sei oder nicht, beziehen wir die Vorstellung nicht durch den Verstand auf das Objekt zum Erkenntnisse, sondern durch die Einbildungskraft (vielleicht mit dem Verstande verbunden) auf das Subjekt und das Gefühl der Lust oder Unlust desselben. Das Geschmacksurteil ist also kein Erkenntnisurteil, mithin nicht logisch, sondern ästhetisch, worunter man dasjenige versteht, dessen Bestimmungsgrund nicht anders als subjektiv sein kann“, KU § 1 (II 39). Wenn man etwas als schön beurteilt, so hat man kein Interesse (s. d.) an der Existenz des Gegenstandes, dessen Begehren hier nicht in Frage kommt. „Man will nur wissen: ob diese bloße Vorstellung des Gegenstandes in mir mit Wohlgefallen begleitet sei, so gleichgültig ich auch immer in Ansehung der Existenz des Gegenstandes dieser Vorstellung sein mag.“ Das Wohlgefallen im Geschmacksurteile ist „rein“, „uninteressiert“, ibid. § 2 (II 40 f.). Das Geschmacksurteil ist (der „Qualität“ nach) „bloß kontemplativ, d. i. ein Urteil, welches, indifferent in Ansehung des Daseins eines Gegenstandes, nur seine Beschaffenheit mit dem Gefühl der Lust und Unlust zusammenhält“, ibid. § 5 (II 46). Der „Quantität“ nach hat das Geschmacksurteil „Anspruch auf subjektive Allgemeinheit“. Da es nicht auf Neigung oder Interesse des Subjekts beruht, so hängt es von keinen „Privatbedingungen“ als Gründen des Wohlgefallens am Schönen (s. d.) ab, und man kann die Gültigkeit des Urteils für jedermann voraussetzen, ohne diese Allgemeinheit auf Begriffe zu stützen, ibid. § 6 (II 48 f.). Durch das Geschmacksurteil über das Schöne sinnt man das Wohlgefallen an einem Gegenstande jedermann an, ohne sich doch auf einen Begriff zu stützen. Diese Allgemeinheit des „Reflexionsgeschmacks“ ist nicht logisch, sondern ästhetisch, d. h. sie enthält nicht eine objektive, sondern eine subjektive Qualität des Urteils, d. h. „Gemeingültigkeit“ als Gültigkeit der Beziehung einer Vorstellung auf das Gefühl der Lust und Unlust für jedes Subjekt („subjektive Allgemeingültigkeit“ im Unterschiede von der „objektiven“, logischen). Eine „Regel“, nach der jemand genötigt werden sollte, etwas für schön anzuerkennen, gibt es nicht, man will das Objekt selbst anschauen und hierbei „glaubt man eine allgemeine Stimme für sich zu haben, und macht Anspruch auf den Beitritt von jedermann“. Das Geschmacksurteil selbst „postuliert nicht jedermanns Einstimmung, es sinnt nur jedermann diese Einstimmung an“. „Die allgemeine Stimme ist also nur eine Idee“, auf die man sein Urteil bezieht, ob man nun ein richtiges oder unrichtiges Geschmacksurteil fällt, ibid. § 8 (II 51 ff.). Im Geschmacksurteil geht das Lustgefühl nicht der Beurteilung des Gegenstandes vorher, denn eine solche Lust könnte, als bloße Annehmlichkeit der Sinnesempfindung, nur Privatgültigkeit haben, weil sie von der Vorstellung, durch die der Gegenstand gegeben ist, unmittelbar abhinge. „Also ist es die allgemeine Mitteilungsfähigkeit des Gemütszustandes in der gegebenen Vorstellung, welche, als subjektive Bedingung des Geschmacksurteils, demselben zum Grunde liegen und die Lust an dem Gegenstande zur Folge haben muß. Es kann aber nichts allgemein mitgeteilt werden als Erkenntnis und Vorstellung, sofern sie zum Erkenntnis gehört. Denn sofern ist die letztere nur allein objektiv und hat nur dadurch einen allgemeinen Beziehungspunkt, womit die Vorstellungskraft aller zusammenzustimmen genötigt wird.“ Was sich so mitteilen läßt, ist der Gemütszustand in dem „freien Spiele“ der Erkenntnisvermögen der Einbildungskraft und des Verstandes, sofern sie untereinander zusammenstimmen, „indem wir uns bewußt sind, daß dieses zum Erkenntnis überhaupt schickliche subjektive Verhältnis ebensowohl für jedermann gelten und folglich allgemein mitteilbar sein müsse“. Diese „bloß subjektive (ästhetische) Beurteilung des Gegenstandes oder der Vorstellung, wodurch er gegeben wird, geht nun vor der Lust an demselben vorher und ist der Grund dieser Lust an der Harmonie der Erkenntnisvermögen; auf jener Allgemeinheit aber der subjektiven Bedingungen der Beurteilung der Gegenstände gründet sich allein diese allgemeine subjektive Gültigkeit des Wohlgefallens, welches wir mit der Vorstellung des Gegenstandes, den wir schön nennen, verbinden“. Die subjektive Einheit des Verhältnisses von Einbildungskraft und Verstand macht sich nur durch Empfindung (nicht begrifflich) kenntlich. „Die Belebung beider Vermögen (der Einbildungskralt und des Verstandes) zu bestimmter, aber doch vermittelst des Anlasses der gegebenen Vorstellung einhelliger Tätigkeit, derjenigen nämlich, die zu einem Erkenntnis überhaupt gehört, ist die Empfindung, deren allgemeine Mitteilbarkeit das Geschmacksurteil postuliert.“ Das Bewußtsein jenes Verhältnisses liegt in der Empfindung der Wirkung, „die im erleichterten Spiele beider durch wechselseitige Zusammenstimmung belebten Gemütskräfte ... besteht“. „Eine Vorstellung, die als einzeln und ohne Vergleichung mit anderen dennoch eine Zusammenstimmung zu den Bedingungen der Allgemeinheit hat, welche das Geschäft des Verstandes überhaupt ausmacht, bringt die Erkenntnisvermögen in die proportionierte Stimmung, die wir zu allem Erkenntnisse fordern, und daher auch für jedermann, der durch Verstand und Sinne in Verbindung zu urteilen bestimmt ist (für jeden Menschen), gültig halten“, ibid. § 9 (II 55 ff.). Das Geschmacksurteil hat „nichts als die Form der Zweckmäßigkeit eines Gegenstandes (oder der Vorstellungsart desselben) zum Grunde“. Dem Geschmacksurteil kann weder ein „subjektiver“ (mit einem Interesse verbundener) noch ein „objektiver“ Zweck (Begriff des Guten) zugrunde liegen, weil es ein ästhetisches Urteil ist, welches „bloß das Verhältnis der Vorstellungskräfte zueinander“ betrifft; mit diesem Verhältnis ist ein Lustgefühl verbunden. „Also kann nichts anderes als die subjektive Zweckmäßigkeit in der Vorstellung eines Gegenstandes, ohne allen (weder objektiven noch subjektiven) Zweck, folglich die bloße Form der Zweckmäßigkeit in der Vorstellung, wodurch uns ein Gegenstand gegeben wird, sofern wir uns ihrer bewußt sind, das Wohlgefallen, welches wir, ohne Begriff, als allgemein mitteilbar beurteilen, mithin den Bestimmungsgrund des Geschmacksurteils ausmachen“, ibid. § 11 (II 59 f.). „Das Geschmacksurteil beruht auf Gründen a priori.“ Gefühl und Vorstellung sind nur durch Erfahrung als verbunden erkennbar, aber „der Gemütszustand eines irgend wodurch bestimmten Willens ist an sich schon ein Gefühl der Lust und mit ihm identisch, folgt also nicht als Wirkung daraus“. Das ist so im moralischen Urteil, ähnlich auch im ästhetischen, nur daß die Lust hier bloß „kon-templativ“ ist. „Das Bewußtsein der bloß formalen Zweckmäßigkeit im Spiele der Erkenntniskräfte des Subjekts, bei einer Vorstellung, wodurch ein Gegenstand gegeben wird, ist die Lust selbst.“ Diese Lust ist nicht praktisch, hat aber doch „Kausalität in sich“, nämlich „den Zustand der Vorstellung selbst und die Beschäftigung der Erkenntniskräfte ohne weitere Absicht zu erhalten“. „Wir weilen bei der Betrachtung des Schönen, weil diese Betrachtung sich selbst stärkt und reproduziert“, ibid. § 12 (II 60 f.). „Das reine Geschmacksurteil ist von Reiz und Rührung unabhängig.“ „Alles Interesse verdirbt das Geschmacksurteil und nimmt ihm seine Unparteilichkeit“, es kann dann nicht auf Allgemeingültigkeit Anspruch machen. „Der Geschmack ist jederzeit noch barbarisch, wo er die Beimischung der Reize und Rührungen zum Wohlgefallen bedarf, ja wohl gar diese zum Maßstabe seines Beifalls macht.“ „Ein Geschmacksurteil, auf welches Reiz und Rührung keinen Einfluß haben (ob sie sich gleich mit dem Wohlgefallen am Schönen verbinden lassen), welches also bloß die Zweckmäßigkeit der Form zum Bestimmungsgrunde hat, ist ein reines Geschmacksurteil“, ibid. § 13 (II 61 f.). Geschmacksurteile (eigentliche) sind „reine“ („formale“) ästhetische Urteile und sind selbst „rein“, sofern „kein bloß empirisches Wohlgefallen dem Bestimmungsgrunde desselben beigemischt wird“. Bloße Empfindungen (Farben, Töne) sind als solche nicht schön, nur „angenehm“. Als schön können sie auch nur gelten, sofern sie „rein“ sind, und dies betrifft schon ihre Form; denn die Qualität der Empfindung ist schwerlich als von jedermann gleich beurteilbar anzunehmen. (Vgl. Malerei, Musik.) Freilich: „Nimmt man mit Eulern an, daß die Farben gleichzeitig aufeinander folgende Schläge (pulsus) des Äthers so wie Töne der im Schalle erschütterten Luft sind, und, was das Vornehmste ist, das Gemüt nicht bloß durch den Sinn die Wirkung davon auf die Belebung des Organs, sondern auch durch die Reflexion das regelmäßige Spiel der Eindrücke (mithin die Form in der Verbindung verschiedener Vorstellungen) wahrnehme, woran ich doch gar nicht [oder “gar sehr„?] zweifle, so würden Farbe und Ton nicht bloße Empfindungen, sondern schon formale Bestimmung der Einheit eines Mannigfaltigen derselben sein und alsdann auch für sich zu Schönheiten gezählt werden können“. „Das Reine aber in einer einfachen Empfindungsart bedeutet, daß die Gleichförmigkeit derselben durch keine fremdartige Empfindung gestört und unterbrochen wird, und gehört bloß zur Form.“ Daher werden alle einfachen Farben, sofern sie rein sind, für schön gehalten, die gemischten aber nicht. „Reize“ können noch neben der Schönheit das Gemüt, außer dem „trockenen Wohlgefallen“ am Schönen, „interessieren“, aber nicht die Schönheit erhöhen, hingegen dem Geschmacksurteil Abbruch tun. „In der Malerei, Bildhauerkunst, ja in allen bildenden Künsten ..., ist die Zeichnung das Wesentliche.“ Die Farben „gehören zum Reiz“, sie werden allein durch die schöne Form veredelt, tragen nichts zur Schönheit bei. Zeichnung und Komposition machen den eigentlichen Gegenstand des reinen Geschmacksurteils aus, als „Spiel der Gestalten (im Raume)“ oder „Spiel der Empfindungen (in der Zeit)“. „Rührung, eine Empfindung, wo Annehmlichkeit nur vermittelst augenblicklicher Hemmung und darauf erfolgender stärkerer Ergießung der Lebenskraft gewirkt wird, gehört gar nicht zur Schönheit“, ibid. § 14 (II 67 ff.). — Nicht rein ist ferner das Geschmacksurteil, durch das ein Gegenstand unter der Bedingung eines bestimmten Begriffs für schön erklärt wird, also bloß „anhängende“, nicht „freie“ Schönheit hat. Rein ist das Geschmacksurteil nur in der Beurteilung einer freien Schönheit, die keinen Begriff von dem, was der Gegenstand sein soll, voraussetzt, also nicht einen Begriff des Guten oder der Vernunft, ibid. § 16 (II 69 ff.). Die Notwendigkeit des Geschmacksurteils ist weder eine „theoretische objektive Notwendigkeit“ noch eine „praktische“, sondern eine „exemplarische“, d. h. „eine Notwendigkeit der Beistimmung aller zu einem Urteil, was wie ein Beispiel einer allgemeinen Regel, die man nicht angeben kann, angesehen wird“, ibid. § 18 (II 78 f.). Die subjektive Notwendigkeit des Geschmacksurteils ist nur ein bedingtes Sollen, d. h. „man wirbt um jedes anderen Beistimmung, weil man dazu einen Grund hat, der allen gemein ist; auf welche Beistimmung man auch rechnen könnte, wenn man nur immer sicher wäre, daß der Fall unter jenem Grunde als Regel des Beifalls richtig subsumiert wäre“, ibid. § 19 (II 79). Die Bedingung der Notwendigkeit, das Prinzip des Geschmacksurteils ist ein „Gemeinsinn“ (s. d.), der nach Gefühl urteilt und die „Wirkung aus dem freien Spiel unserer Erkenntniskräfte“ ist, ibid. § 20 (II 79 f.). Die Mitteilbarkeit der zweckmäßigen Stimmung der Erkenntniskräfte und das Gefühl derselben setzt einen solchen Gemeinsinn voraus, ibid § 21 (II 80 f.). Unter der Voraussetzung dieses Gemeinsinnes wird die subjektive Notwendigkeit des Geschmacksurteils als objektiv vorgestellt. Der Gemeinsinn sagt nicht, „daß jedermann mit unserem Urteil übereinstimmen werde, sondern damit zusammenstimmen solle“. Er ist also „eine bloße idealische Norm, unter deren Voraussetzung man ein Urteil, welches mit ihr zusammenstimmte, und das in demselben ausgedrückte Wohlgefallen an einem Objekt für jedermann mit Recht zur Regel machen könnte; weil zwar das Prinzip nur subjektiv, dennoch aber für subjektiv-allgemein (eine jedermann notwendige Idee) angenommen, was die Einhelligkeit verschiedener Urteilenden betrifft, gleich einem objektiven, allgemeine Beistimmung fordern könnte, wenn man nur sicher wäre, darunter richtig subsumiert zu haben“. „Diese unbestimmte Norm eines Gemeinsinns wird von uns wirklich vorausgesetzt; das beweist unsere Anmaßung, Geschmacksurteile zu fällen“, ibid. § 22 (II 81 f.). Mag auch die „empirische Exposition“ der ästhetischen Urteile den Anfang machen, so ist doch eine „transzendentale Erörterung“ derselben möglich und zur „Kritik des Geschmacks“ gehörig, die das apriorische Prinzip der Geschmacksurteile betrifft, ibid. § 29 Allg. Anmerk. (II 127). Es bedarf einer „Deduktion“ (s. d.), einer Legitimation des Anspruchs dieser Urteile (über das Schöne), einer „Gewährleistung der Rechtmäßigkeit“ derselben, ibid. §§ 30—31 (II 128 ff.). Die erste Eigentümlichkeit des Geschmacksurteils ist: „Das Geschmacksurteil bestimmt seinen Gegenstand in Ansehung des Wohlgefallens (als Schönheit) mit einem Ansprüche auf jedermanns Beistimmung, als ob es objektiv wäre“, ibid. § 32 (II 131 ff.). Die zweite Eigentümlichkeit ist die: „Das Geschmacksurteil ist gar nicht durch Beweisgründe bestimmbar, gleich als ob es bloß subjektiv wäre“, ibid. § 33 (II 133 ff.). Ein „objektives Prinzip“ des Geschmacks ist nicht möglich. „Unter einem Prinzip des Geschmacks würde man einen Grundsatz verstehen, unter dessen Bedingung man den Begriff eines Gegenstandes subsumieren und alsdann durch einen Schluß herausbringen könnte, daß er schön sei. Das ist aber schlechterdings unmöglich. Denn ich muß unmittelbar an der Vorstellung desselben die Lust empfinden, und sie kann mir durch keine Beweisgründe angeschwatzt werden“, ibid. § 34 (II 135); vgl. Ästhetik. Das Prinzip des Geschmacks ist das subjektive Prinzip der Urteilskraft überhaupt; die subjektive formale Bedingung derselben, nämlich die Zusammenstimmung von Einbildungskraft und Verstand, ibid. § 35 (II 136 f.). Mit einer Wahrnehmung kann unmittelbar ein Gefühl der Lust und Wohlgefallen verbunden werden, welches die Vorstellung des Objekts begleitet und derselben statt Prädikats dient. Einem solchen ästhetischen Urteil muß etwas als Prinzip a priori zugrunde liegen, und dieses Prinzip bedarf einer „Deduktion“ seiner (subjektiven) Allgemeinheit und Notwendigkeit. Sie gibt die Antwort auf die Frage: wie sind Geschmacksurteile — eine Art der synthetischen Urteile a priori — möglich, d. h.: „wie ist ein Urteil möglich, das bloß aus dem eigenen Gefühl der Lust an einem Gegenstande, unabhängig von dessen Begriffe, diese Lust als der Vorstellung desselben Objekts in jedem anderen Subjekt anhängig a priori, d. i. ohne fremde Beistimmung abwarten zu dürfen, beurteilte?“ ibid. § 36 (II 138 f.). Im Geschmacksurteil wird aber nicht die Lust, sondern die Allgemeinheit derselben als für jedermann gültig vorgestellt, ibid. § 37 (II 139 f.). Die „Deduktion der Geschmacksurteile“ lautet nun: „Wenn eingeräumt wird, daß in einem reinen Geschmacksurteile das Wohlgefallen an dem Gegenstande mit der bloßen Beurteilung seiner Form verbunden sei, so ist es nichts anderes als die subjektive Zweckmäßigkeit derselben für die Urteilskraft, welche wir mit der Vorstellung des Gegenstandes im Gemüte verbunden empfinden. Da nun die Urteilskraft in Ansehung der formalen Regeln der Beurteilung, ohne alle Materie (weder Sinnenempfindung noch Begriff), nur auf die subjektiven Bedingungen des Gebrauchs der Urteilskraft überhaupt (die weder auf die besondere Sinnesart noch einen besonderen Verstandesbegriff eingerichtet ist) gerichtet sein kann; folglich auf dasjenige Subjektive, welches man in allen Menschen (als zum möglichen Erkenntnisse überhaupt erforderlich) voraussetzen kann: so muß die Übereinstimmung einer Vorstellung mit diesen Bedingungen der Urteilskraft als für jedermann gültig a priori angenommen werden können. D. i. die Lust oder subjektive Zweckmäßigkeit der Vorstellung für das Verhältnis der Erkenntnisvermögen in der Beurteilung eines sinnlichen Gegenstandes überhaupt wird jedermann mit Recht angesonnen werden können“, ibid. § 38 (II 140). Man muß einräumen: 1. daß bei allen Menschen die subjektiven Bedingungen des ästhetischen Urteilens einerlei sind, „weil sich sonst Menschen ihre Vorstellungen und selbst das Erkenntnis nicht mitteilen könnten“, 2. das Urteil habe bloß auf diese formale Bedingung Rücksicht genommen und sei rein, ibid. Anm. (II 140 f.). Das Geschmacksurteil ist kein Erkenntnisurteil; es „behauptet nur, daß wir berechtigt sind, dieselben subjektiven Bedingungen der Urteilskraft allgemein bei jedem Menschen vorauszusetzen, die wir in uns antreffen; und nur noch, daß wir unter diese Bedingungen das gegebene Objekt richtig subsumiert haben“, ibid. Anmerk. (II141). Das Geschmacksurteil hat kein Interesse zum Bestimmungsgrunde, aber es kann ein solches mit ihm verbunden werden, und zwar immer nur indirekt, sei es etwas Empirisches oder Intellektuelles, ibid. § 41 (II 147 ff.); vgl. Schönheit.
Betreffs des Geschmacks zeigt sich folgende „Antinomie“ (vgl. Dialektik): „1. Thesis. Das Geschmacksurteil gründet sich nicht auf Begriffen; denn sonst ließe sich darüber disputieren (durch Beweise entscheiden). 2. Antithesis. Das Geschmacksurteil gründet sich auf Begriffen; denn sonst ließe sich, ungeachtet der Verschiedenheit desselben, darüber auch nicht einmal streiten (auf die notwendige Einstimmung anderer mit diesem Urteile Anspruch machen)“, ibid. § 57 (II196 f.). Die Auflösung dieser Antinomie besteht darin, daß man zeigt, der Begriff, worauf man das Objekt in dieser Art von Urteilen bezieht, werde in beiden Maximen der ästhetischen Urteilskraft in zweierlei Sinn genommen. Das Geschmacksurteil bezieht sich zwar auf einen Begriff, aber einen solchen, „der sich gar nicht durch Anschauung bestimmen, durch den sich nichts erkennen, mithin auch kein Beweis für das Geschmacksurteil führen läßt“. „Ein dergleichen Begriff aber ist der bloße reine Vernunftbegriff von dem Übersinnlichen, das dem Gegen stände (und auch dem urteilenden Subjekte) als Sinnenobjekt, mithin als Erscheinung, zum Grunde liegt.“ Aller Widerspruch fällt weg, wenn man sagt: „das Geschmacksurteil gründet sich auf einem Begriffe (eines Grundes überhaupt von der subjektiven Zweckmäßigkeit der Natur für die Urteilskraft), aus dem aber nichts in Ansehung des Objekts erkannt und bewiesen werden kann, weil es an sich unbestimmbar und zum Erkenntnis untauglich ist; es bekommt aber durch ebendenselben doch zugleich Gültigkeit für jedermann..., weil der Bestimmungsgrund desselben vielleicht im Begriffe von demjenigen liegt, was als das übersinnliche Substrat der Menschheit angesehen werden kann“. „In der Thesis sollte es daher heißen: das Geschmacksurteil gründet sich nicht auf bestimmten Begriffen; in der Antithesis aber: das Geschmacksurteil gründet sich doch auf einem, obzwar unbestimmten Begriffe (nämlich vom übersinnlichen Substrat der Erscheinungen); und alsdann wäre zwischen ihnen kein Widerstreit“, ibid. § 57 (II 197 ff.).
„Man kann zuvörderst das Prinzip des Geschmacks entweder darin setzen, daß dieser jederzeit nach empirischen Bestimmungsgründen und also nach solchen, die nur a posteriori durch Sinne gegeben werden, oder man kann einräumen, daß er aus einem Grunde a priori urteile. Das erstere wäre der Empirism der Kritik des Geschmacks, das zweite der Rationalism desselben. Nach dem ersten wäre das Objekt unseres Wohlgefallens nicht vom Angenehmen, nach dem zweiten, wenn das Urteil auf bestimmten Begriffen beruhte, nicht vom Guten unterschieden.“ Aber es gibt „Gründe des Wohlgefallens a priori“, die mit dem Prinzip des Rationalismus vereinbar sind, obgleich sie nicht in bestimmte Begriffe gefaßt werden können. — Der Rationalismus des Geschmacksprinzips ist „entweder der des Realism der Zweckmäßigkeit oder des Idealism derselben.“ Der Unterschied beider kann nur darin bestehen, daß entweder die subjektive (ästhetische) Zweckmäßigkeit „als wirklicher (absichtlicher) Zweck der Natur (oder der Kunst), mit unserer Urteilskraft übereinzustimmen, oder im zweiten Falle nur als eine, ohne Zweck, von selbst und zufälligerweise sich hervortuende zweckmäßige Übereinstimmung zu dem Bedürfnis der Urteilskraft, in Ansehung der Natur und ihrer nach besonderen Gesetzen erzeugten Formen, angenommen werde“. Das Prinzip der Idealität der Zweckmäßigkeit im Schönen der Natur legen wir im ästhetischen Urteile stets zugrunde, indem wir das Richtmaß der Schönheit a priori in uns selbst suchen und die ästhetische Urteilskraft hier selbst gesetzgebend ist, was bei Annahme des Realismus nicht möglich wäre. „So wie die Idealität der Gegenstände der Sinne als Erscheinungen die einzige Art ist, die Möglichkeit zu erklären, daß ihre Formen a priori bestimmt werden können, so ist auch der Idealism der Zweckmäßigkeit in Beurteilung des Schönen der Natur und der Kunst die einzige Voraussetzung, unter der allein die Kritik die Möglichkeit eines Geschmacksurteils, welches a priori Gültigkeit für jedermann fordert ..., erklären kann“, ibid. § 58 (II 205 ff.). Vgl. Geschmack, Gemeinsinn, Ästhetik, Schönheit, Erhaben, Spiel.