Böse
Böse, das (Bösartigkeit, Bosheit). Im Gegensatz zu dem Übel, das sich auf unsere Sinnlichkeit und das Gefühl der Lust und Unlust bezieht, hat das Böse (wie das Gute) „jederzeit eine Beziehung auf den Willen, sofern dieser durchs Vernunftgesetz bestimmt wird, sich etwas zu seinem Objekte zu machen“, KpV 1. T. 1. B. 2. H. (II 78). Im Menschen besteht ein radikales Böses, ein in seiner Gattung wurzelnder Hang, von der Maxime der Sittlichkeit abzuweichen, obzwar er sich ihrer bewußt ist. — Der subjektive Grund des Bösen im Menschen kann, wenn ihm dieses zugerechnet werden soll, kein bloßer „Naturtrieb“, sondern nur eine „Maxime“ sein, d. h. „eine Regel, die die Willkür sich selbst für den Gebrauch ihrer Freiheit macht“. „Wenn wir also sagen: der Mensch ist von Natur gut, oder: er ist von Natur böse, so bedeutet dieses nur soviel als: er enthält einen (uns unerforschlichen) ersten Grund der Annehmung guter oder der Annehmung böser (gesetzwidriger) Maximen, und zwar allgemein als Mensch, mithin so, daß er durch dieselbe zugleich den Charakter seiner Gattung ausdrückt.“ Das Gute und Böse ist der Anlage nach „angeboren“, aber nicht die Natur ist daran schuld, wenn der Mensch (als Gattung) böse ist, sondern der Mensch ist als Urheber des Bösen selbst schuld. Bloß in dem Sinne heißt das Böse (und Gute) „angeboren“, als es „vor allem dem in der Erfahrung gegebenen Gebrauche der Freiheit (in der frühesten Jugend bis zur Geburt zurück) zum Grunde gelegt wird und so als mit der Geburt zugleich im Menschen vorhanden vorgestellt wird; nicht daß die Geburt eben die Ursache davon sei“, Rel. 1. St. (IV 19 f.). Der „erste subjektive Grund der Annehmung moralischer Maximen“ ist, weil diese Annehmung „frei“, nicht durch die Natur bedingt ist, unerforschlich, ibid. 3. Anm. (IV 20). Das Böse liegt in einer „Widerstrebung“ gegen das Gesetz, ibid. Anmerk. 1. Anm. (IV 21); der Aufnahme dieser Triebfeder und der Abweichung vom moralischen Gesetze in die Maxime des Menschen, ibid. Anmerk. (IV 23). „Die eine oder die andere Gesinnung als angeborene Beschaffenheit von Natur haben, bedeutet hier auch nicht, daß sie von dem Menschen, der sie hegt, gar nicht erworben, d. i. er nicht Urheber sei; sondern, daß sie nur nicht in der Zeit erworben sei (daß er eines oder das andere von Jugend auf sei immerdar. Die Gesinnung, d. i. der erste subjektive Grund der Annehmung der Maximen, kann nur eine einzige sein und geht allgemein auf den ganzen Gebrauch der Freiheit. Sie selbst aber muß auch durch freie Willkür angenommen worden sein, denn sonst könnte sie nicht zugerechnet werden. Von dieser Annehmung kann nicht wieder der subjektive Grund oder die Ursache erkannt werden. Weil wir also diese Gesinnung oder vielmehr ihren obersten Grund nicht von irgend einem ersten Zeit-Aktus der Willkür ableiten können, so nennen wir sie eine Beschaffenheit der Willkür, die ihr (ob sie gleich in der Tat in der Freiheit gegründet ist) von Natur zukommt“, ibid. (IV 24). Der „Hang zum Bösen“ ist ein natürlicher Hang. Aus dem natürlichen Hange (s. d.) entspringt überhaupt Fähigkeit oder Unfähigkeit der Willkür, das moralische Gesetz in seine Maxime aufzunehmen oder nicht, das „gute oder böses Herz“. „Man kann sich drei verschiedene Stufen desselben denken. Erstlich ist es die Schwäche des menschlichen Herzens in Befolgung genommener Maximen überhaupt oder die Gebrechlichkeit der menschlichen Natur; zweitens der Hang zur Vermischung unmoralischer Triebfedern mit den moralischen (selbst wenn es in guter Absicht und unter Maximen des Guten geschähe), d. i. die Unlauterkeit; drittens der Hang zur Annehmung böser Maximen, d. i. die Bösartigkeit der menschlichen Natur oder des menschlichen Herzens.“ Diese Bösartigkeit oder „Verderbtheit (corruptio)“ ist „der Hang der Willkür zu Maximen, die Triebfeder aus dem moralischen Gesetz, anderen (nicht moralischen) nachzusetzen“. „Sie kann auch die Verkehrtheit (perversitas) des menschlichen Herzens heißen, weil sie die sittliche Ordnung in Ansehung der Triebfedern einer freien Willkür umkehrt und, obzwar damit noch immer gesetzlich gute (legale) Handlungen bestehen können, so wird doch die Denkungsart dadurch in ihrer Wurzel (was die moralische Gesinnung betrifft) verderbt und der Mensch darum als böse bezeichnet.“ Was nicht aus dem Glauben geschieht, daß das moralische Gesetz zur Triebfeder allein hinreicht, ist „Sünde“ (der „Denkungsart nach“). „Denn wenn andere Triebfedern nötig sind, die Willkür zu gesetzmäßigen Handlungen zu bestimmen, als das Gesetz selbst (z. B. Ehrbegierde, Selbstliebe überhaupt, ja gar gutherziger Instinkt, dergleichen das Mitleid ist), so ist es bloß zufällig, daß diese mit dem Gesetze übereinstimmen; denn sie könnten ebensowohl zur Übertretung antreiben. Die Maxime, nach deren Güte aller moralische Wert der Person geschätzt werden muß, ist also doch gesetzwidrig, und der Mensch ist bei lauter guten Handlungen dennoch böse.“ Ein Hang zum Bösen kann nur dem „moralischen Vermögen“ der Willkür anhaften. Sittlich (d. h. zurechnungsfähig) böse ist nur, „was unsere eigene Tat ist“. Der Hang geht der Tat vorher; er selbst ist nur „Tat“ im Sinne der freien Aufnahme der obersten Maxime in die Willkür („peccatum originarium“), und zugleich „der formale Grund aller gesetzwidrigen Tat“ (des Lasters, „peccatum derivativum“). Die „erste Verschuldung“ ist „intelligibele Tat, bloß durch Vernunft ohne alle Zeitbedingung erkennbar“, während die Tat selbst „sensibel, empirisch, in der Zeit gegeben (factum phaenomenon)“ ist, Rel. 1. St. II (IV 29 ff.). „Der Satz: der Mensch ist böse, kann nach dem Obigen nichts anderes sagen wollen als: er ist sich des moralischen Gesetzes bewußt und hat doch die (gelegentliche Abweichung von demselben in seine Maxime aufgenommen. Er ist von Natur böse, heißt soviel als: dieses gilt von ihm in seiner Gattung betrachtet.“ Da der subjektive oberste Grund aller Maximen mit der Menschheit selbst „verwebt und darin gleichsam gewurzelt ist“, so ist dieser natürliche Hang zum Böse als selbstverschuldet „ein radikales, angeborenes (nichtsdestoweniger aber uns von uns selbst zugezogenes) Böse in der menschlichen Natur“, ibid. III (IV 32 f.). Der Grund des Bösen liegt weder in der Sinnlichkeit und den Neigungen allein noch in einer „Verderbnis der moralisch-gesetzgebenden Vernunft“. Der Mensch hat keine gleichsam „boshafte“ Vernunft, keinen schlechthin bösen Willen, wie ihn ein teuflisches Wesen hätte; er tut auf das moralische Gesetz „nicht gleichsam rebellischerweise“ Verzicht. Der Unterschied, ob der Mensch gut oder böse sei, kann „nicht in dem Unterschiede der Triebfedern, die er in seine Maxime aufnimmt (nicht in dieser ihrer Materie), sondern in der Unterordnung (der Form derselben) liegen: welche von beiden er zur Bedingung der anderen macht. Folglich ist der Mensch (auch der beste) nur dadurch böse, daß er die sittliche Ordnung der Triebfedern, in der Aufnehmung derselben in seine Maximen, umkehrt: das moralische Gesetz zwar neben dem der Selbstliebe in dieselbe aufnimmt; da er aber inne wird, daß eines neben dem anderen nicht bestehen kann, sondern eins dem anderen als seiner obersten Bedingung untergeordnet werden müsse, er die Triebfedern der Selbstliebe und ihre Neigungen zur Bedingung der Befolgung des moralischen Gesetzes macht, da das letztere vielmehr als die oberste Bedingung der Befriedigung der ersteren in die allgemeine Maxime der Willkür als alleinige Triebfeder aufgenommen werden sollte.“ „Dieses Böse ist radikal, weil es den Grund aller Maximen verdirbt.“ Es ist nicht zu „vertilgen“, aber zu „überwiegen“. Die Bösartigkeit der menschlichen Natur ist nicht sowohl „Bosheit“ als „Verkehrtheit“ des Herzens, die mit einem im allgemeinen guten Willen zusammen bestehen kann; sie entspringt zunächst aus der Gebrechlichkeit der menschlichen Natur, zur Befolgung seiner genommenen Grundsätze nicht stark genug zu sein. Diese „angeborene“ Schuld (reatus) ist in ihren ersten zwei Stufen „unvorsätzlich“ (culpa), in der dritten aber „vorsätzliche Schuld“ (dolus) und hat zu ihrem Charakter eine „gewisse Tücke des menschlichen Herzens (dolus malus), sich wegen seiner eigenen guten oder bösen Gesinnungen selbst zu betrügen“. Der Ausspruch des Apostels: „Es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder“ ist richtig, ibid. (IV 36—41). Der Ursprung (s. d.) des Bösen ist nicht ein „Zeitursprung“, sondern ein (zeitloser) „Vernunftursprung“; er kann nicht von einem vorhergehenden Zustande abgeleitet werden. „Von den freien Handlungen als solchen den Zeitursprung (gleich als von Naturwirkungen) zu suchen, ist also ein Widerspruch; mithin auch von der moralischen Beschaffenheit des Menschen, sofern sie als zufällig betrachtet wird, weil diese den Grund des Gebrauchs der Freiheit bedeutet, welcher (so wie der Bestimmungsgrund der freien Willkür überhaupt) lediglich in Vernunftvorstellungen gesucht werden muß.“ „Eine jede böse Handlung muß, wenn man den Vernunftursprung derselben sucht, so betrachtet werden, als ob der Mensch unmittelbar aus dem Stande der Unschuld in sie geraten wäre. Denn wie auch sein voriges Verhalten gewesen sein mag, und welcherlei auch die auf ihn einfließenden Naturursachen sein mögen, imgleichen ob sie in oder außer ihm anzutreffen seien: so ist seine Handlung doch frei und durch keine dieser Ursachen bestimmt, kann also und muß immer als ein ursprünglicher Gebrauch seiner Willkür beurteilt werden. Er sollte sie unterlassen haben, in welchen Zeitumständen und Verbindungen er auch immer gewesen sein mag; denn durch keine Ursache in der Welt kann er aufhören, ein frei handelndes Wesen zu sein.“ Ist jemand bis zu einer unmittelbar bevorstehenden freien Handlung noch so böse gewesen, „so ist es nicht allein seine Pflicht gewesen, besser zu sein, sondern es ist jetzt noch seine Pflicht, sich zu bessern; er muß es also auch können und ist, wenn er es nicht tut, der Zurechnung in dem Augenblicke der Handlung ebenso fähig und unterworfen, als ob er, mit der natürlichen Anlage zum Guten (die von der Freiheit unzertrennlich ist) begabt, aus dem Stande der Unschuld zum Bösen übergeschritten wäre.“ Der Vernunftursprung des Bösen selbst bleibt uns unerforschlich; wir wissen nicht, woher das moralische Böse in uns zuerst gekommen sein könne, ibid. IV (IV 41—46). „Was der Mensch im moralischen Sinne ist oder werden soll, gut oder böse, dazu muß er sich selbst machen oder gemacht haben. Beides muß eine Wirkung seiner freien Willkür sein; denn sonst könnte es ihm nicht zugerechnet werden, folglich er weder moralisch gut noch böse sein.“ Bedarf es zur Besserung einer übernatürlichen Mitwirkung, so muß sich der Mensch doch „vorher würdig machen, sie zu empfangen“. Wie es möglich sei, daß ein natürlicherweise böser Mensch sich selbst zum guten Menschen mache, übersteigt alle unsere Begriffe. Da er aber besser werden soll, so muß es auch werden können. Vorausgesetzt muß nur werden, „daß ein Keim des Guten in seiner ganzen Reinigkeit übrig geblieben, nicht vertilgt oder verderbt werden konnte“, nämlich die Achtung fürs moralische Gesetz. Es bedarf nur der Widerhersteilung der Reinheit der sittlichen Maxime, die Herstellung der rechten Ordnung der Maximen. Dazu ist eine „Herzensänderung“ nötig. Um ein moralisch guter (Gott wohlgefälliger) Mensch, d. h. „tugendhaft nach dem intelligiblen Charakter“ zu werden, genügt nicht eine allmähliche „Reform“, solange die Grundlage der Maximen unlauter bleibt, sondern „muß durch eine Revolution in der Gesinnung im Menschen (einen Übergang zur Maxime der Heiligkeit derselben) bewirkt werden; und er kann ein neuer Mensch nur durch eine Art von Wiedergeburt, gleich als durch eine neue Schöpfung (Ev. Joh. III, 5; verglichen mit 1. Mos. I, 2) und Änderung des Herzens werden“, ibid. Allg. Anmerk. (IV 47—51). Diese Revolution ist für die „Denkungsart“, die allmähliche Reform aber für die „Sinnesart“ des Menschen notwendig und möglich. „Das ist: wenn er den obersten Grund seiner Maximen, wodurch er ein böser Mensch war, durch eine einzige unwandelbare Entschließung umkehrt (und hiermit einen neuen Menschen anzieht), so ist er sofern, dem Prinzip und der Denkungsart nach, ein fürs Gute empfängliches Subjekt; aber nur in kontinuierlichem Wirken und Werden ein guter Mensch: d. i. er kann hoffen, daß er bei einer solchen Reinigkeit des Prinzips, welches er sich zur obersten Maxime seiner Willkür genommen hat, und der Festigkeit desselben, sich auf dem guten (obwohl schmalen) Wege eines beständigen Fortschreitens vom Schlechten zum Besseren befinde.“ „Hieraus folgt, daß die moralische Bildung des Menschen nicht von der Besserung der Sitten, sondern von der Umwandlung der Denkungsart und von der Gründung eines Charakters anfangen müsse“, ibid. (IV 51 f.). Das Gefühl der Erhabenheit unserer sittlichen Bestimmung und der Heiligkeit der Pflicht (s. d.) wirkt dem Hang zum Bösen entgegen, „um in der unbedingten Achtung fürs Gesetz, als der höchsten Bedingung aller zu nehmenden Maximen, die ursprüngliche sittliche Ordnung unter den Triebfedern und hiermit die Anlage zum Guten im menschlichen Herzen in ihrer Kernigkeit wiederherzustellen“. „Der Satz vom angeborenen Bösen ist in der moralischen Dogmatik von gar keinem Gebrauch; denn die Vorschriften derselben enthalten ebendieselben Pflichten und bleiben auch in derselben Kraft, ob ein angeborener Hang zur Übertretung in uns sei oder nicht. In der moralischen Asketik aber will dieser Satz mehr, aber doch nichts mehr sagen als: wir können in der sittlichen Ausbildung der anerschaffenen moralischen Anlage zum Guten nicht von einer uns natürlichen Unschuld den Anfang machen, sondern müssen von der Voraussetzung einer Bösartigkeit der Willkür in Annehmung ihrer Maximen der ursprünglichen sittlichen Anlage zuwider anheben und, weil der Hang dazu unvertilgbar ist, mit der unablässigen Gegenwirkung gegen denselben. Da dieses nun bloß auf eine ins Unendliche hinausgehende Fortschreitung vom Schlechten zum Besseren führt, so folgt: daß die Umwandlung der Gesinnung des bösen in die eines guten Menschen in der Veränderung des obersten inneren Grundes der Annehmung aller seiner Maximen dem sittlichen Gesetze gemäß zu setzen sei, sofern dieser neue Grund (das neue Herz) nun selbst unveränderlich ist“, ibid. (IV 54 ff.).
Um ein moralisch guter Mensch zu werden, genügt es nicht, den Keim des Guten in uns sich ungehindert entwickeln zu lassen, sondern die positive Ursache des Bösen in uns muß bekämpft werden, aber nicht, wie die Stoiker meinten, bloß die „Torheit“, sondern die „Bosheit“ des menschlichen Herzens, die „mit seelenverderbenden Grundsätzen die Gesinnung insgeheim untergräbt“, Rel. 2. St. am Anf. (IV 62 f.). Böse sind nicht die Neigungen (s. d.) an sich, sondern „das eigentliche Böse .. besteht darin, daß man jenen Neigungen, wenn sie zur Übertretung anreizen, nicht widerstehen will, und diese Gesinnung ist eigentlich der wahre Feind“, ibid. 1. Anm. (IV 62). „Nur das Moralisch-Gesetzwidrige ist an sich selbst böse, schlechterdings verwerflich und muß ausgerottet werden“, ibid. (IV 63). Der Mensch soll der Idee der „Gott wohlgefälligen Menschheit“ sich annähern (s. Christentum). Das kann, zeitlich, nur als „kontinuierlicher Fortschritt von mangelhaftem Guten zum Besseren ins Unendliche“ gedacht werden, welcher Fortschritt von einem „Herzenskündiger“ in seiner „intellektuellen Anschauung“ als ein vollendetes Ganzes auch der Tat beurteilt werden kann, ibid. 1. Abs. c (IV, 73 f.). Die Gesinnung vertritt hier die Stelle der Totalität der Reihe des Fortschreitens, ibid. 1. Anm. (IV 74). Der Mensch, der die Wirkung der guten Gesinnung auf seinen Lebenswandel bemerkt, kann hoffen, er werde darin immer mehr erstarken und fortschreiten, ibid. c (IV 75 f.). Der höchsten Gerechtigkeit in Sache der ursprünglichen Sündenschuld wird in dem Akte des Übergangs von der bösen zur guten Gesinnung selbst genüge getan. Das „Subjekt der Sünde“ stirbt ab, um der Gerechtigkeit zu leben und der Mensch übernimmt nun alle Übel, die er früher nur als Strafe empfunden hätte, freudig, bloß um des Guten willen, auf sich, wodurch er vor Gott gerechtfertigt wird, dessen Gnade ihm zuteil wird, ibid. (IV 79 ff.). Der Aufnahme echter sittlicher Grundsätze in die Gesinnung widerstrebt „nicht etwa die so oft beschuldete Sinnlichkeit, sondern eine gewisse selbstverschuldete Verkehrtheit, oder wie man diese Bösartigkeit noch sonst nennen will, Betrug (fausseté, Satanslist, wodurch das Böse in die Welt gekommen)“, Rel. 2. St. 2. Abs. (IV 94). Zur Überwindung des Bösen und zur Befestigung der Herrschaft des Guten dient das Reich (s. d.) der Tugend, das „Reich Gottes auf Erden“, ibid. 3. St. am Anf. (IV 105 ff.). Die „Vorsehung“ verschafft dem Zwecke der Menschheit einen Ausgang, „weichem die Zwecke der Menschen, abgesondert betrachtet, gerade entgegenwirken“. „Denn eben die Entgegenwirkung der Neigungen, aus welchen das Böse entspringt, untereinander, verschafft der Vernunft ein freies Spiel, sie insgesamt zu unterjochen und statt des Bösen, was sich selbst zerstört, das Gute, welches, wenn es einmal da ist, sich fernerhin von selbst erhält, herrschend zu machen“, Theor. Prax. III (VI 112). „Das moralisch Böse hat die von seiner Natur unabtrennbare Eigenschaft, daß es in seinen Absichten (vornehmlich in Verhältnis gegen andere Gleichgesinnte) sich selbst zuwider und zerstörend ist und so dem (moralischen) Prinzip des Guten, wenngleich durch langsame Fortschritte, Platz macht“, Z. ew. Fried. Anh. I (VI 161).
„In der irdischen Welt ist alles nur Fortschritt. So ist auch das Gute und die Glückseligkeit hier nicht Besitz, sondern nur Weg zur Vollkommenheit und Zufriedenheit. Das Böse in der Welt kann man daher ansehen als die unvollständige Entwicklung des Keims zum Guten.“ Es ist „bloße Negation“ und besteht nur in der „Einschränkung des Guten“. Indem der Mensch viele zur Tierheit gehörende Instinkte hat, verleitet ihn die Stärke dieser, sich ihnen zu überlassen, und so entsteht das Böse, indem der Mensch in Torheiten verfällt, sowie er anfängt, seine Vernunft zu gebrauchen. „Ein besonderer Keim zum Bösen läßt sich nicht denken.“ Das Böse ist eine Nebenfolge des Guten, „indem der Mensch mit seinen eigenen Schranken, mit seinen tierischen Instinkten zu kämpfen hat.“ Wenn sich der Mensch ganz entwickelt hat, so hört das Böse von selbst auf, Vorles. üb. d. philos. Religionslehre, S. 138 ff. Der Mensch ist von Natur weder gut noch böse; „er wird dieses nur, wenn seine Vernunft sich bis zu den Begriffen der Pflicht und des Gesetzes erhebt.“ „Man kann indessen sagen, daß er ursprünglich Anreize zu allen Lastern in sich habe, denn er hat Neigungen und Instinkte, ob ihn gleich die Vernunft zum Gegenteile treibt“, Üb. Pädagogik, V. d. prakt. Erzieh. (VIII 244).
Seinem intelligiblen Charakter als angeborener Anlage nach ist der Mensch (von Natur) gut. „Da aber doch auch die Erfahrung zeigt: daß in ihm ein Hang zur tätigen Begehrung des Unerlaubten, ob er gleich weiß, daß es unerlaubt sei, d. i. zum Bösen, sei, der sich so unausbleiblich und so früh regt, als der Mensch nur von seiner Freiheit Gebrauch zu machen anhebt, und darum als angeboren betrachtet werden kann: so ist der Mensch seinem sensiblen Charakter nach auch als (von Natur) böse zu beurteilen“, Anthr. 2. T. E III (TV 279); vgl. Mensch. — Von einem Menschen mit steifem, unbiegsamem Sinn „kann man nicht füglich sagen: die Bosheit dieses Menschen ist eine Charaktereigenschaft desselben; denn alsdann wäre sie teuflisch; der Mensch aber billigt das Böse in sich nie, und so gibt es eigentlich keine Bosheit aus Grundsätzen, sondern nur aus Veranlassung derselben“, ibid. A III V. d. Eigenschaften... 3 (IV 237); vgl. Charakter.