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Gut

Gut. Das relativ (zu etwas) Gute ist das Nützliche. Für die Ethik kommt nur in Betracht das unbedingt Gute (s. Sittlichkeit). Dieses besteht nicht in irgendeinem Erfolg oder Zweck des Handelns, nicht in der Glückseligkeit (s. d.), Vervollkommnung u. dgl., überhaupt in keiner „Materie“ des Wollens. Absolut gut und wertvoll ist nur der „[gute Wille]guter-wille“ (s. d.) selbst, der Wille zur Pflicht um dieser selbst willen, das Wollen aus reiner sittlicher Gesetzlichkeit (vgl. Rigorismus). Was gut und böse (s. d.) ist, setzt die praktische Vernunft selbst, als ein für alle Vernunftwesen unbedingt Gültiges. Sittlich gut ist nur, wer aus moralischer Gesinnung, aus dem Willen zu dem, was die sittliche Vernunft fordert, handelt, ohne Rücksicht auf andere Motive, auf Neigungen. „Gleichwie es ... unzergliederliche Begriffe des Wahren ... gibt, also gibt es auch ein unauflösliches Gefühl des Guten (dieses wird niemals in einem Dinge schlechthin, sondern immer beziehungsweise auf ein empfindendes Wesen angetroffen).“ Hinsichtlich der einfachen Empfindungen des Guten, die man durch Analyse des „zusammengesetzten und verworrenen Begriff des Guten“ erhält, ist das Urteil „dieses ist gut“ „völlig unerweislich“. „Es ist eine unmittelbare Häßlichkeit in der Handlung, die dem Willen desjenigen, von dem unser Dasein und alles Gute herkommt, widerstreitet. Diese Häßlichkeit ist klar, wenn gleich nicht auf die Nachteile gesehen wird, die als Folgen ein solches Verfahren begleiten können“, Nat. Theol. 4. Btr. § 2 (V 1, 145 f.).

„Gut“ ist „praktisch notwendig“. „Praktisch gut“ ist, „was vermittelst der Vorstellungen der Vernunft, mithin nicht aus subjektiven Ursachen, sondern objektiv, d. i. aus Gründen, die für jedes vernünftige Wesen als ein solches gültig sind, den Willen bestimmt“, GMS 2. Abs. (III 35). Unbedingt gut ist in der Welt nur „gute Wille“ (s. d.), und dieser ist rein durch seine „Form“, nicht durch einen Zweck, gut. Er ist gut, sofern er ein allgemeingültiger Wille sein kann. (Vgl. Imperativ.)

„Gut ist das, was vermittelst der Vernunft, durch den bloßen Begriff, gefällt. Wir nennen einiges wozu gut (das Nützliche), was nur als Mittel gefällt; ein anderes aber an sich gut, was für sich selbst gefällt. In beiden ist immer der Begriff eines Zwecks, mithin das Verhältnis der Vernunft zum (wenigstens möglichen) Wollen, folglich ein Wohlgefallen am Dasein eines Objekts oder einer Handlung, d. i. irgendein Interesse enthalten.“ „Um etwas gut zu finden, muß ich jederzeit wissen, was der Gegenstand für ein Ding sein solle, d. i. einen Begriff von demselben haben“, KU § 4 (II 43 f.). Das Gute ist stets mit einem Interesse (s. d.) an einem Gegenstande verbunden, auch „das schlechterdings und in aller Absicht Gute, nämlich das moralische, welches das höchste Interesse bei sich führt“, ibid. (II 46). Das Gute ist das Objekt des Wollens und führt ein „reines praktisches Wohlgefallen“ bei sich. Gut ist, „was geschätzt, gebilligt, d. i. worin ... ein objektiver Wert gesetzt wird“. „Das Gute gibt es für jedes vernünftige Wesen überhaupt“, ibid. § 5 (II 46 f.).

„Zweideutigkeit des Worts das Gute: da dieses entweder, als an sich und unbedingt gut, im Gegensatz mit dem an sich Bösen; oder, als immer nur bedingterweise gut, mit dem schlechteren oder besseren Guten verglichen wird, da der Zustand der Wahl des letzteren nur ein komparativ-besserer Zustand, an sich selbst aber doch böse sein kann. — Die Maxime einer unbedingten, auf gar keine zum Grunde gelegte Zwecke Rücksicht nehmenden Beobachtung eines kategorisch gebietenden Gesetzes der freien Willkür (d. i. der Pflicht) ist von der Maxime, dem als Motiv zu einer gewissen Handlungsweise uns von der Natur selbst untergelegten Zweck (der im allgemeinen Glückseligkeit heißt) nachzugehen, wesentlich, d. i. der Art nach unterschieden.“ „Ein Zustand, in Verknüpfung mit einem gewissen gegebenen Zweck zu sein, den ich jedem anderen von derselben Art vorziehe, ist ein komparativ besserer Zustand, nämlich im Felde der Glückseligkeit (die nie anders als bloß bedingterweise, sofern man ihrer würdig ist, von der Vernunft als Gut anerkannt wird). Derjenige Zustand aber, da ich im Falle der Kollision gewisser meiner Zwecke mit dem moralischen Gesetze der Pflicht diese vorzuziehen mir bewußt bin, ist nicht bloß ein besserer, sondern der allein an sich gute Zustand: ein Gutes aus einem ganz anderen Felde, wo auf Zwecke, die sich mir anbieten mögen (mithin auf ihre Summe, die Glückseligkeit) gar nicht Rücksicht genommen wird, und wo nicht die Materie der Willkür (ein ihr zum Grunde gelegtes Objekt), sondern die bloße Form der allgemeinen Gesetzmäßigkeit ihrer Maxime den Bestimmungsgrund derselben ausmacht“, Theor. Prax. I (VI 77 f.).

Das Gute und Böse sind die einzigen „Objekte“ (s. d.) der praktischen Vernunft. Das „Gute“ ist ein notwendiger Gegenstand des Begehrungs-, das „Böse“ ein solcher des Ver-abscheuungsvermögens, beides nach einem Prinzip der Vernunft. Wäre das Gute das Lustvolle, so könnte es nur durch Erfahrung bestimmt werden und wäre einerlei mit dem Angenehmen oder dem Nützlichen (s. d.) nicht etwas für sich selbst Gutes. Der Begriff des Guten muß daher „von einem vorhergehenden praktischen Gesetze abgeleitet werden“. Das Gute ist nicht identisch mit dem „Wohl“, das nur auf das Gefühl der Lust sich bezieht, während das Gute stets „eine Beziehung auf den Willen, sofern dieser durchs Vernunftgesetz bestimmt wird, sich etwas zu seinem Objekte zu machen“. „Das Gute oder Böse wird also eigentlich auf Handlungen, nicht auf den Empfindungszustand der Person bezogen und sollte etwas schlechthin (und in aller Absicht und ohne weitere Bedingung) gut oder böse sein oder dafür gehalten werden, so würde es nur die Handlungsart, die Maxime des Willens und mithin die handelnde Person selbst, als guter oder böser Mensch, nicht aber eine Sache sein, die so genannt werden könnte.“ Was wir „gut“ nennen sollen, „muß in jedes vernünftigen Menschen Urteil ein Gegenstand des Begehrungsvermögens sein, und das Böse in den Augen von jedermann ein Gegenstand des Abscheues; mithin bedarf es außer dem Sinne zu dieser Beurteilung noch Vernunft“. Der Mensch hat die Vernunft nicht bloß für seine „Tierheit“, für die Beschaffung der Mittel im Dienste der Glückseligkeit, sondern noch „zu einem höheren Beruf, nämlich auch das, was an sich gut oder böse ist, und worüber reine, sinnlich gar nicht interessierte Vernunft nur allein urteilen kann, nicht allein mit in Überlegung zu nehmen, sondern diese Beurteilung von jener gänzlich zu unterscheiden und sie zur obersten Bedingung der letzteren zu machen“. Wenn das praktische Gesetz unmittelbar den Willen bestimmt, so ist die ihm gemäße Handlung „an sich selbst gut“; „ein Wille, dessen Maxime jederzeit diesem Gesetze gemäß ist, ist schlechterdings, in aller Absicht gut und die oberste Bedingung alles Guten“. Das Mittel zu einem Wohlfahrtszweck ist immer nur relativ gut. Der Begriff des Guten und Bösen geht also nicht (als Grundlage) dem moralischen Gesetze vorher, sondern muß „nach demselben und durch dasselbe“ bestimmt werden, wenn es praktische Gesetze a priori geben soll. Nur ein formales Gesetz kann aber a priori ein Bestimmungsgrund der praktischen Vernunft sein, nicht ein Objekt (eine Materie) des Wollens, KpV 1. T. 1. B. 2. H. (II 76-84).

Die ursprünglichen Anlagen zum Guten in der menschlichen Natur sind: „1. Die Anlage für die Tierheit des Menschen als eines lebenden.“ Diese Anlagen machen zusammen die physische und bloß mechanische Selbstliebe aus, und zwar a) zur Erhaltung seiner selbst; b) zur Fortpflanzung seiner Art und Erhaltung derselben; c) „zur Gemeinschaft mit anderen Menschen“ („Trieb zur Gesellschaft“). „2. Für die Menschheit desselben als eines lebenden und zugleich vernünftigen.“ Diese Anlagen bilden die physische, aber vergleichende Selbstliebe (mittelst der Vernunft), d. h. sich nur in Vergleichung mit anderen als glücklich oder unglücklich zu beurteilen. „3. Für seine Persönlichkeit als eines vernünftigen und zugleich der Zurechnung fähigen Wesens.“ Es ist dies „die Empfänglichkeit der Achtung für das moralische Gesetz als einer für sich hinreichenden Triebfeder der Willkür“. Alle diese Anlagen sind „ursprünglich“, Rel. 1. St. I. (IV 25 ff.); vgl. Laster. Es muß vorausgesetzt werden, daß „ein Keim des Guten“ in seiner ganzen Reinheit auch im bösen Menschen übrig geblieben ist, der „nicht vertilgt oder verderbt werden“ konnte. Das „ursprünglich Gute“ ist „die Heiligkeit der Maximen in Befolgung seiner Pflicht“. Der Mensch, der diese Reinheit der Gesinnung in seine Maxime aufnimmt, ist nicht selbst heilig, aber auf dem Wege, im unendlichen Fortschreiten dazu, ibid. 1. St. Allg. Anmerk. (IV 48 ff.). Vgl. Böse, Wert, Sollen, Fortschritt, Sittlichkeit, Moralität, Gesinnung, Pflicht, Christentum.