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Entwicklung

Entwicklung. Es besteht eine Verwandtschaft aller Arten von Wesen und ein Aufstieg von niederen zu höheren Formen. Der Weisheit Gottes ist es am meisten gemäß, daß die zweckmäßigsten Gebilde der Welt (die Himmelskörper) sich den der Materie eingepflanzten Gesetzen durch eine ungezwungene Folge (durch die eigenen Kräfte, nach mechanischen Gesetzen) „herausentwickeln“, Th. des Himmels 2. T. 7. H. (VII 119); vgl. Welt. Die Materie hat ursprünglich „eine Bestrebung, sich durch eine natürliche Entwicklung zu einer vollkommeneren Verfassung zu bilden“, wozu am meisten die Verschiedenheit der materiellen Elemente an Dichte und Anziehungskraft beiträgt, die eine dauernde Ruhe nicht aufkommen läßt, ibid. 1. H. (VII 60). Vgl. Schöpfung. Es ist anzunehmen, „daß die Welt eine mechanische Entwicklung aus den allgemeinen Naturgesetzen zum Ursprünge ihrer Verfassung erkenne“, ibid. 8. H. (VII 148). „Vielleicht ist unsere Erde tausend oder mehr Jahre vorhanden gewesen, ehe sie sich in Verfassung befunden hat, Menschen, Tiere und Gewächse unterhalten zu können“, ibid. 3. T. (VII 169).

„Die in der Natur eines organischen Körpers (Gewächses oder Tieres) liegenden Gründe einer bestimmten Auswickelung heißen, wenn diese Auswickelung besondere Teile betrifft, Keime; betrifft sie aber nur die Größe oder das Verhältnis der Teile untereinander, so nenne ich sie natürliche Anlagen. In den Vögeln von derselben Art, die doch in verschiedenen Klimaten leben sollen, liegen Keime zur Auswickelung einer neuen Schicht Federn, wenn sie im kalten Klima leben, die aber zurückgehalten werden, wenn sie sich im gemäßigten aufhalten sollen. Weil in einem kalten Lande das Weizenkorn mehr gegen feuchte Kälte geschützt werden muß als in einem trockenen oder warmen, so liegt in ihm eine vorher bestimmte Fähigkeit oder natürliche Anlage, nach und nach eine dickere Haut hervorzubringen. Diese Fürsorge der Natur, ihr Geschöpf durch versteckte innere Vorkehrungen auf allerlei künftige Umstände auszurüsten, damit es sich erhalte und der Verschiedenheit des Klimas oder des Bodens angemessen sei, ist bewunderungswürdig und bringt bei der Wanderung und Verpflanzung der Tiere und Gewächse, dem Scheine nach, neue Arten hervor, welche nichts anderes als Abartungen und Rassen von derselben Gattung sind, deren Keime und natürliche Anlagen sich nur gelegentlich in langen Zeitläuften auf verschiedene Weise entwickelt haben.“ Eine „Naturgeschichte“, an der es uns noch fast gänzlich fehlt, „würde uns die Veränderung der Erdgestalt, imgleichen die der Erdgeschöpfe (Pflanzen und Tiere), die sie durch natürliche Wanderungen erlitten haben, und ihre daraus entsprungenen Abartungen von dem Urbilde der Stammgattung lehren, Sie würde vermutlich eine große Menge scheinbar verschiedener Arten zu Rassen ebenderselben Gattung zurückführen und das jetzt so weitläufige Schulsystem der Naturbeschreibung in ein physisches System für den Verstand verwandeln.“ „Der Zufall oder allgemeine mechanische Gesetze können solche Zusammenfassungen nicht hervorbringen. Daher müssen wir dergleichen gelegentliche Aus Wickelungen als vorgebildet ansehen.“ Äußere Dinge können nur „Gelegenheitsursachen“ von demjenigen sein, was notwendig anerbt und nachartet. „Luft, Sonne und Nahrung können einen tierischen Körper in seinem Wachstume modifizieren, aber diese Veränderung nicht zugleich mit einer zeugenden Kraft versehen, die vermögend wäre, sich selbst auch ohne diese Ursache wieder hervorzubringen; sondern, was sich fortpflanzen soll, muß in der Zeugungskraft schon vorher gelegen haben, als vorherbestimmt zu einer gelegentlichen Auswickelung, den Umständen gemäß, darein das Geschöpf geraten kann, und in welchen es sich beständig erhalten soll.“ „Krankheiten sind bisweilen erblich. Aber diese bedürfen keiner Organisation, sondern nur eines Ferments schädlicher Säfte, die sich durch Ansteckung fortpflanzen. Sie arten auch nicht notwendig an.“ Der Mensch war „für alle Klimaten und für jede Beschaffenheit des Bodens bestimmt“, und so mußten in ihm die verschiedensten Keime und Anlagen zur Entwicklung bereitliegen, V. d. verschied. Rassen 3 (VIII 85 ff.); vgl. Rasse. Man muß „eine Geschichte der Natur wagen, welche eine abgesonderte Wissenschaft ist, die wohl nach und nach von Meinungen zu Einsichten fortrücken könnte“, ibid. 4 (VIII 95). „Die Kleinheit der Unterschiede, wenn man die Gattungen ihrer Ähnlichkeit nach aneinanderpaßt, ist bei so großer Mannigfaltigkeit eine notwendige Folge eben dieser Mannigfaltigkeit. Nur eine Verwandtschaft unter ihnen, die entweder eine Gattung aus der anderen, und alle aus einer einzigen Originalgattung, oder etwa aus einem einzigen erzeugenden Mutterschoße entsprungen wären, würde auf Ideen führen, die aber so ungeheuer sind, daß die Vernunft vor ihnen zurückbebt“, Rezension von Herders Ideen 1. T. Beilage (VI 33).

Die Idee einer Urzeugung der Lebewesen und einer Entwicklung derselben bis zum Menschen herauf (Bonnet, G. Forster) „würden zwar nicht machen, daß der Naturforscher davor, als vor einem Ungeheuer zurückbebte (denn es ist ein Spiel, womit sich wohl mancher irgend einmal unterhalten hat, das er aber, weil damit nichts ausgerichtet wird, wieder aufgab); er würde aber doch davon durch die Betrachtung zurückgescheucht werden, daß er sich hierdurch unvermerkt von dem fruchtbaren Boden der Naturforschung in die Wüste der Metaphysik verirre. Zudem kenne ich noch eine eben nicht unmännliche Furcht, nämlich vor allem zurückzubeben, was die Vernunft von ihren ersten Grundsätzen abspannt, und ihr es erlaubt macht, in grenzenlosen Einbildungen herumzuschweifen“, Gebrauch teleolog. Prinzipien (VIII 154 f.).

„Es ist rühmlich, vermittelst einer komparativen Anatomie die große Schöpfung organisierter Naturen durchzugehen, um zu sehen, ob sich daran nicht etwas einem System Ähnliches, und zwar dem Erzeugungsprinzip nach, vorfinde; ohne daß wir nötig haben, beim bloßen Beurteilungsprinzip (welches für die Einsicht ihrer Erzeugung keinen Aufschluß gibt) stehen zu bleiben und mutlos allen Anspruch auf Natureinsicht in diesem Felde aufzugeben. Die Übereinkunft so vieler Tiergattungen in einem gewissen gemeinsamen Schema ... läßt einen obgleich schwachen Strahl von Hoffnung in das Gemüt fallen, daß hier wohl etwas mit dem Prinzip des Mechanismus der Natur, ohne welches es überhaupt keine Naturwissenschaft geben kann, auszurichten sein möchte. Diese Analogie der Formen, sofern sie bei aller Verschiedenheit einem gemeinschaftlichen Urbilde gemäß erzeugt zu sein scheinen, verstärkt die Vermutung einer wirklichen Verwandtschaft derselben in der Erzeugung von einer gemeinschaftlichen Urmutter, durch die stufenartige Annäherung einer Tiergattung zur anderen, von derjenigen an, in welcher das Prinzip der Zwecke am meisten bewährt zu sein scheint, nämlich dem Menschen, bis zum Polyp, von diesem sogar bis zu Moosen und Flechten, und endlich zu der niedrigsten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Materie; aus welcher und ihren Kräften, nach mechanischen Gesetzen (gleich denen, wonach sie in Kristallerzeugungen wirkt), die ganze Technik der Natur, die uns in organisierten Wesen so unbegreiflich ist, daß wir uns dazu ein anderes Prinzip zu denken genötigt glauben, abzustammen scheint.“ „Hier steht es nun dem Archäologen der Natur frei, aus den übriggebliebenen Spuren ihrer ältesten Revolutionen, nach allem ihm bekannten oder gemutmaßten Mechanism derselben, jene große Familie von Geschöpfen ... entspringen zu lassen. Er kann den Mutterschoß der Erde, die eben aus ihrem chaotischen Zustande herausging (gleichsam als ein großes Tier), anfänglich Geschöpfe von minder zweckmäßiger Form, diese wiederum andere, welche angemessener ihrem Zeugungsplatze und ihrem Verhältnisse untereinander sich ausbildeten, gebären lassen; bis diese Gebärmutter selbst, erstarrt, sich verknöchert, ihre Geburten auf bestimmte, fernerhin nicht ausartende Spezies eingeschränkt hätte, und die Mannigfaltigkeit so bliebe, wie sie am Ende der Operation jener fruchtbaren Bildungskraft ausgefallen war. — Allein er muß gleichwohl zu dem Ende dieser allgemeinen Mutter eine auf alle diese Geschöpfe zweckmäßig gestellte Organisation beilegen, widrigenfalls die Zweckform der Produkte des Tier- und Pflanzenreichs ihrer Möglichkeit nach gar nicht zu denken ist. Alsdann aber hat er den Erklärungsgrund nur weiter aufgeschoben und kann sich nicht anmaßen, die Erzeugung jener zwei Reiche von der Bedingung der Endursachen unabhängig gemacht zu haben.“ „Eine Hypothese von solcher Art kann man ein gewagtes Abenteuer der Vernunft nennen; und es mögen wenige, selbst von den scharfsinnigsten Naturforschern, sein, denen es nicht bisweilen durch den Kopf gegangen wäre. Denn ungereimt ist es eben nicht wie die generatio aequivoca, worunter man die Erzeugung eines organisierten Wesens durch die Mechanik der rohen unorganisierten Materie versteht. Sie wäre immer noch generatio univoca in der allgemeinsten Bedeutung des Wortes, sofern nur etwas Organisches aus einem anderen Organischen, obzwar unter dieser Art Wesen spezifisch von ihm unterschiedenen, erzeugt würde; z. B. wenn gewisse Wassertiere sich nach und nach zu Sumpftieren, und aus diesen nach einigen Zeugungen zu Landtieren ausbildeten. A priori, im Urteile der bloßen Vernunft, widerstreitet sich das nicht. Allein die Erfahrung zeigt davon kein Beispiel ...“ — „Selbst was die Veränderung betrifft, welcher gewisse Individuen der organisierten Gattungen zufälligerweise unterworfen werden, wenn man findet, daß ihr so abgeänderter Charakter erblich und in die Zeugungskraft aufgenommen wird, so kann sie nicht füglich anders denn als gelegentliche Entwicklung einer in der Spezies ursprünglich vorhandenen zweckmäßigen Anlage zur Selbsterhaltung der Art beurteilt werden: weil das Zeugen seinesgleichen, bei der durchgängigen inneren Zweckmäßigkeit eines organisierten Wesens, mit der Bedingung, nichts in die Zeugungskraft aufzunehmen, was nicht auch in einem solchen System von Zwecken zu einer der unentwickelten ursprünglichen Anlagen gehört, so nahe verbunden ist“, KU § 80 (II 285). Bezüglich des teleologischen Prinzips der Erzeugung der Organismen kann man den „Okkasionalismus“ und „Prästabilismus“ unterscheiden. Nach letzterem hat die oberste Weltursache in die ersten Produkte nur die „Anlage“ gebracht, „vermittelst deren ein organisches Wesen seinesgleichen hervorbringt und die Spezies sich selbst beständig erhält“. Der Prästabilismus betrachtet jeden Organismus entweder als „Edukt“ oder „Produkt“ seinesgleichen. „Das System der Zeugungen als bloßer Edukte heißt das der individuellen Präformation, oder auch der Evolutionstheorie; das der Zeugungen als Produkte wird das System der Epigenesis genannt. Dieses letztere kann auch System der generischen Präformation genannt werden, weil das produktive Vermögen der Zeugenden doch nach den inneren zweckmäßigen Anlagen, die ihrem Stamme zuteil wurden, also die spezifische Form virtualiter präformiert war. Diesem gemäß würde man die entgegenstehende Theorie der individuellen Präformation auch besser Involutionstheorie (oder die der Einschachtelung) nennen können.“ Die Theorie der Epigenesis hat empirische und rationale Vorzüge vor der ersteren, indem sie „mit dem kleinstmöglichen Aufwande des Übernatürlichen alles Folgende vom ersten Anfange an der Natur überläßt“. In dieser Theorie hat am meisten Blumenbach geleistet. „Von organisierter Materie hebt er alle physische Erklärungsart dieser Bildungen an. Denn daß rohe Materie sich nach mechanischen Gesetzen ursprünglich selbst gebildet habe, daß aus der Natur des Leblosen Leben habe entspringen und Materie in die Form einer sich selbst erhaltenden Zweckmäßigkeit sich von selbst habe fügen können, erklärt er mit Recht für vernunftwidrig; läßt aber zugleich dem Naturmechanism unter diesem uns unerforschlichen Prinzip einer ursprünglichen Organisation einen unbestimmbaren, zugleich doch auch unverkennbaren Anteil, wozu das Vermögen der Materie (zum Unterschiede von der ihr allgemein beiwohnenden, bloß mechanischen Bildungskraft) von ihm in einem organisierten Körper ein (gleichsam unter der höheren Leitung und Anweisung der ersteren stehender) Bildungstrieb genannt wird“, ibid. § 81 (II 290 ff.).

„Man kann mit dem Ritter Linné für die Archäologie der Natur die Hypothese annehmen: daß aus dem allgemeinen Meer, welches die ganze Erde bedeckte, zuerst eine Insel unter dem Äquator als ein Berg hervorgekommen, auf welchem alle klimatische Stufen der Wärme von der des heißen am niedrigen Ufer desselben bis zur arktischen Kälte auf seinem Gipfel samt den ihnen angemessenen Pflanzen und Tieren nach und nach entstanden“, Anthr. 2. T. E. 1. Anm. (IV 277). Zu fragen ist, ob nicht noch eine Epoche kommen dürfte, „da ein Orang-Utang oder ein Schimpanse die Organe, die zum Gehen, zum Befühlen der Gegenstände und zum Sprechen dienen, sich zum Gliederbau eines Menschen ausbildete, deren Innerstes ein Organ für den Gebrauch des Verstandes enthielte und durch gesellschaftliche Kultur sich allmählich entwickelte“, ibid. 2. Anm. (IV 283). „Es ist aus der Verschiedenheit der Kost, der Luft und der Erziehung zu erklären, warum einige Hühner ganz weiß werden, und wenn man unter den vielen Küchlein, die von denselben Eltern geboren werden, nur die aussucht, die weiß sind, und sie zusammentut, bekommt man endlich eine weiße Rasse, die nicht leicht anders ausschlägt. Arten nicht die englischen und auf trockenem Boden erzogenen arabischen oder spanischen Pferde so aus, daß sie endlich Füllen von ganz anderem Gewächse erzeugen?“, Phys. Geographie 2. T. 1. Abs. § 3 (IX 195). Die „Ausartungen“ der Tiere hängen ab vom Klima. Luft, Speise usw.. ibid. § 4 (IX 199). Vgl. Organismus, Präformation, Anlage, Weltkörper, Zweck.