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Begriff

Begriff. Begriffe sind Produkte des Verstandes (s. d.), Funktionen der Spontaneität (Selbsttätigkeit) desselben. Sie sind Einheiten, unter die verschiedene, zusammengehörende Vorstellungen untergeordnet werden, sie bestimmen die Regel dieser Zusammenfassung zur Einheit. Sie sind Elemente des Urteils (s. d.), Prädikate möglicher Urteile. Ohne Anschauung (s. d.) sind sie aber „leer“, haben sie keinen Gegenstand; die Anschauung ohne Begriffe wiederum ist „blind“, enthält nichts objektiv Bestimmtes, nur die Daten zu einer Bestimmung, die vom Denken ausgehen muß. Anschauung und Begriff zusammen ergeben erst eine objektive Erkenntnis. Von dem „empirischen“ sind die „reinen“ (apriorischen) Begriffe zu unterscheiden; letztere, die „reinen Verstandesbegriffe“, enthalten nur die Form des Denkens eines Gegenstandes, die Bedingung zur Möglichkeit der Erfahrung (vgl. Kategorien); sie bedürfen zur Anwendung auf die Anschauung der „Schemata“ (s. d.). Aus bloßen Begriffen läßt sich nichts über die Existenz (s. d.) von Dingen ausmachen (gegen den Ontologismus). Auch die reinen Verstandesbegriffe dienen nur zur Verarbeitung des Anschauungsmaterials zu objektiver Erfahrung und geben Erkenntnis nur von Erscheinungen, nicht von Dingen an sich (wie K. selbst früher glaubte), auch wenn sie noch so „deutlich“ sind. Die „reinen Vernunftbegriffe“ oder Ideen (s. d.) dienen nur zur Vollendung und Systematisierung der Erfahrungserkenntnis, verstatten keinen „transzendenten“ Gebrauch, da sie sonst zu Antinomien führen. „Ich sage ...: daß ein deutlicher Begriff nur durch ein Urteil, ein vollständiger aber nicht anders als durch einen Vernunftschluß möglich sei. Es wird nämlich zu einem deutlichen Begriff erfordert, daß ich etwas als ein Merkmal eines Dinges klar erkenne; dieses aber ist ein Urteil.“ Aber dieses Urteil ist nicht der deutliche Begriff selber, sondern „die Handlung, wodurch er wirklich wird“. Ein deutlicher Begriff ist ein solcher, der durch ein Urteil klar ist; ein vollständiger, der durch einen Vernunftschluß deutlich ist, F. Spitzf. § 6 (V 1, 67 f.).

Der Begriff ist die „Einheit des Bewußtseins verschiedener Vorstellungen“, Str. d. Fak. 3. Abs. Beschluß (V 4, 162). Er ist das „Bewußtsein der Tätigkeit in Zusammenstellung des Mannigfaltigen der Vorstellung nach einer Regel der Einheit desselben“, Anthr. 1. T. § 7 (IV 31). Der Begriff ist „eine allgemeine (repraesentatio per notas communes) oder reflektierte Vorstellung (repraesentatio discursiva)“, Log. § 1 (IV 98). „Der Begriff ist der Anschauung entgegengesetzt; denn er ist eine allgemeine Vorstellung oder eine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist, also eine Vorstellung, sofern sie in verschiedenen enthalten sein kann.“ Nicht der Begriff selbst kann in allgemeine, besondere, einzelne Begriffe eingeteilt werden, „nur ihr Gebrauch“, ibid. Anmerk. (IV 98). „An jedem Begriffe ist Materie und Form zu unterscheiden. — Die Materie der Begriffe ist der Gegenstand, die Form derselben die Allgemeinheit“, ibid. § 2 (IV 99). „Der Begriff ist entweder ein empirischer oder ein reiner Begriff (vel empiricus vel intellectualis). — Ein reiner Begriff ist ein solcher, der nicht von der Erfahrung abgezogen ist, sondern auch dem Inhalte nach aus dem Verstande entspringt.“ Die Idee (s. d.) ist ein Vernunftbegriff, deren Gegenstand in der Erfahrung nicht anzutreffen ist, ibid. § 3 (IV 99). „Der empirische Begriff entspringt aus den Sinnen durch Vergleichung der Gegenstände der Erfahrung und erhält durch den Verstand bloß die Form der Allgemeinheit. — Die Realität dieser Begriffe beruht auf der wirklichen Erfahrung, woraus sie, ihrem Inhalte nach, geschöpft sind.“ Ob es „reine Verstandesbegriffe“ (conceptus puri) gibt, die „unabhängig von aller Erfahrung lediglich aus dem Verstande entspringen“, muß die Metaphysik untersuchen, ibid. Anmerk. (IV 99). Alle Begriffe sind „der Materie nach“ „entweder gegebene (conceptus dati) oder gemachte Begriffe (conceptus factitii). — Die ersteren sind entweder a priori oder a posteriori gegeben.“ „Alle empirisch oder a posteriori gegebenen Begriffe heißen Erfahrungsbegriffe, a priori gegebene Notionen.“ „Die Form eines Begriffes, als einer diskursiven Vorstellung, ist jederzeit gemacht“, ibid. § 4 (IV 101). „Der Ursprung der Begriffe, der bloßen Form nach, beruht auf Reflexion und auf Abstraktion von dem Unterschiede der Dinge, die durch eine gewisse Vorstellung bezeichnet sind“, ibid. § 5 (IV 101). — Die logischen Verstandesakte, durch welche Begriffe erzeugt werden, sind „1. die Komparation, d. i. die Vergleichung der Vorstellungen untereinander im Verhältnisse zur Einheit des Bewußtseins“, „2. die Reflexion, d. i. die Überlegung, wie verschiedene Vorstellungen in einem Bewußtsein begriffen sein können“ und „3. die Abstraktion oder die Absonderung alles übrigen, worin die gegebenen Vorstellungen sich unterscheiden“, ibid. § 6 (IV 102). Die Abstraktion ist nur die negative, die Komparation und Reflexion die positive Bedingung der Begriffsbildung. „Denn durchs Abstrahieren wird kein Begriff; — die Abstraktion vollendet ihn nur und schließt ihn in seine bestimmten Grenzen ein“, ibid. Anmerk. 3 (IV 103). — „Ein jeder Begriff, als Teilbegriff, ist in der Vorstellung der Dinge enthalten; als Erkenntnisgrund, d. i. als Merkmal sind diese Dinge unter ihm enthalten. — In der ersteren Rücksicht hat jeder Begriff einen Inhalt; in der andern einen Umfang“, ibid. § 7 (IV 104). Die „Allgemeinheit oder Allgemeingültigkeit“ des Begriffes beruht „nicht darauf, daß der Begriff ein Teilbegriff, sondern daß er ein Erkenntnisgrund ist“, ibid. Anmerk. (IV 104).

Ohne Begriff wird der Gegenstand zwar „gegeben“ (s. d.), aber nicht „gedacht“, ohne Anschauung (s. d.) wird gedacht, aber ist kein Gegenstand gegeben. Zu einer Erkenntnis (s. d.) ist nötig die „Darstellung (exhibitio) des Objekts“ durch Beleg des Begriffs mit einer Anschauung (vgl. Konstruktion). Die „Möglichkeit“ eines Begriffs (Gedankens) beruht auf dem Satze des Widerspruchs („logische“ Möglichkeit), die des Gegenstandes des Begriffes („reale“ Möglichkeit) und damit die „objektive Realität“ des Begriffs beruht auf der „Darstellung“ des dem Begriffe korrespondierenden Objekts, Fortschr. d. Metaph. Beilage I, 2. Abs. (V 3. 157).

„Der Unterschied zwischen der Verbindung der Vorstellungen in einem Begriff und der in einem Urteil, z. B. der schwarze Mensch und der Mensch ist schwarz (mit anderen Worten: der Mensch, der schwarz ist, und der Mensch ist schwarz), liegt meiner Meinung nach darin, daß im ersteren ein Begriff als bestimmt, im zweiten die Handlung meines Bestimmens dieses Begriffs gedacht wird. Daher haben Sie ganz recht, zu sagen, daß in dem zusammengesetzten Begriff die Einheit des Bewußtseins, als subjektiv gegeben, in der Zusammensetzung der Begriffe aber die Einheit des Bewußtseins, als objektiv gemacht, d. i. im ersteren der Mensch bloß als schwarz gedacht (problematisch vorgestellt), im zweiten als ein solcher erkannt werden soll“, An J. S. Beck, 3. Juli 1792. „Viele Begriffe entspringen durch geheime und dunkle Schlüsse bei Gelegenheit der Erfahrungen und pflanzen sich nachher auf andere fort, ohne Bewußtsein der Erfahrung selbst oder des Schlusses, welcher den Begriff über dieselbe errichtet hat. Solche Begriffe kann man erschlichene nennen. Dergleichen sind viele, die zum Teil nichts als ein Wahn der Einbildung, zum Teil auch wahr sind, indem auch dunkle Schlüsse nicht immer irren“, Träume 1. T. 1. H. 1. Anm. (V2, 6).

Nur in Vereinigung mit (reiner oder empirischer) Anschauung (s. d.) geben Begriffe Erkenntnis (s. d.). Begriffe ohne ihnen korrespondierende Anschauung, „Gedanken ohne Inhalt“ sind „leer“, „Anschauungen ohne Begriffe“ sind „blind“. „Daher ist es ebenso notwendig, seine Begriffe sinnlich zu machen (d. i. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen) als seine Anschauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Begriffe zu bringen)“, KrV tr. Log. Einl. I (I 106 f.—Rc 125 f.). Es gibt „empirische“ und „reine Begriffe“. Der „reine Begriff“ enthält nur „die Form des Denkens eines Gegenstandes überhaupt“, ibid. vgl. Kategorie. — Anschauungen beruhen auf „Affektionen“, Begriffe auf „Funktionen“ d. h. auf einer „Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen“. „Begriffe gründen sich also auf der Spontaneität des Denkens“. Von diesen Begriffen kann nun der Verstand keinen anderen Gebrauch machen, als daß er „dadurch urteilt“. Da keine Vorstellung anders als durch Anschauung unmittelbar auf einen Gegenstand geht, „so wird ein Begriff niemals auf einen Gegenstand unmittelbar, sondern auf irgendeine andere Vorstellung von demselben (sie sei Anschauung oder selbst schon Begriff) bezogen“. In jedem Urteil (s. d.) ist „ein Begriff, der für viele gilt, und unter diesem Vielen auch eine gegebene Vorstellung begreift, welche letztere dann auf den Gegenstand unmittelbar bezogen wird“. Begriffe beziehen sich, als „Prädikate möglicher Urteile“, auf irgend eine Vorstellung von einem , „noch unbestimmten Gegenstande“, KrV tr. Anal. 1. B. 1. H. 1. Abs. (I 120 f.—Rc 139 f.).

Die Begriffe sind „Vorstellungen, die zu möglichen Urteilen zubereitet sind, indem sie etwas überhaupt, was gegeben worden, als durch ein Prädikat erkennbar vorstellen“, N 5923. „Es gibt reine Begriffe der Anschauung, willkürliche der Erdichtung und allgemeine der Vernunft. Ein Begriff, der nicht als ein Eindruck der Sinne kann angesehen werden, ist rein“, N 3965; vgl. 3974—3988, 3957. Vgl. Denken, Urteil, Verstand, Kategorie, A priori, Dogmatisch, Philosophie, Metaphysik, Angeboren, Schema, Rekognition, Ich, Idee.