Bewußtsein
Bewußtsein. Das Bewußtsein ist ein Wissen um unsere Vorstellungen. Das „empirische“ Bewußtsein ist wechselnd und subjektiv verschieden. Es tritt in den verschiedensten Graden auf bis zum Unbewußtsein. Das „reine“ Bewußtsein ist die transzendentale Apperzeption (s. d.). Es ist das ursprüngliche, unwandelbare, „transzendentale“ Bewußtsein, das aller besonderen Erfahrung vorangeht, eine Bedingung dieser und des empirischen Bewußtseins ist. Denn alles, was meine Vorstellung werden soll, muß etwas sein, was von dem rein formalen Bewußtsein „Ich denke“ begleitet werden kann. Das reine Bewußtsein ist der Einheitspunkt, auf den alles Vorstellbare, Erfahrbare als solches sich muß beziehen lassen, mag es auch vom empirischen Bewußtsein unabhängig sein, wie das bei der Außenwelt, den Gegenständen der Erfahrung sicherlich der Fall ist. Das reine Bewußtsein entfaltet sich in Grundbegriffen und Grundsätzen der Erkenntnis, in einem System a priori geltender Bedingungen der Erfahrung, die in ihm, dem reinen Bewußtsein, ihre einheitliche Quelle haben. Von dem besonderen, subjektiv verschiedenen Bewußtsein ist das von allen Besonderheiten freie „Bewußtsein überhaupt“ (s. d.) zu unterscheiden.
Das (empirisch-psychologische) Bewußtsein hat stets einen „Grad, der immer noch vermindert werden kann“, auch in den „dunklen“ Vorstellungen. Es gibt „unendlich viele Grade des Bewußtseins bis zum Verschwinden“, KrV tr. Dial. 2. B. 1. H. Widerlegung des Mendelssohnschen Beweises 1. Anm. (I 360—Rc 446); vgl. Unbewußt.
„Weil Erfahrung empirische Erkenntnis ist, zur Erkenntnis aber (da es auf Urteilen beruht) Überlegung (reflexio), mithin Bewußtsein der Tätigkeit in Zusammenstellung des Mannigfaltigen der Vorstellung nach einer Regel der Einheit desselben, d. i. Begriff und (vom Anschauen unterschiedenes) Denken überhaupt, erfordert wird: so wird das Bewußtsein in das diskursive (welches als logisch, weil es die Regel gibt, vorangehen muß) und das intuitive Bewußtsein eingeteilt werden; das erstere (die reine Apperzeption seiner Gemütshandlung) ist einfach.“ Der innere Sinn (s. d.) bedeutet ein „psychologisches (angewandtes)“, die (reine) Apperzeption aber ein „logisches (reines) Bewußtsein“, Anthr. 1. T. § 7 (IV 31 f.). — Das Bewußtsein ist „eine Vorstellung, daß eine andere Vorstellung in mir ist“; es ist die „allgemeine Bedingung aller Erkenntnis überhaupt“, Log. Einl. V (IV 36).
Vom empirischen (d. h. Empfindung einschließenden) zum reinen Bewußtsein ist eine „stufenartige Veränderung möglich“, wobei die Empfindung ganz verschwindet und ein „bloß formales Bewußtsein (a priori)“ des Mannigfaltigen in Raum und Zeit übrig bleibt, KrV tr. Anal. 2. B. 2. H. Antizipationen der Wahrn. Beweis (I 206— Rc 262). — Das reine, ursprüngliche, unwandelbare Bewußtsein, welches die Bedingung des „empirischen Bewußtseins“, der Erfahrung und deren Objekte bedeutet, ist die transzendentale Apperzeption (s. d.). Alle Anschauungen und Vorstellungen sind für uns nichts, wenn sie nicht „ins Bewußtsein aufgenommen“ werden können. Wir stellen nur dadurch etwas vor, daß Vorstellungen mit allen anderen „zu einem Bewußtsein gehören, mithin darin wenigstens müssen verknüpft werden können“, KrV 1. A. tr. Anal. 1. B. 2. H. 3. Abs. (I 720—Rc 202). „Alle Vorstellungen haben eine notwendige Beziehung auf ein mögliches empirisches Bewußtsein; denn hätten sie diese nicht und wäre es gänzlich unmöglich, sich ihrer bewußt zu werden, so würde das so viel sagen: sie existierten gar nicht. Alles empirische Bewußtsein hat aber eine notwendige Beziehung auf ein transzendentales (vor aller besonderen Erfahrung vorhergehendes) Bewußtsein, nämlich das Bewußtsein meiner selbst, als die ursprüngliche Apperzeption. Es ist also schlechthin notwendig, daß in meinem Erkenntnisse alles Bewußtsein zu einem Bewußtsein (meiner selbst) gehöre.“ „Der synthetische Satz, daß alles verschiedene empirische Bewußtsein in einem einigen Selbstb. verbunden sein müsse, ist der schlechthin erste und synthetische Grundsatz unseres Denkens überhaupt. Es ist aber nicht außer Acht zu lassen, daß die bloße Vorstellung Ich in Beziehung auf alle anderen (deren kollektive Einheit sie möglich macht) das transzendentale Bewußtsein sei. Diese Vorstellung mag nun klar (empirisches Bewußtsein) oder dunkel sein, daran liegt hier nichts, ja nicht einmal an der Wirklichkeit desselben; sondern die Möglichkeit der logischen Form alles Erkenntnisses beruht notwendig auf dem Verhältnis zu dieser Apperzeption als einem Vermögen“, ibid. 1. Anm. (I 720—Rc 202). Alles Bewußtsein gehört zu einer „allbefassenden reinen Apperzeption“, ibid. 3. Abs. (I 725—Rc 212). Ohne das „Verhältnis zu einem, wenigstens möglichen Bewußtsein“ würde Erscheinung für uns niemals ein Gegenstand der Erkenntnis werden können und also für uns nichts sein, weil sie nur in der Erkenntnis existiert, ibid. (I 722—Rc 206). In der „Einheit des möglichen Bewußtseins“ besteht die „Form aller Erkenntnis der Gegenstände“, ibid. Summarische Vorstellung ... (I 729—Rc 222).
„Das Bewußtsein, wenn ich eine Erfahrung anstelle, ist Vorstellung meines Daseins, sofern es empirisch bestimmt ist, d. h. in der Zeit.“ Das Bewußtsein selbst aber ist an sich „nichts Empirisches“. Wäre es empirisch, „so würde dieselbe Zeitbestimmung wiederum, als unter den Bedingungen der Zeitbestimmung meines Zustandes enthalten, müssen vorgestellt werden. Es müßte also noch eine andere Zeit gedacht werden, unter der (nicht in der) die Zeit, welche die formelle Bedingung meiner inneren Erfahrung ausmacht, enthalten wäre. Also gäbe es eine Zeit, in welcher und mit welcher zugleich eine gegebene Zeit verflösse, welches ungereimt ist. Das Bewußtsein aber, eine Erfahrung anzustellen oder auch überhaupt zu denken, ist ein transzendentales Bewußtsein, nicht Erfahrung“, Acht kleine Aufsätze 1: Ist es eine Erfahrung, daß wir denken? (VIII 164). Das transzendentale Bewußtsein ist „das Bewußtsein: Ich denke“, und „geht aller Erfahrung vorher, indem es sie erst möglich macht“. — „Geschehen Eindrücke auf meinen inneren Sinn, so setzt dies voraus, daß ich mich selbst affiziere (ob es gleich uns unerklärbar ist, wie dies zugeht), und so setzt also das empirische Bewußtsein das transzendentale voraus“, ibid. 3: Widerlegung des problematischen Idealismus (VIII167). Zwischen einem Bewußtsein und dem „völligen Unbewußtsein (psychologischer Dunkelheit)“ gibt es immer noch kleinere Grade des Bewußtseins, „daher keine Wahrnehmung möglich ist, welche einen absoluten Mangel bewiese, z. B. keine psychologische Dunkelheit, die nicht als ein Bewußtsein betrachtet werden könnte, welches nur von anderem, stärkerem überwogen wird“, Prol. § 24 (III 65 f.).
„Bewußtsein ist das Anschauen seiner selbst. Es wäre nicht Bewußtsein, wenn es Empfindung wäre. In ihm liegt alle Erkenntnis, wovon es auch sei. Wenn ich von allen Empfindungen abstrahiere, so setze ich das Bewußtsein voraus. Es ist die logische Persönlichkeit, nicht die praktische“, N 5049; vgl. 5927. Das Bewußtsein ist „Einheit, in welcher allein die Verknüpfung aller Wahrnehmungen möglich, und wenn sie Erkenntnis des Objekts sein soll, a priori bestimmt sein muß“, N 5934. Vgl. Klarheit, Wahrnehmung, Einheit, Synthese, Reproduktion, Rekognition, Apprehension, Apperzeption, Erfahrung, Ich, Subjekt, Idealismus, Unbewußt, Denken, Wahrnehmung.