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Bibel

Bibel. Da niemand einer Schrift, die ihrem praktischen Inhalte nach lauter Göttliches enthält, die Möglichkeit abstreiten kann, sie könne betreffs ihres historischen Teiles wirklich als göttliche Offenbarung angesehen werden, und da „die Verbindung der Menschen zu einer Religion nicht füglich ohne ein heiliges Buch und einen auf dasselbe gegründeten Kirchenglauben zustande gebracht und beharrlich gemacht werden kann“, da endlich schwerlich jemand eine neue Offenbarung erwarten wird, so ist es „das Vernünftigste und Billigste“, „dies Buch, was einmal da ist, fernerhin zur Grundlage des Kirchenunterrichts zu brauchen und seinen Wert nicht durch unnütze und mutwillige Angriffe zu schwächen, dabei aber auch keinem Menschen den Glauben daran als zur Seligkeit erforderlich aufzudringen.“ Es soll aber die heilige Geschichte, die nur der lebendigen Darstellung der „zur Heiligkeit hinstrebenden Tugend“ gegeben ist, stets nur „als auf das Moralische abzweckend gelehrt und erklärt werden“, Rel, 3. St. 2. Abt. (IV 152 f.); vgl. ibid. 4. Anm. (IV 156 f.). Die Moral darf nicht nach der Bibel, sondern es muß die Bibel nach der Moral ausgelegt werden; die Offenbarung muß im Sinne der „allgemeinen praktischen Regeln einer reinen Vernunftreligion“ gedeutet werden, ibid. 3. St. VI (IV 126 f.).

Die Bibel ist „das beste vorhandene zur Gründung und Erhaltung einer wahrhaftig seelenbessernden Landesreligion auf unabsehliche Zeiten taugliche Leitmittel der öffentlichen Religionsunterweisung“, Str. d. Fak. Vorr. (V 4,50). Die Bibel enthält neben dem rein moralischreligiösen Gehalt auch das, was zum Geschichtsglauben gehört und „in Ansehung des Religionsglaubens als bloßes sinnliches Vehikel zwar ... zuträglich sein kann, aber nicht notwendig dazu gehört“, ibid. 1. Abs. II, 1 (V 4, 78); vgl. II, 2 (V 4, 87). Die Bibel muß „nicht bloß nach Grundsätzen der Geschichtslehren (mit sich selbst zusammenzustimmen) theoretisch, sondern nach Vernunftbegriffen praktisch ausgelegt werden; denn daß eine Offenbarung göttlich sei, kann nie durch Kennzeichen, welche die Erfahrung an die Hand gibt, eingesehen werden. Ihr Charakter (wenigstens als conditio sine qua non) ist immer die Übereinstimmung mit dem, was die Vernunft für Gott anständig erklärt.“ Geschichte ist nicht befugt, sich selbst für göttliche Offenbarung auszugeben. Das Fürwahrhalten biblischer Lehren als solches hat weder moralischen Wert noch Unwert, ibid. II, 3 (V 4, 891 f..). Die Beglaubigung der Bibel kann nicht aus der Gottesgelahrtheit ihres Verfassers, sondern muß „aus der Wirkung ihres Inhalts auf die Moralität des Volkes“ aus dem reinen Quell der allgemeinen Vernunftreligion geschöpft werden. „Die Beurkundung einer solchen Schrift als einer göttlichen kann von keiner Geschichtserzählung, sondern nur von der erprobten Kraft derselben, Religion in menschlichen Herzen zu gründen..., abgeleitet werden.“ „Die Bibel enthält in sich selbst einen in praktischer Absicht hinreichenden Beglaubigungsgrund ihrer (moralischen) Göttlichkeit durch den Einfluß, den sie als Text einer systematischen Glaubenslehre von jeher, sowohl in katechetischem als homiletischem Vortrage, auf das Herz der Menschen ausgeübt hat, um sie als Organ nicht allein der allgemeinen und inneren Vernunftreligion, sondern auch als Vermächtnis (Neues Testament) einer statutarischen, auf unabsehliche Zeiten zum Leitfaden dienenden Glaubenslehre aufzubehalten: es mag ihr auch in theoretischer Rücksicht für Gelehrte, die ihren Ursprung theoretisch und historisch nachsuchen, und für die kritische Behandlung ihrer Geschichte an Beweistümern viel oder wenig abgehen. — Die Göttlichkeit ihres moralischen Inhalts entschädigt die Vernunft hinreichend wegen der Menschlichkeit der Geschichtserzählung ... und berechtigt dabei doch zu dem Satz: daß die Bibel, gleich als ob sie eine göttliche Offenbarung wäre, aufbewahrt, moralisch benutzt und der Religion als ihr Leitmittel untergelegt zu werden verdiene“, ibid. 1. Abs. Friedens-Abschluß (V 4, 110 ff.).

Soll die biblische Auslegungskunst (Hermeneutik) als „authentisch“ verstanden werden, so muß die Auslegung „dem Sinne des Verfassers buchstäblich (philologisch) angemessen“ sein. Bei der „doktrinalen“ Auslegung aber darf der Schriftstelle derjenige Sinn untergelegt werden, den sie „in moralisch-praktischer Absicht“ annimmt. Die doktrinale Auslegung ist die „einzige evangelisch-biblische Methode“ der Volksbelehrung in der allgemeinen Religion; betreffs der positiven Religion ist sie zugleich die authentische, d. h. „so will Gott seinen in der Bibel geoffenbarten Willen verstanden wissen“. „Der Gott, der durch unsere eigene (moralisch-praktische) Vernunft spricht, ist ein untrüglicher, allgemein verständlicher Ausleger dieses seines Wortes.“ „Und so haben die Theologen der Fakultät die Pflicht auf sich, mithin auch die Befugnis, den Bibelglauben aufrecht zu erhalten; doch unbeschadet der Freiheit der Philosophen, ihn jederzeit der Kritik der Vernunft zu unterwerfen“, ibid. (V 4, 113 ff.).