Beweis
Beweis. Der Beweis ist entweder direkt („ostensiv“) oder indirekt („apagogisch“). „Der direkte oder ostentive Beweis ist in aller Art der Erkenntnis derjenige, welcher mit der Überzeugung von der Wahrheit zugleich Einsicht in die Quellen derselben verbindet; der apagogische dagegen kann zwar Gewißheit, aber nicht Begreiflichkeit der Wahrheit in Ansehung des Zusammenhanges mit den Gründen ihrer Möglichkeit hervorbringen. Daher sind die letzteren mehr eine Nothilfe, als ein Verfahren, welches allen Absichten der Vernunft ein Genüge tut. Doch haben diese einen Vorzug der Evidenz vor den direkten Beweisen darin, daß der Widerspruch allemal mehr Klarheit in der Vorstellung bei sich führt, als die beste Verknüpfung, und sich dadurch dem Anschaulichen einer Demonstration mehr nähert.“ Der apagogische Beweis ist nur in den Wissenschaften erlaubt, „wo es unmöglich ist, das Subjektive unserer Vorstellungen dem Objektiven, nämlich der Erkenntnis desjenigen, was am Gegenstande ist, unterzuschieben“. Sonst trägt es sich häufig zu, daß das Gegenteil eines Satzes entweder bloß den „subjektiven Bedingungen des Denkens“ widerspricht, aber nicht dem Gegenstande, oder daß beide Sätze „nur unter einer subjektiven Bedingung, die fälschlich für objektiv gehalten wird, einander widersprechen und, da die Bedingung falsch ist, alle beide falsch sein können“, wie das bei gewissen transzendentalen Grundsätzen der Vernunft (vgl. Antinomien, Dialektik) der Fall ist. „Die apagogische Beweisart ist auch das eigentliche Blendwerk, womit die Bewunderer der Gründlichkeit unserer dogmatischen Vernünftler jederzeit hingehalten werden“. KrV tr. Meth. 1. H. 4. Abs. (I 655 ff.—Rc 806 ff.). Die Beweise „transzendentaler und synthetischer Sätze“ haben das Eigentümliche, daß die Vernunft bei ihnen vermittelst ihrer Begriffe „sich nicht geradezu an den Gegenstand wenden darf, sondern zuvor die objektive Gültigkeit der Begriffe und die Möglichkeit der Synthesis derselben a priori dartun muß“. Die Richtschnur ist hier teils die reine Anschauung (Mathematik), teils die „mögliche Erfahrung“ (Kategorien, Grundsätze des reinen Verstandes; s. d.), von der gezeigt wird, daß sie und ihr Objekt ohne das zu Beweisende (z. Beweis die Kategorie der Ursache) unmöglich wäre (vgl. Deduktion). Die auf den „Ideen“ (s. d.) der reinen Vernunft beruhenden Grundsätze aber lassen sich nicht anders beweisen (rechtfertigen) als so, daß sie als regulative Prinzipien der systematischen Einheit (s. d.) des Verstandes und der Erfahrung dargetan werden; die anderen (dogmatischen) Beweise sind dialektisch (vgl. Paralogismen, Dialektik, Schein, Antinomien). Die „Disziplin“ der reinen Vernunft gibt drei Regeln für „transzendentale Beweise“. 1. Keine solchen Beweise zu versuchen, ohne Rechtfertigung, woher man deren Grundlage nimmt. 2. Zu jedem transzendentalen Satze ist nur ein einziger Beweis zu finden, also Mißtrauen vor den vielen Beweisen der Dogmatikerl 3. Transzendentale Beweise müssen stets direkt (ostensiv), nie apagogisch sein, ibid. (I 651 ff.—Rc 800 ff.). Vgl. Deduktion, Gottesbeweise.
„Die Beweise, auf denen alle vermittelte oder mittelbare Gewißheit einer Erkenntnis beruht, sind entweder direkte oder indirekte, d. h. apagogische Beweise. — Wenn ich eine Wahrheit aus ihren Gründen beweise, so führe ich einen direkten Beweis für dieselbe; und wenn ich von der Falschheit des Gegenteils auf die Wahrheit eines Satzes schließe, einen apagogischen.“ „Ein Beweis, welcher der Grund mathematischer Gewißheit ist, heißt Demonstration, und der der Grund philosophischer Gewißheit ist, ein akroamatischer Beweis. Die wesentlichen Stücke eines jeden Beweises sind die Materie und die Form desselben, oder der Beweisgrund und die Konsequenz“, Log. Einl. IX (IV 79).