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Erkenntnis

Erkenntnis. Erkenntnis ist bestimmte Beziehung von Vorstellungsdaten auf Objekte, Herstellung einheitlicher Zusammenhänge solcher Daten, nicht passive Abspiegelung von fertig gegebenen Realitäten. Die Erkenntnis ist denkende Verarbeitung des Anschauungsmaterials nach apriorischen Prinzipien, Anwendung dieser Prinzipien auf das sinnlich Gegebene, Unterordnung desselben unter die Formen des erkennenden Bewußtseins, Eingliederung des so Geformten in einen einheitlichen, systematischen Zusammenhang. Die Erkenntnis enthält apriorische Faktoren, ist ein Werk des Intellekts, aber bleibt immer nur auf mögliche Erfahrung (s. d.) bezogen, vollzieht sich nur — soweit sie nicht rein formal ist — im Prozeß der Erzeugung der Erfahrung und des Fortschritts zu immer neuen Erfahrungen. Die Wirklichkeit ist erkennbar, soweit sie erfahrbar ist, als „Erscheinung“ (s. d.), und zwar deshalb erkennbar, weil das, was die Gegenstände der Erkenntnis konstituiert, zugleich auch die Bedingung der Erkenntnis ist: die Erkenntnis und ihr Objekt haben eine und dieselbe Grundlage der Erzeugung. Das „Ding an sich“ ist unerkennoar, es ist nur zu denken, als Grund der Erscheinungen, als Annahme zur Begreiflichkeit des Gegebenseins der Erfahrungsdaten. Erkenntnis reicht nur so weit, als mögliche (eigene und fremde) Erfahrung reicht, aber innerhalb der Erfahrungswirklichkeit, der erscheinenden Welt ist die Erkenntnis unbegrenzt, kann sie auch in das „Innere“ der (empirischen) Dinge dringen. Einerseits also Unmöglichkeit transzendent-metaphysischer Erkenntnis (gegen den Dogmatismus), anderseits sichere, fest begründete Erkenntnis empirisch-wissenschaftlicher und formaler Art (gegen den Skeptizismus), ergänzt durch einen „Vernunftglauben“. Wir erkennen das Wirkliche so, wie es sich uns in den Formen der Anschauung und des Denkens allgemein und notwendig darstellt, als objektive Erscheinung (Kritizismus).

Der „natürliche Fortschritt der menschlichen Erkenntnis“ ist der, „daß sich zuerst der Verstand ausbildet, indem er durch Erfahrung zu anschauenden Urteilen und durch diese zu Begriffen gelangt, daß darauf diese Begriffe in Verhältnis mit ihren Gründen und Folgen durch Vernunft und endlich in einem wohlgeordneten Ganzen vermittelst der Wissenschaft erkannt werden“, Nachr. v. d. Einricht. s. Vorles. 1765—1766 (V 1, 151). Zur sinnlichen Erkenntnis gehört ein „Stoff“, der in der Empfindung besteht, und eine „Form“ (s. d.), nämlich Raum und Zeit. Der Gegenstand der sinnlichen Erkenntnis heißt „Phaenomenon“, der der intellektuellen „Noumenon“. Die sinnliche Erkenntnis gibt die Dinge, „wie sie erscheinen“, die intellektuelle, „wie sie sind“, Mund. sens. §§ 3 ff. (V 2, 96 ff.). „Wenn es gestattet wäre, den Fuß ein wenig über die Grenzen der apodiktischen Gewißheit, die der Metaphysik geziemt, zu setzen, so wäre es der Mühe wert, einiges zu untersuchen, was nicht allein die Gesetze der sinnlichen Anschauung, sondern auch die Ursachen betrifft, die nur durch den Verstand erkannt werden können. Der menschliche Geist wird nämlich von den äußeren Dingen nur soweit affiziert, und die Welt steht seinem Anblick nur soweit unbegrenzt offen, als er selbst mit allen anderen Dingen von derselben Kraft eines Einzigen erhalten wird. Deshalb nimmt er das Äußere nur durch die Gegenwart der nämlichen gemeinsam erhaltenden Ursache wahr“ (vgl. Raum). „Indes scheint es ratsamer, sich an der Küste der bei der Mittelmäßigkeit unseres Geistes uns erreichbaren Erkenntnisse zu halten, als sich auf die hohe See derartiger mystischer Erforschungen hinauszuwagen, wie Malebranche es tat, dessen Ansicht von der hier vorgetragenen nicht weit abliegt: daß wir nämlich alles in Gott schauten“, ibid. § 22 Anmerk. (V 2, 119 f.). Die Metaphysik hat zu verhüten, „daß die der sinnlichen Erkenntnis eigentümlichen Prinzipien ihre Grenzen überschreiten und die Verstandeserkenntnisse affizieren“. Wird ein sinnlicher Prädikatsbegriff mit einem sinnlichen Subjektbegriff verbunden, so passen beide zueinander. „Wird es (das sinnliche Prädikat) aber mit einem Verstandesbegriff verbunden, so wird ein solches Urteil nur nach subjektiven Gesetzen gültig sein und kann deshalb von dem Verstandesbegriff selbst nicht ausgesagt und als ein objektives behauptet werden: sondern nur als die Bedingung, ohne welche eine sinnliche Erkenntnis des gegebenen Begriffes nicht stattfindet“, ibid. § 24 (V 2, 122). „Dieses Kennzeichen ist leicht und fruchtbar anzuwenden bei der Unterscheidung der Grundsätze, welche nur Gesetze der sinnlichen Erkenntnis aussprechen, von solchen, die außerdem etwas von den Gegenständen selbst aussagen. Denn, wenn das Prädikat ein Verstandesbegriff ist, so bezeichnet die Beziehung auf das Subjekt des Urteils, mag es auch noch so sinnlich vorgestellt sein, immer ein Merkmal, welches dem Gegenstande selbst zukommt. Ist aber das Prädikat ein sinnlicher Begriff, so wird es, weil die Gesetze der sinnlichen Erkenntnis nicht die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände selbst sind, von dem verstandsmäßig gedachten Subjekt des Urteils nicht gelten und deshalb nicht objektiv ausgesagt werden. So kann in dem allgemein gebräuchlichen Satze: Alles, was existiert, ist irgendwo, das Prädikat, weil es Bedingungen der sinnlichen Erkenntnis betrifft, von dem Subjekt des Urteils, nämlich von jedem beliebigen Seienden nicht allgemein ausgesagt werden; also ist eine Formel, die dies objektiv behauptet, falsch. Wird aber der Satz umgekehrt, so daß das Prädikat ein Verstandesbegriff wird, so wird sie sich als durchaus wahr herausstellen, z. B.: alles, was irgendwo ist, existiert“, ibid. Anmerk. (V 2, 122 f.). „Alle Blendwerke aber der sinnlichen Erkenntnis unter der Gestalt von Verstandesbegriffen, aus denen die erschlichenen Axiome hervorgehen, lassen sich auf drei Arten zurückführen“, deren allgemeine Formeln hier folgen:

1. „Die nämliche sinnliche Bedingung, unter der allein die Anschauung des Gegenstandes möglich ist, ist die Bedingung der Möglichkeit des Gegenstandes selbst.“
2. „Die nämliche sinnliche Bedingung, unter der allein Gegebenes miteinander verglichen werden kann, um einen Verstandesbegriff von dem Gegenstande zu bilden, ist auch die Bedingung der Möglichkeit des Gegenstandes selbst.“
3. „Die nämliche sinnliche Bedingung, unter der die Unterordnung irgendeines vorkommenden Gegenstandes unter einen gegebenen Verstandesbegriff allein möglich ist, ist auch die Bedingung der Möglichkeit des Gegenstandes selbst“, ibid. § 26 (V 2, 124).

„Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten; aber alle Versuche, über sie a priori etwas durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere Erkenntnis erweitert würde, gingen unter dieser Voraussetzung zunichte. Man versuche es daher einmal, ob wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen, daß wir annehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserer Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt, die über Gegenstände, ehe sie uns gegeben werden, etwas festsetzen soll. Es ist hiermit ebenso als mit den ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen, und dagegen die Sterne in Ruhe ließ“, KrV Vorr. z. 2. A. (I 28— Rc 22 f.).

Alle Erkenntnis „fängt an“ („hebt an“) mit der Erfahrung (s. d.). Aber sie „entspringt“ nicht alle aus der Erfahrung, sondern selbst unsere Erfahrungserkenntnis setzt sich zusammen aus dem, was wir durch Eindrücke empfangen und dem, was „unser eigenes Erkenntnisvermögen (durch sinnliche Eindrücke bloß veranlaßt) aus sich selbst hergibt“. Erkenntnisse sind entweder „empirisch“, wenn sie „ihre Quellen a posteriori, nämlich in der Erfahrung haben“, „durch Erfahrung möglich“ sind, oder „a priori“ (s. d.), wenn sie von aller Erfahrung schlechterdings unabhängig sind. „Rein“ sind jene apriorischen Erkenntnisse, „denen gar nichts Empirisches beigemischt ist“, KrV Einl. I (I 47 f.—Rc 45 f.). „Unsere Erkenntnis entspringt aus zwei Grundquellen des Gemüts, deren die erste ist, die Vorstellungen zu empfangen (die Rezeptivität der Eindrücke), die zweite das Vermögen, durch diese Vorstellungen einen Gegenstand zu erkennen (Spontaneität der Begriffe); durch die erstere wird uns ein Gegenstand gegeben, durch die zweite wird dieser im Verhältnis auf jene Vorstellung (als bloße Bestimmung des Gemüts) gedacht. Anschauung und Begriffe machen also die Elemente aller unserer Erkenntnis aus, so daß weder Begriffe, ohne ihnen auf einige Art korrespondierende Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe eine Erkenntnis abgeben können.“ „Der Verstand vermag nichts anzuschauen und die Sinne nichts zu denken. Nur daraus, daß sie sich vereinigen, kann Erkenntnis entspringen“, ibid. tr. Log. Einl. I (I 106 f.—Rc 125 f.). Aus dem Mannigfaltigen der Anschauung macht erst der Verstand durch die Synthesis (s. d.) desselben Erkenntnis. Die Synthesis — die an sich zunächst von der „Einbildungskraft“ (s. d.) ausgeht — „sammelt“ die Elemente zu Erkenntnissen, die aber erst eigentlich dadurch Zustandekommen, daß der Verstand diese Synthesis „auf Begriffe“ bringt. Erst die Begriffe, welche der „reinen Synthesis“ die (synthetische) Einheit geben, die Kategorien (s. d.), erzeugen die wirkliche Erkenntnis, ibid. tr. Anal. § 10 (I 128 f.—Rc 148 f.). Erkenntnisse bestehen in der „bestimmten Beziehung gegebenei; Vorstellungen auf ein Objekt“. Die [transzendentale Einheit der Apperzeption](transzendentale einheit der apperzeption) (s. d.) ist die Grundbedingung der Möglichkeit von Erkenntnissen, der objektiven Gültigkeit der Vorstellungen, ibid. § 17 (I 154—Rc 181); vgl. Verstand. „Sich einen Gegenstand denken und einen Gegenstand erkennen, ist also nicht einerlei. Zum Erkenntnisse gehören nämlich zwei Stücke: erstlich der Begriff, dadurch überhaupt ein Gegenstand gedacht wird (die Kategorie), und zweitens die Anschauung, dadurch er gegeben wird; denn könnte dem Begriffe eine korrespondierende Anschauung gar nicht gegeben werden, so wäre er ein Gedanke der Form nach, aber ohne allen Gegenstand, und durch ihn gar keine Erkenntnis von irgendeinem Dinge möglich; weil es, soviel ich wüßte, nichts gäbe noch geben könnte, worauf mein Gedanke angewandt werden könne“, ibid. § 22 (I 161—Rc 195); vgl. Kategorie. Das Erkennen dessen, was wir uns denken, das „Bestimmen des Objekts“, bedarf der Anschauung, ibid. § 27 Anm. (I 175— Rc 225). „Alle unsere Erkenntnis hebt von den Sinnen an, geht von da zum Verstande und endigt bei der Vernunft, über welche nichts Höheres in uns angetroffen wird, den Stoff der Anschauung zu bearbeiten und unter die höchste Einheit des Denkens zu bringen“, ibid. tr. Dial. Einl. II A (I 318—Rc 384 f.). Erkenntnis ist „ein Ganzes verglichener und verknüpfter Vorstellungen“. Die Rezeptivität (s. d.) kann nur im Vereine mit der Spontaneität (s. d.) Erkenntnisse möglich machen. Jede Erkenntnis enthält eine dreifache „Synthesis“ (s. d.): die Synthesis der Apprehension (s. d.), der Reproduktion (s. d.) und der Rekognition (s. d.). — Da alle unsere Vorstellungen „als Modifikationen des Gemüts“ zum „inneren Sinn“ (s. d.) gehören, so sind als solche alle unsere Erkenntnisse der formalen Bedingung des inneren Sinnes, der Zeit, unterworfen, in welcher sie insgesamt „geordnet, verknüpft und in Verhältnisse gebracht“ werden müssen, KrV 1. A. tr. Anal. 1. B. 2. H. 2. Abs. (I 707 f.—Rc 172 f.). Alle spekulative Erkenntnis ist auf Erscheinungen (s. d.), auf „Gegenstände der Erfahrung“ eingeschränkt, KrV Vorr. z. 2. A. (I 34—Rc 29). Dinge an sich lassen sich nicht (theoretisch) erkennen, wohl aber denken. „Einen Gegenstand erkennen, dazu wird erfordert, daß ich seine Möglichkeit (es sei nach dem Zeugnis der Erfahrung aus seiner Wirklichkeit oder a priori durch Vernunft) beweisen könne. Aber denken kann ich, was ich will, wenn ich mir nur nicht selbst widerspreche, d. i. wenn mein Begriff nur ein möglicher Gedanke ist, ob ich “zwar dafür nicht stehen kann, ob im Inbegriffe aller Möglichkeiten diesem auch ein Objekt korrespondiere oder nicht. Um einem solchen Begriffe aber objektive Gültigkeit (reale Möglichkeit, denn die erstere war bloß die logische) beizulegen, dazu wird etwas mehr erfordert. Dieses Mehrere aber braucht eben nicht in theoretischen Erkenntnisquellen gesucht zu werden, es kann auch in praktischen liegen", ibid. Anm.

Die Hauptsache in der Erkenntnistheorie ist die Kritik (s. d.) der reinen Vernunft, die „Deduktion“ (s. d.) der apriorischen Begriffe und Grundsätze, d. h. die Rechtfertigung ihres Gebrauchs durch Darlegung derselben als Bedingungen objektiver Erfahrung und der Objekte der Erfahrung als solcher (vgl. Kategorie). Doch ist auch das genetische Verfahren in der Erkenntnislehre nicht ohne Wert. „Indessen kann man von diesen Begriffen, wie von aller Erkenntnis, wo nicht das Prinzipium ihrer Möglichkeit, doch die Gelegenheitsursachen ihrer Erzeugung in der Erfahrung aufsuchen, wo alsdann die Eindrücke der Sinne den ersten Anlaß geben, die ganze Erkenntniskraft in Ansehung ihrer zu eröffnen, und Erfahrung zustande zu bringen, die zwei sehr ungleichartige Elemente enthält, nämlich eine Materie zur Erkenntnis aus den Sinnen und eine gewisse Form, sie zu ordnen, aus dem inneren Quell des reinen Anschauens und Denkens, die, bei Gelegenheit der ersteren, zuerst in Ausübung gebracht werden und Begriffe hervorbringen. Ein solches Nachspüren der ersten Bestrebungen unserer Erkenntniskraft, um von einzelnen Wahrnehmungen zu allgemeinen Begriffen zu steigen, hat ohne Zweifel seinen großen Nutzen, und man hat es dem berühmten Locke zu verdanken, daß er dazu zuerst den Weg eröffnet hat. Allein eine Deduktion der reinen Begriffe a priori kommt dadurch niemals zustande, denn sie liegt ganz und gar nicht auf diesem Wege, weil in Ansehung ihres künftigen Gebrauchs, der von der Erfahrung gänzlich unabhängig sein soll, sie einen ganz anderen Geburtsbrief, als den der Abstammung von Erfahrungen, müssen aufzuzeigen haben. Diese versuchte physiologische Ableitung, die eigentlich gar nicht Deduktion heißen kann, weil sie eine quaestionem facti betrifft, will ich daher die Erklärung des Besitzes einer reinen Erkenntnis nennen“, KrV tr. Anal. § 13 (I 139 f.— Rc 159 f.). Vgl. Kritik, Deduktion, Metaphysik, Transzendental, Transzendentalphilosophie.

Erkennbare Dinge (Objekte der Erkenntnis) sind: Sachen der Meinung (s. d.), Tatsachen (s. d.) und Glaubenssachen (s. d.). Es werden hier die Begriffe nicht mit den Objekten, sondern bloß mit unseren Erkenntnis vermögen und dem Gebrauche, den diese von der gegebenen Vorstellung machen können, zusammengehalten; „die Frage, ob etwas ein erkennbares Wesen sei oder nicht, ist keine Frage, die die Möglichkeit der Dinge selbst, sondern unsere Erkenntnis derselben angeht“. Gegenstände bloßer Ideen (s. d.) der Vernunft sind gar nicht erkennbare Dinge, KU § 91 (II 340 f.).

„Erkenntnis aber ist die Vorstellung eines gegebenen Objektes als eines solchen durch Begriffe; sie ist empirisch, wenn das Objekt in der Vorstellung der Sinne ..., Erkenntnis a priori, wenn das Objekt zwar, aber nicht in der Sinnenvorstellung (die also doch nichtsdestoweniger immer sinnlich sein kann) gegeben ist.“ Um aus Anschauung und Begriff Erkenntnis zu machen, bedarf es einer Handlung, „das Mannigfaltige in der Anschauung Gegebene der synthetischen Einheit des Bewußtseins, die der Begriff ausdrückt, gemäß zusammenzusetzen“. Ohne alle Anschauung werden Objekte (s. d.) nicht erkannt, aber doch (durch die Kategorien) gedacht, An J. S. Beck, 20. Januar 1792. — „Erkenntnis ist ein Urteil, aus welchem ein Begriff hervorgeht, der objektive Realität hat, d. i. dem ein korrespondierender Gegenstand in der Erfahrung gegeben werden kann.“ Erkenntnis schließt immer Anschauung und Begriff ein, Soll es „synthetische Erkenntnisse a priori“ geben, so muß es auch Anschauungen und Begriffe a priori geben, Fortschr. d. Metaph. 1. Abs. Gesch. d. Transzendentalphilos. (V 3, 90 f.). „Damit eine Vorstellung Erkenntnis sei (ich verstehe aber hier immer eine theoretische), dazu gehört Begriff und Anschauung von einem Gegenstande in derselben Vorstellung verbunden, so daß der erstere, sowie er die letztere unter sich enthält, vorgestellt wird.“ Theoretische Erkenntnis gibt es nur von Gegenständen der Sinne, denn alle Erkenntnis, deren der Mensch fähig ist, ist sinnlich, setzt sich aus Anschauung (s. d.) und Kategorie (s. d.) zusammen (vgl. Schema). Innerhalb des Umfanges sinnlicher Objekte aber kann die Vernunft „dogmatisch verfahren durch Gesetze, die sie der Natur als Inbegriff der Gegenstände der Sinne a priori vorschreibt“. „Die Erkenntnis der Gegenstände der Sinne als solcher, d. i. durch empirische Vorstellungen, deren man sich bewußt ist (durch verbundene Wahrnehmungen), ist Erfahrung. Demnach übersteigt unsere theoretische Erkenntnis niemals das Feld der Erfahrung. Weil nun alle theoretische Erkenntnis mit der Erfahrung zusammenstimmen muß, so wird dieses nur auf eine oder die andere Art möglich, nämlich daß entweder die Erfahrung der Grund unserer Erkenntnis oder die Erkenntnis der Grund der Erfahrung ist. Gibt es also eine synthetische Erkenntnis a priori, so ist kein anderer Ausweg als: sie muß Bedingungen a priori der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt enthalten. Alsdann aber enthält sie auch die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung überhaupt: denn nur durch Erfahrung können sie für uns erkennbare Gegenstände sein. Die Prinzipien a priori, nach denen allein Erfahrung möglich ist, sind die Formen der Gegenstände, Raum und Zeit, und die Kategorien, welche die synthetische Einheit des Bewußtseins a priori enthalten, sofern unter sie empirische Vorstellungen subsumiert werden können“, ibid. 1. Abs. Von dem Umfange ... (V 3, 99 ff.). — Die (menschliche) Erkenntnis besteht aus Begriff und Anschauung. „Die Erkenntnis durch Begriffe heißt diskursiv, die in der Anschauung intuitiv; in der Tat wird zu einer Erkenntnis beides miteinander verbunden erfordert, sie wird aber von dem benannt, worauf als den Bestimmungsgrund desselben ich jedesmal vorzüglich attendiere.“ Ohne „Darstellung des Objekts“, d. h. ohne den Begriff durch (empirische oder reine) Anschauung (s. d.) zu belegen, gibt es keine Erkenntnis, ibid. 1. Beilage 2. Abs. (V 3, 156 f.). — Die Kritik kommt zu dem Ergebnis, daß „über die Grenze der Sinnlichkeit, folglich auch der möglichen Erfahrung hinaus es schlechterdings keine Erkenntnis, d. i. keine Begriffe, von denen man sicher ist, daß sie nicht leer sind, geben könne“, Üb. e. Entdeck. (V 3, 5).

„Vernunfterkenntnisse werden den historischen Erkenntnisen entgegengesetzt. Jene sind Erkenntnisse aus Prinzipien (ex principiis), diese Erkenntnisse aus Daten (ex datis).“ Nach ihrem „objektiven Ursprünge“, „d. i. nach den Quellen, woraus eine Erkenntnis allein möglich ist“, sind alle Erkenntnisse entweder „rational“ oder „empirisch“. Nach ihrem „subjektiven Ursprung“, „d. i. nach der Art, wie eine Erkenntnis von den Menschen kann erworben werden“, sind die Erkenntnisse entweder „rational“ oder „historisch“. „Es kann also objektiv etwas eine Vernunfterkenntnis sein, was subjektiv doch nur historisch ist.“ Die Vernunfterkenntnisse sind a priori. Es gibt zwei Arten apriorischer Erkenntnis: Mathematik und Philosophie, Log. Einl. III (IV 24 f.). „Alle unsere Erkenntnis hat eine zwiefache Beziehung: erstlich eine Beziehung auf das Objekt, zweitens eine Beziehung auf das Subjekt. In der ersteren Rücksicht bezieht sie sich auf Vorstellung, in der letzteren auf das Bewußtsein, die allgemeine Bedingung aller Erkenntnis überhaupt.“ „In jeder Erkenntnis muß unterschieden werden Materie, d. i. der Gegenstand, und Form, d. i. die Art, wie wir den Gegenstand erkennen.“ Die Verschiedenheit der Form der Erkenntnis beruht auf dem Bewußtsein. „Bin ich mir der Vorstellung bewußt, so ist sie klar; bin ich mir derselben nicht bewußt, dunkel.“ Die Erkenntnis kann klar (s. d.) oder dunkel, deutlich (s. d.) oder undeutlich sein. Ferner ist sie „intuitiv“ (anschaulich) oder „diskursiv“ (begrifflich). Die „ästhetische Vollkommenheit“ der Erkenntnis besteht in deren „Übereinstimmung mit dem Subjekte“ und gründet sich auf die „besondere Sinnlichkeit des Menschen“. Die „logische Vollkommenheit“ der Erkenntnis beruht auf deren „Übereinstimmung mit dem Objekte, also auf allgemeingültigen Gesetzen“ und läßt sich mithin auch nach „Normen a priori“ beurteilen. Eine Erkenntnis ist vollkommen „1. der Quantität nach, wenn sie allgemein ist; 2. der Qualität nach, wenn sie deutlich ist; 3. der Relation nach, wenn sie wahr ist; und endlich 4. der Modalität nach, wenn sie gewiß ist“. „Genau“ ist die Erkenntnis, „wenn sie ihrem Objekte angemessen ist, oder wenn in Ansehung ihres Objektes nicht der mindeste Irrtum stattfindet“; „subtil“, „wenn man darin dasjenige entdeckt, was anderer Aufmerksamkeit zu entgehen pflegt“. Die menschliche Erkenntnis ist von seiten des Verstandes diskursiv, d. h. sie erfolgt durch Merkmale (s. d.). „Wir erkennen also Dinge nur durch Merkmale; und das heißt eben Erkennen, welches von Kennen herkommt“, ibid. Einl. V—VII (IV 36 ff.). Der Wert und die Wichtigkeit einer Erkenntnis beruht auf den Folgen derselben, auf dem Gebrauch, der sich von ihr machen läßt. Eine Erkenntnis ohne wichtige Folgen ist eine „Grübelei“, ibid. VI (IV 54). Ihrem „objektiven Gehalt“ nach gibt es sieben Grade der Erkenntnis: Vorstellen, Wahrnehmen, Kennen, Erkennen (im engeren Sinne, d. h. „mit Bewußtsein etwas kennen“, kommt den Tieren nicht zu), Verstehen, Einsehen, Begreifen, ibid. VIII (IV 71 f.). „Alle Erkenntnisse, das heißt: alle mit Bewußtsein auf ein Objekt bezogenen Vorstellungen sind entweder Anschauungen oder Begriffe“, Log. § 1 (IV 98). „Was ... die Quellen und den Ursprung unserer Erkenntnisse anlangt, so schöpfen wir diese letzteren insgesamt entweder aus der reinen Vernunft oder aus der Erfahrung, die weiterhin selbst die Vernunft instruiert.“ „Die reinen Vernunfterkenntnisse gibt uns unsere Vernunft; Erfahrungserkenntnisse aber bekommen wir durch die Sinne.“ „Sowie wir indessen einen doppelten Sinn haben, einen äußeren und einen inneren, so können wir denn auch nach beiden die Welt als Inbegriff aller Erfahrungserkennthisse betrachten. Die Welt als Gegenstand des äußeren Sinnes ist Natur, als Gegenstand des inneren Sinnes aber Seele oder der Mensch.“ „Die Erfahrungen der Natur und des Menschen machen zusammen die Welterkenntnisse aus“, Phys. Geographie, Einl. § 2 (IX 7). „Von der Sinnen fangen sich unsere Erkenntnisse an. Sie geben uns die Materie, der die Vernunft nur eine schickliche Form erteilt“, ibid. § 3 (IX 10). Vgl. Erfahrung, Denken, A priori, Ideen, Übersinnlich, Erscheinung, Ding an sich, Inneres, Kritik.