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Einheit

Einheit. Einheit im quantitativen Sinne ist eine der Kategorien (s. d.). Von der „empirischen Einheit“ des Bewußtseins, d. h. der Einheit, zu welcher die Erlebnisse des Subjekts jeweilig zusammengehen, ist die ursprüngliche, „transzendentale Einheit“ der Apperzeption (s. d.) zu unterscheiden, d. h. die rein formale Einheit des „Ich denke“, die eine Urbedingung und Voraussetzung alles Erkennens und aller Erfahrung ist. Diese Einheit ist „synthetisch“ und bedingt den einheitlichen Zusammenhang der Vorstellungen, macht aus diesen einen nach Regeln gesetzmäßig verknüpften Erfahrungszusammenhang. Eine Bedingung aller Erfahrung ist die „Einheit der Synthesis“, die Verknüpfung des Erfahrungsmaterials durch ein Einheitsprinzip, nach apriorisch-einheitlichen Gesichtspunkten. Der oberste Grundsatz der Erfahrung ist die Verknüpfung zu allgemeingültiger, objektiver Einheit, und die Kategorien (s. d.) und Grundsätze (s. d.) sind die Formen dieser Einheitsverknüpfung. Erfahrungsobjekt ist nur, was durch die Einheit des „reinen Bewußtseins“, der „transzendentalen Apperzeption“ verbunden ist oder verbunden werden kann; dieser Einheit entspringt, durch Synthese (s. d.), das Einheitsgefüge, als welches sich das Objekt (s. d.) der Erfahrung darstellt. Die „Einheit der Erfahrung“ ist nichts Gegebenes, sondern ein Erzeugnis des reinen Verstandes. Die Vernunft (im engeren Sinne) bringt wiederum Einheit in die Produkte des Verstandes, stellt unter den Verstandeseinheiten eine umfassende, „systematische Einheit“ her. Die Funktion des (reinen) Denkens und Erkennens besteht geradezu in der Verknüpfung von Daten zur objektiven Einheit, und das Erkenntnisobjekt als solches ist ein Niederschlag solcher Einheitssynthese, die nicht subjektiv ist, sondern in einem „Bewußtsein überhaupt“ (s. d.), also als für alle Subjekte gültig, statthat. Auch die Urteilskraft (s. d.) hat ein Prinzip der Einheit in sich (s. Zweck).

Die Einheit in der Verbindung der Substanzen ist eine Folge der Abhängigkeit aller von einem (göttlichen) Wesen, Mund. sens. § 20 (V 2, 117); vgl. Wechselwirkung. Die Einheit des Begriffs ist eine „qualitative Einheit“ (s.d.). Alle Urteile (s. d.) sind „Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen, da nämlich statt einer unmittelbaren Vorstellung eine höhere, die diese und mehrere unter sich begreift, zur Erkenntnis des Gegenstandes gebraucht und viele mögliche Erkenntnisse dadurch in einer zusammengezogen werden“, KrV tr. Anal. 1. B. 1. H. 1. Abs. V. d. logischen Verstandesgebrauche... (I 121—Rc 140); vgl. Funktion. Die „Einheit der Anschauung“ (s. Anschauung) schon ist durch eine Synthesis des Bewußtseins bedingt (s. Apprehension). Die reine Synthesis (s. d.) ist jene Synthesis, die „auf einem Grunde der synthetischen Einheit a priori beruht“. So ist das Zählen eine Synthesis nach Begriffen, weil sie „nach einem gemeinschaftlichen Grunde der Einheit“ geschieht (z. B. der Dekadik); unter diesem Begriff wird die „Einheit in der Synthesis des Mannigfaltigen“ notwendig. Die Kategorien (s. d.) sind die Begriffe, welche der reinen Synthesis „Einheit geben und lediglich in der Vorstellung dieser notwendigen synthetischen Einheit bestehen“. „Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen in einem Urteile Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen in einer Anschauung Einheit, welche, allgemein ausgedrückt, der reine Verstandesbegriff heißt. Derselbe Verstand also, und zwar durch eben dieselben Handlungen, wodurch er in Begriffen, vermittelst der analytischen Einheit, die logische Form eines Urteils zustande brachte, bringt auch, vermittelst der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen in der Anschauung überhaupt, in seine Vorstellungen einen transzendentalen Inhalt“, KrV tr. Anal. § 10 (I 128—Rc 148 f.). Verbindung (s. Synthese) ist „Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen. Die Vorstellung dieser Einheit kann also nicht aus der Verbindung entstehen, sie macht vielmehr dadurch, daß sie zur Vorstellung des Mannigfaltigen hinzukommt, den Begriff der Verbindung allererst möglich“. Diese Einheit, die „a priori vor allen Begriffen der Verbindung vorhergeht“, ist nicht die Kategorie der Einheit; „denn alle Kategorien gründen sich auf logische Funktionen in Urteilen; in diesen aber ist schon Verbindung, mithin Einheit gegebener Begriffe gedacht. Die Kategorie setzt also schon Verbindung voraus“. „Also müssen wir diese Einheit (als qualitative, § 12) noch höher suchen, nämlich in demjenigen, was selbst den Grund der Einheit verschiedener Begriffe in Urteilen, mithin der Möglichkeit des Verstandes, sogar in seinem logischen Gebrauche, enthält“, ibid. § 15 (I 150—Rc 171 f.). Die synthetische Einheit der Apperzeption ist die Voraussetzung der analytischen Einheit derselben und der empirischen Einheit des Bewußtseins (s. d.). Sie ist die Bedingung der „Einheit der Erfahrung“ (s. d.).

Die Vernunft (s. d.) bringt das vom Verstand verarbeitete Material „unter die höchste Einheit des Denkens“. Während der Verstand ein „Vermögen der Einheit der Erscheinungen vermittelst der Regeln“ ist, ist die Vernunft das Vermögen der „Einheit der Verstandesregeln unter Prinzipien“. Diese „Vernunfteinheit“ ist von ganz anderer Art als die vom Verstande geleistete Einheit, KrV tr. Dial. Einl. IIA (1318 ff.—Rc 385 ff.). Die Vernunft sucht im Schließen die Mannigfaltigkeit der Verstandeserkenntnis auf die „kleinste Zahl der Prinzipien“ zu bringen und dadurch die „höchste Einheit“ derselben zu bewirken, ibid. B (I 322—Rc 389). „Vernunfteinheit ist also nicht Einheit einer möglichen Erfahrung.“ Diese Einheit wird durch den Fortgang zum „Unbedingten“ (s. d.) zu bewirken gesucht, ibid. C (I 324 f.—Rc 390 ff.). Die Vernunft sucht „die synthetische Einheit, welche in der Kategorie gedacht wird“, bis zum „Schlechthinunbedingten“ hinauszuführen, bis zur „Vernunfteinheit der Erscheinungen“, im Unterschiede von der „Verstandeseinheit“. Diese Einheit geht darauf aus, „alte Verstandeshandlungen in Ansehung eines jeden Gegenstandes in ein absolutes Ganzes zusammen zu fassen“, ibid. tr. Dial. 1. B. 2. Abs. (I 338—Rc 406); vgl. systematische Einheit.

Alle Erscheinungen müssen so ins Gemüt kommen oder apprehendiert werden, „daß sie zur Einheit der Apperzeption zusammenstimmen, welches ohne synthetische Einheit in ihrer Verknüpfung, die mithin auch objektiv notwendig ist, unmöglich sein würde“, KrV 1. A. tr. Anal. 1. B. 2. H. 3. Abs. (I 719 ff.—Rc 200 ff.); vgl. Apperzeption.

„Wie groß etwas sei, läßt sich nur relativisch erkennen. Absolute Einheit gibt es nicht, außer ens realissimum. Also ist die Einheit nicht immer das, was etliche Mal wiederholt die Größe ausmacht; denn ens realissimum ist Einheit, kann aber nicht wiederholentlich gesetzt werden“, N 5729. „Nur die omnitudo ist absolute Einheit und individuum rationale“, N 5779. „Etwas kann .... entweder bloß gesetzt oder wiederholentlich (iterative) gesetzt werden, um die Vorstellung des Objekts zustande zu bringen. Im letzteren Falle ist es Vielheit, im ersteren Eines. Alle Vielheit ist also gleichartig und die wiederholte Setzung ist Hinzutuung.“ Das, woraus etwas zusammengesetzt, heißt Einheit und ist komparativ einfach, d. h. aus der gleichen Einheit nicht zusammengesetzt, N 5726. „Objektive Einheit des Bewußtseins“ ist „allgemeingültige Verknüpfung der Wahrnehmungen“, d. h. Erfahrung, N 5932; vgl. Kategorie. „Alle Vorstellungen müssen im Verhältnis zu einem Bewußtsein, und also als der Einheit des Bewußtseins allgemein unterworfen vorgestellt werden“, wenn wir uns auch dieses Verhältnisses nicht immer bewußt sind, N 5708. „Die objektive Einheit des Bewußtseins des Mannigfaltigen der Vorstellungen ist die Verknüpfung desselben, entweder mit einem und demselben Begriffe, z.B. Alle Menschen (mit einem Worte: eine allgemeingültige Verbindung [der Begriffe] in einem Bewußtsein), und dann heißt die Einheit logisch; oder diese logische Einheit des Bewußtseins wird in dem Begriffe eines Dinges als bestimmt angesehen und macht seinen Begriff aus: das ist die synthetische oder transzendentale Einheit des Bewußtseins. Dort wird die Einheit vorgestellt, die bloß das Verhältnis der Begriffe betrifft; hier diejenige, die selbst einen Begriff vom Dinge ausmacht durch die Vereinigung seines Mannigfaltigen in einem Bewußtsein: z. B. viele Dinge sind außer einander, und anderseits: der Raum ist Eines, was Vieles außer einander begreift. Jenes ist die Quantität des Begriffes eines Urteils, dieses der Begriff eines Dinges als quanti“, N 5930. Die Form eines jeden Urteils (s. d.) besteht in der objektiven Einheit des Bewußtseins der gegebenen Begriffe, „d. i. in dem Bewußtsein, daß diese zueinander gehören müssen, und dadurch ein Objekt bezeichnen, in dessen (vollständiger) Vorstellung sie jederzeit zusammen angetroffen werden“. „Es ist aber diese Notwendigkeit der Verknüpfung nicht eine Vorstellung empirischen Ursprungs, sondern setzt eine Regel voraus, die a priori gegeben sein muß, d. i. Einheit des Bewußtseins, die a priori stattfindet. Diese Einheit des Bewußtseins ist in den Momenten des Verstandes beim Urteilen enthalten, und nur das ist Objekt, worauf in Beziehung Einheit des Bewußtseins der mannigfaltigen Vorstellungen a priori gedacht wird“, N 5923. Vgl. Apperzeption, Vielheit, System, Subjekt, Seele, Einfach, Welt, Analogien der Erfahrung, Synthese, Natur, Gesetz, zahl.