Transzendentale Dialektik
Dialektik, transzendentale. Benutzt der Intellekt apriorische Begriffe und Grundsätze, deren Gebrauch insgesamt auf Anschauung (mögliche Erfahrung) eingeschränkt ist. über alle Grenzen der Erfahrung hinausgehend zur Bestimmung der Objekte überhaupt als Dinge an sich, die doch durch keinerlei Anschauung gegeben sind, so ist dieser Gebrauch des Verstandes „dialektisch“. Dialektik als „Kritik des dialektischen Scheins“ ist der zweite Teil der allgemeinen Logik (s. d.). Zu einer „Logik des Scheins“ wird sie, wenn man die (formale) Logik, die bloß ein „Kanon“ zur Beurteilung der formalen Wahrheit (Richtigkeit) von Urteilen ist, zu einem „Organon“ macht, d. h. zur Quelle materialer Erkenntnisse, zum „Blendwerk objektiver Behauptungen“. Eine solche Dialektik ist eine „sophistische Kunst“, KrV tr. Log. Einl. III (I 113 f.—Rc 134 f.). Der zweite Teil der transzendentalen Logik heißt „transzendentale Dialektik“, „nicht als eine Kunst, dergleichen Schein dogmatisch zu erregen (eine leider sehr gangbare Kunst mannigfaltiger metaphysischer Gaukelwerke), sondern als eine Kritik des Verstandes und der Vernunft in Ansehung ihres hyperphysischen Gebrauchs, um den falschen Schein ihrer grundlosen Anmaßungen aufzudecken, und ihre Ansprüche auf Erfindung und Erweiterung, die sie bloß durch transzendentale Grundsätze zu erreichen vermeint, zur bloßen Beurteilung und Verwahrung des reinen Verstandes vor sophistischem Blendwerke herabzusetzen“, ibid. IV (I 115 f.—Rc 135 f.). — Die Dialektik hat es mit dem „transzendentalen Schein“ (s. d.) zu tun. Sie hat „den Schein transzendenter Urteile“ aufzudecken, zu verhüten, daß er nicht betrüge, aber sie kann ihn nicht beseitigen. Sie zeigt, daß die Ideen (s. d.) und Grundsätze der Vernunft zu Widersprüchen (Antinomien, Paralogismen) führen, wenn sie als „transzendent“, die Erfahrung übersteigend und auf übersinnliche Objekte gehend gebraucht werden, anstatt sie „immanent“, als Regulation (s. d.) für die Anwendung des Verstandes im systematischen Zusammenhange der Erfahrungen zu gebrauchen, ibid. tr. Dial. Einl. I (I 314 ff.—Rc 380 ff.). — Die transzendentale Dialektik hat zwei Hauptstücke (Bücher): 1. Von den transzendenten Begriffen der reinen Vernunft (Ideen); 2. von den transzendenten und dialektischen Vernunftschlüssen (Paralogismen, Antinomien, Ideal der reinen Vernunft).— Es gibt nur drei Fälle des „dialektischen Gebrauchs der Vernunft“: „1. Die Synthesis der Bedingungen eines Gedankens überhaupt“, „2. die Synthesis der Bedingungen des empirischen Denkens“. „3. Die Synthesis der Bedingungen des reinen Denkens.“ „In allen diesen drei Fällen beschäftigt sich die Vernunft bloß mit der absoluten Totalität dieser Synthesis, d. i. mit derjenigen Bedingung, die selbst unbedingt ist.“ Auf dieser Einteilung gründet sich der „dreifache transzendentale Schein“, der zu drei „scheinbaren Wissenschaften aus reiner Vernunft“, der transzendentalen Psychologie, Kosmologie und Theologie, die Idee an die Hand gibt, KrV 1. A. tr. Dial. 2. B. 1. H. Betrachtung .. (I 762 f.—Rc 489 f.). Die Dialektik als „Logik des Scheines“ (Sophistik) muß wegfallen; statt dessen ist eine „Kritik dieses Scheines“ in die Logik einzuführen, „welche, die Merkmale und Regeln enthielte, wonach wir erkennen könnten, daß etwas mit den formalen Kriterien der Wahrheit nicht übereinstimmt, ob es gleich mit denselben übereinzustimmen scheint“. Eine solche Dialektik ist nützlich als „Kathartikon“ des Verstandes. Log. Einl. II (IV 18 f.). Vgl. N 4929, 4952, 4985 u. ö. Vgl. Antinomien, Antithetik, Schein, Unbedingt, Unendlich, Freiheit, Widersprüche der Vernunft.